Der Glaubenskongregation des Apostolischen Stuhles wurde die Frage vorgelegt, ob gleichgeschlechtliche Paare kirchlich gesegnet werden dürfen. Ihre Antwort (22. Februar 2021) fand in deutschen Diözesen teilweise heftigen Widerstand. Einer der Argumente: einer kirchlichen Verurteilung der Homosexualität fehle überhaupt das biblische Fundament. Universitäre katholische Lehrer verbreiten ja in jüngster Zeit, der Heiligen Schrift sei die Sündhaftigkeit des homosexuellen Verkehrs unbekannt. Das Internet sekundiert willfährig.

  • Ilse Müllner, Prof. für Katholische Theologin der Uni Kassel befand: "An keiner Stelle verurteilt die Bibel Homosexualität". Sie konnte diese These im Portal der Deutschen Bischofskonferenz (10. 8. 2018) widerspruchslos verbreiten.
  • Nach Ulrich Berges, Katholischer Alttestamentler an der Uni Bonn, kennt das AT homosexuellen Verkehr nur als Akt der Demütigung - überhaupt nicht vergleichbar mit der heutigen Form freier Lebensbeziehung. Die Bibel könne demnach – etwa im Buch Leviticus -  „das nicht verbieten, weil sie das gar nicht kennt“ (Domradio Köln 24. 3. 2021). 
  • Die FAZ echot rasch, daß „kein seriöser Bibelwissenschaftler einzelne negative Aussagen zur Homosexualität im Alten oder Neuen Testament für geeignet hält, die römische Position zur Homosexualität zu rechtfertigen“ (26. 3. 2021).

Solche Befunde sind wohl von jüngsten empirischen Untersuchungen zum vorgegebenen Problem beeinflußt. Sie ordnen sich auch ein in die gängige öffentliche Meinung, in staatliche Gesetzgebung und eine geschickte Lobby-Arbeit der „LGTB“ Bewegung. So bleibt denn – sine ira et studio - zu prüfen, ob das inkriminierte Reskript der Glaubenskongregation von wissenschaftlich-exegetischer Erkenntnis gedeckt ist oder nicht.   

Hermeneutik

Gewiß muß beim Verpflichtungsanspruch biblischer Forderungen unterschieden werden zwischen theologisch-ontisch ausgerichteten Weisungen und solchen, die sich partikulär auf äußerlichen Lebensstil und die Umgangs-Etikette beziehen (Exeget H. Schürmann). Erstere sind nicht funktional für das menschliche Miteinander der Gemeinde, sondern personal-ontische Qualitäten. Sie haben darum über zeitliche Fixierung hinaus fortbestehende Gültigkeit. Wer ihre Dauer leugnete, übersähe, daß Geschichte wohl Kultur und Kenntnis, aber nicht das Wesen des Menschen verändert. Er würde ferner den tief-existentiellen Anspruch von Gottes Heilswort verkennen oder banalisieren. Wenn demnach ein Universitäts-Lehrer etwa die Aussagen des Apostels zur Homosexualität mit denen über kulturelle und rituelle Praktiken gleichsetzt – man versucht es gar, indem man Pauli Ächtung der Homosexualität (Röm 1,26) lediglich den Rang ritueller Vorschriften für den Gottesdienst (1 Kor 11, 2) einräumt – so  irrt er hermeneutisch und verführt pastoral. - Verblüffend ist ferner die professorale These, die biblische Verurteilung betreffe eine prinzipiell andere Form der Homosexualität: Heute meine sie eine auf Dauer angelegte Liebesbeziehung von Menschen gleichen Geschlechts; diese aber sei im Altertum unbekannt gewesen. Neben dem Zweifel an der Verläßlichkeit solcher Behauptung ist hier logsicher Widerspruch einzulegen: Numersiche Vermehrung des sündigen Aktes gibt diesem keine neue moralische Qualifizierung; auch dem Kleptomanen bleibt der Diebstahl verboten. - Schließlich: Die empirische Aufdeckung bioethischer Wurzeln – sie bleiben freilich schon seitens der Wissenschaft in vielem Diskussionsmaterial – ist der Kirche ein guter Grund für vermehrte pastorale Zuwendung zu jedem einzelnen ihrer Glieder. Aber solche Erkenntnisse nehmen dem gesunden Menschen nicht die freie Entscheidung. 

Buchstabe und Geist der Heiligen Schrift

Judentum und Christentum sind durch Personen, deren Geschichte und hervorstechende Vorfälle entstanden. Ihr Glaubensverständnis und ihr Geist sind von Erfahrenem und Tradiertem geformt. In ihnen kündet sich die unverbrüchliche Dauerhaftigkeit des Wortes Gottes an und trägt sich in ihnen durch. Für fundmental Stiftendes und ontisch-existentiell Bindendes gibt es weder Vergessen noch ein Verfalls-Datum. Ein elementarer biblischer Anknüpfungspunkt für die Verurteilung der Homosexualität ist der biblische Bericht über die Zerstörung von „Sodom und Gomorra“ (Gen 18 und 19).

Der Autor der jawistischen Erzählung hat schon vor Beginn des Vorfalls Jahwe selbst den Grund seiner Intervention nennen lassen: „Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist laut geworden und ihre Sünde, ja, die ist schwer“ (Gen 18,20). Erst im Fortgang des Prozesses erläutert der biblische Text die Art der Sünde: Es ist die Perversität der „Männer von Sodom, jung und alt“; sie fordern von Lot die Herausgabe der jungen Männer: „Bring sie heraus zu uns, daß wir mit ihnen Geschlechtsverkehr haben“ (Gen 19,4f.). In dem alten Kulturland Kanaan waren – nach Kennern der Antike – geschlechtliche Verirrungen stark verbreitet. Widernatürlich Unzucht hatte um sich gegriffen durch die erotisch-orgiastischen Kulte von Baal und Astarte. Solcher Gier war der israelische Immigrant Lot, der Neffe Abrahams, nun wegen seiner himmlischen Gäste ausgesetzt – gewiß „blühende Jünglinge, deren Schönheit die böse Lust besonders reizte“ (Gerhard von Rad).  Wohl darf im Kontext die Heiligkeit des Gastrechts nicht ausgeklammert werden. Doch wer die Weisung des Abschnitts auf die Schutzpflicht für Fremde reduziert, verwechselt Ursache und Wirkung. Jahwe vollzieht sein Gericht über das Klagegeschrei des Frevels, indem der „auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen ließ“ (Gen 19,24). Sodom wird wegen seiner abartigen Ausschweifungen für die biblischen Verfasser zum Muster tiefster Verkommenheit. 

In der Tat ist es demnach beschämend, daß Professoren offenbar nach Einzelversen für die biblische Mißbilligung der Homosexualität suchen. Gerade diese Spezialisten müßten doch die Heilige Schrift als ganze und in ihrem Geist befragen. Dann hätte sich ihnen ein anderes Ergebnis gezeigt: „Sodom“ ist in der Bibel durchgängig ein Anknüpfungspunkt für Sünde und Verderbtheit – weit über alle punktuelle Aussage hinaus. Sammelwerke verzeichnen die Schriftstellen: AT: Jes 1,9f.; Jer 23,14; 49,18; 3 Mos 20,13; 5Mos 29,22. NT: Mt 10,15; Röm 9,29; 2 Petr 2,6; Judasbrief 7; Apo 11,8. Obwohl bei diesen biblischen Verweisen auf Sodom durchgängig nicht sexueller Frevel erkennbar wird, bleiben jüngste exegetische Behauptungen sehr fraglich, wenn sie Sodoms Sünde als Fehlen der Gastfreundschaft deuten. Der überragende Kenner des AT Gerdhard von Rad hält es für möglich, daß nachträglich auch die Verletzung des Gastrechts auf Sodom als „dem Sitz aller Sünden“ bezogen würde.

Als neutestamentlicher Festpunkt für die Diskussion sind die bekannten Verse des Römerbriefs unverzichtbar (Röm 1,18 – 28). Der Apostel legt in ihnen dar, daß die Menschheit in sittlicher Verwirrung und Auflehnung lebt. Ein Beispiel aus der Welt der Heiden ist deren korrumpierte Geschlechtlichkeit. Sie hat sich in der AKATHARSIA (Unreinheit) verfangen, die nach juden-christlichem Urteil in der heidnischen Sexualisierung des öffentlichen und privaten Lebens besteht. Mit ihr verbindet sich die EPITHYMIA, das selbstsüchtige Begehren. Es beherrscht den Menschen von Innen her. Der Apostel scheut sich nicht, diese schändlichen Leidenschaften beim Namen zu nennen: der perverse gleichgeschlechtliche Verkehr von Frauen oder von Männern. So prangert Paulus gezielt widernatürliches Sexualverhalten von Menschen an (Röm 1,26-28), das auch als Sodomie bezeichnet wird. Der bedeutende katholische Exeget Heinrich Schlier gibt in seiner Erklärung dieser Passage des Römerbriefs die Gründe an für die sexuelle Perversion der Triebe: Gott habe die Heiden blind gemacht wegen ihres Ungehorsams und Undanks gegen den Schöpfer. Deren sexuelle Abartigkeit sei also nicht einfach historisch, psychologisch oder soziologisch zu klären; in ihr zeige sich vielmehr, wie Gott selbst die Selbst- und Weltvergötterung des Menschen bestrafe. Gottlosigkeit schlage um in die Selbstentehrung des Menschen.   

Alle Zitate und Anspielungen auf den Vers 27 des Römerbriefes, die sich in den neun Bänden des unvergleichlichen biblischen Standartwerks „Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament“ finden lassen, belegen die Gottwidrigkeit der Homosexualität. Für renommierte protestantische Exegeten spricht Paulus von ihr als von „Abgrund geschlechtlicher Liebe“ (Albrecht Oepke); „Folgen vom Mißbrauch des sonst gepriesenen menschlichen Körpers“ (Herbert Preisker). Verkehrung der „Wahrheit Gottes“ (Hans Wolfgang Heidland); „sexuelle Verderbtheit“ (Wilhelm Michaelis); „Abfall von Gott“ (Herbert Braun). 

Nur Flatteure versuchen, Analyse und Schuldspruch des Völkerapostels in den zeitgenössischen Mainstream einzuebnen. Judentum und Christentum haben nicht Jahrhunderte lang geirrt. Selbst wenn trendige katholische und protestantische Exegese uns unter dem Druck der Homo-Lobby Sand in die Augen streuen mit ihrem Anspruch, erst ihnen hätte sich der wahre Sinn von Gottes Wort erschlossen.  Geradezu grotesk ist es, Pauli Verdikt der Homosexualität zu eliminieren mit der Lokalisierung der inkriminierten Verse im Römerbrief. Man schreibt:  Erst im 2. Teil seines Briefes mache der Apostel ethische Angaben; der erste Teil sei rein illustrativ ohne Verpflichtungscharakter.  

Homosexualität ist Gott-widrig 

Wohl verdient der Katholik, dessen sexuelles Begehren sich auf das gleiche Geschlecht richtet, eine individuelle pastorale Zuwendung der Kirche; dies räumt die Glaubenskongregation in der eingangs erwähnten „Antwort“ ausdrücklich ein. Doch ist Neigung nicht gleich Vollzug; des einen kann der Menschen nicht leicht Herr werden, das andere untersteht seiner freien Entscheidung. Homosexuelles Ausleben wird indes von Buchstaben und Geist der Offenbarung Gottes als Gott-Widrigkeit qualifiziert. Im Genesis-Bericht bringt diese „Sünde, ja sie ist schwer,“ Jahwe selbst dazu einzuschreiten. Der Römerbrief sieht den Grund solcher Perversion in einem fatalen Tausch: Gott wird im Ungehorsam und Undank preisgegeben und an seine Stelle tritt die Apotheose des Menschen. Was für die Antike galt, ist wahr für unsere Zeit, für die sensible Mahner „Gottesfinsternis“ (Martin Buber) oder „Gott-Vergessenheit“ (Joseph Ratzinger) beklagen. Demnach haben Glaubender und Kirche die dringliche Pflicht, nicht Permissivismus, sondern Gottes Rechte zu benennen und zu verkündigen. Sie haben aufzuzeigen, daß menschliches Heil im Sohn des ewigen Vaters bereitliegt.  Die Sündhaftigkeit der Homosexualität hingegen zu leugnen oder gar Gottes Segen für ihre gott-widrigen Akte anzubieten, steht zu Gott und seiner Offenbarung in frontalem Widerspruch.     

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