„Operation Pontifex – Der Vatikan im Visier der Geheimdienste“ – so lautet der Titel eines Video-Interviews, das online einzusehen ist. Darin spricht EWTN-Redakteur Robert Rauhut mit dem Theologen und Historiker Ulrich Nersinger über die spannende Geschichte geheimdienstlicher Tätigkeit im Vatikan. Parallel zu diesem Interview erschien Nersingers Buch „Schattenkrieg im Haus des Herrn – Katholische Kirche und Spionage“.

Dem geneigten Leser dieser Zeilen mag zunächst die Frage aufgehen, ob er denn überhaupt das Buch lesen sollte, wenn doch der Autor selbst in einem einstündigen Interview bereits Rede und Antwort gestanden hat. Sicherlich würden in dem Gespräch die wichtigsten und eindringlichsten Ereignisse bereits ausgesprochen worden sein. Doch trotzdem darf man das Buch empfehlen, denn es geht weit über das hinaus, was im Gespräch zu erfahren ist. Nicht nur was die vielfältigen Geschichten angeht, die Nersinger erzählt – auch die von ihm dokumentierten Ereignisse werden so weit wie möglich erklärt. 

Ob die katholische Kirche etwas mit Spionage und Geheimdienst zu tun haben könnte, darüber wird zu allen Zeiten spekuliert. Beweise gibt es kaum. Aber es gab Ereignisse, die ohne besonders beauftragte Personen kaum vorstellbar waren. Davon erzählt das Buch. Beginnend in frühester Zeit kann Nersinger bis in unsere Epoche hinein von geheimnisvollen Geschehnissen berichten. Manchmal erzählt er spannend von regelrechten „Schattenkriegen“. 

Fast immer sind die Päpste Dreh- und Angelpunkt der „geheimdienstlichen“ Operationen. Während ein Pontifex in früheren Zeiten sich besonderer Gesandter, der Legaten, bediente, sind es in neuer Zeit die Nuntiaturen, die vom Papst in den Ländern der Erde platziert werden. Offensichtlich waren und sind sie bis heute nicht immer gut angesehen. So verglich etwa 1969 der Erzbischof von Mecheln-Brüssel, Kardinal Leon-Joseph Suenens, die Nuntiaturen mit den Geheimdiensten der Regierungen.

Ein jeder kann sich denken, dass es im 20. Jahrhundert dramatischen Auseinandersetzungen des Heiligen Stuhls mit dem Kommunismus gab. Dies insbesondere, als ein Kardinal aus dem kommunistischen Osten zu Papst Johannes Paul II. wurde. In diesem Zusammenhang sei folgende Episode kurz erwähnt: Ein Benediktiner, der für die Vatikanzeitung Osservatore Romano und für die katholische Nachrichtenagentur KNA arbeitete, war ein Spion des KGB und arbeitete für die Stasi. 

Doch auch aus Kriegszeiten berichtet Nersinger von interessanten Begebenheiten,  die natürlich auch den Faschismus, den Nationalsozialismus und die deutsche Besatzung Roms zum Gegenstand haben.

Alleine drei Kapitel behandeln in großer Ausführlichkeit die Katholikenverfolgungen in England und Frankreich. Zur Französischen Revolution und ihrem blutigen Treiben spielen die Schilderungen des päpstliches Internuntius De Salamon, dem Vertreter des Papstes, eine große Rolle.

In neuer Zeit werden nicht nur die verschiedenen Konklave betrachtet sondern auch das Attentat auf Papst Johannes Paul II., der Finanzskandale des Vatikan und die Vatileaks-Affäre, die unter dem Pontifikat von Papst Benedikt ein vorläufiges Ende fand. Nach dessen Rücktritt als Papst erinnert Nersinger: 

„Aus der Umgebung des emeritierten Papstes lässt eine Bemerkung aufhorchen: ‚Benedikt XVI. war nicht mehr in der Lage , mit einer der wichtigsten Personen im Vatikan im gleichen Raum zu verweilen. Sie nahm ihm, wie es der Heilige Vater selbst formulierte, die Luft zum Atmen.‘“

Das kenntnisreiche und spannende Buch ist vor allem darum zu empfehlen, weil es sich nicht an Verschwörungstheorien beteiligt, sondern Fakten erzählt. So ist es auch interessant zu erfahren, was über das „Gästehaus St. Martha“, der jetzigen Residenz von Papst Franziskus, gesagt wird.

Ulrich Nersinger, "Schattenkrieg im Haus des Herrn. Katholische Kirche und Spionage" ist im Verlag Petra Kehl erschienen und hat 294 Seiten.

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