In klerikalen Kreisen taucht immer wieder die witzig gemeinte, aber doch recht platte Frage auf, wer denn der Heilige sei, der zwar vier Beine habe, aber doch nicht laufen könne. Nun ja, es ist der Heilige Stuhl.

Der nicht leicht zu verstehende Begriff ist die bis heute gebräuchliche Bezeichnung für den Papst, der als souveränes Völkerrechtssubjekt die Anerkennung von etwa 170 Staaten und 20 internationalen Organisationen genießt. Nicht selten meint man, der Papst sei als Oberhaupt des winzigen Vatikanstaates von anderen Staats- und Regierungschefs anerkannt, doch sein besonderer Status gründet nicht in dem kleinsten Land der Welt. Der Papst ist aufgrund jahrhundertelanger Beziehungen zu anderen Staaten, vor allem durch die Entsendung von Botschaftern, anerkannt. Würde er den Vatikan verlieren – im 19. Jahrhundert war das der Fall mit dem wesentlich größeren und politisch nicht unbedeutenden Kirchenstaat – so bliebe der Heilige Stuhl nach wie vor ein international anerkanntes Völkerrechtssubjekt. Der Papst – und nur er – genießt unter allen Religionsführern die Autorität eines Staatschefs, der Präsidenten gleichgestellt ist. All dies verdankt er – will man es so formulieren – dem hölzernen Schemel, auf dem der heilige Petrus saß, als er die Gemeinde von Rom lehrte. Dieser kleine Stuhl des Apostelfürsten befindet sich heute in dem gewaltigen Bronze Altar der Kathedra, der sich am westlichen Ende der Petersbasilika erhebt. Der Thron Petri, den vier Kirchenlehrer in die Höhe erheben, wird vom Bild des Heiligen Geistes überstrahlt – dem einzigen Farbfenster im Petersdom.

Ein Stuhl im Licht des Heiligen Geistes

Die Kirche feiert heute das Fest der Kathedra Petri, um an die Autorität des Ersten der Apostel und seiner Nachfolger zu erinnern. Der Heilige Stuhl, dessen Begriff auf den Holzschemels eines Fischers zurückgeht, den der Herr zum Hirten seiner Kirche bestellt hat, ist heute in aller Welt die höchste moralische Autorität. Auch Nichtchristen achten die Worte des Papstes zu Frieden, Migration und Klimaschutz. Wichtiger als diese politischen Themen ist aber die Bewahrung und authentische Erklärung des Glaubens, die dem Petrus und seinen Nachfolgern anvertraut ist. Ihm ist – wie der Altar in St. Peter sehr schön zeigt – der besondere Beistand des Heiligen Geistes verheißen, wenn er – aus der Tradition der Kirche und ihrer Väter schöpfend, Christi Evangelium erklärt.

Er der Papst, und nur er allein hat die Gewalt der Schlüssel, um zu binden und zu lösen. Er hat in der gesamten Kirche direkte, unmittelbare und nur durch Gottes Gesetz begrenzte Vollmacht. Er ist der oberste Hirte, dem die gesamte Herde des Herrn anvertraut ist. Diesen hohen Dienst des Dieners der Diener Gottes feiert die Kirche heute. Im Gegensatz zu den nationalkirchlich organisierten Patriarchen der Orthodoxie und den hunderten von protestantischen Denominationen ist die katholische Kirche eine – dank des Papstes, den das Zweite Vatikanische Konzil ihr sichtbares Haupt nennt.

Der Fels, auf dem wir stehen

Das Fest der Kathedra Petris ist Anlass für den Felsen zu danken, auf dem Jesus seine Kirche bauen wollte. Jeder Papst, ein schwacher und sündiger Mensch, ist doch der starke Grund, auf dem Lehre und Leben der Jünger Jesu sicher stehen.

Papst Benedikt XVI. hat am 7. Mai 2005 bei der Besitzergreifung seiner Kathedrale, also der Lateranbasilika, sehr schön das petrinische Amt des Lehrens und Leitens erklärt:

"Es war Petrus, der als erster im Namen der Apostel das Glaubensbekenntnis ausgesprochen hat: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes« (Mt 16,16). Das ist die Aufgabe aller Nachfolger des Petrus: Führer zu sein im Bekenntnis des Glaubens an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes. Die Kathedra von Rom ist vor allem Kathedra dieses Glaubensbekenntnisses. Der Bischof von Rom ist dazu verpflichtet, von dieser Kathedra herab ständig zu wiederholen: »Dominus Iesus« – »Jesus ist der Herr«, wie Paulus in seinen Briefen an die Römer (10,9) und an die Korinther (1 Kor 12,3) schrieb. An die Korinther gerichtet, sagte er mit besonderem Nachdruck: »Und selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde sogenannte Götter gibt […], so haben doch wir nur einen Gott, den Vater […]. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn« (1 Kor 8,5f.). Die Kathedra Petri verpflichtet ihre Inhaber – wie es schon Petrus in einer Krisensituation der Jünger, als viele fortgehen wollten, getan hat – zu sprechen: »Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes« (Joh 6,68f.). Wer die Kathedra Petri in Besitz genommen hat, muß sich der Worte erinnern, die der Herr beim Letzten Abendmahl zu Petrus gesagt hat: »…und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder« (Lk 22,32). Der Träger des Petrusamtes muß sich bewußt sein, daß er ein zerbrechlicher und schwacher Mensch ist – wie seine eigenen Kräfte zerbrechlich und schwach sind –, der ständiger Läuterung und Umkehr bedarf. Aber er darf sich auch dessen bewußt sein, daß er vom Herrn die Kraft erhält, seine Brüder im Glauben zu stärken und sie vereint zu halten im Bekenntnis zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Im ersten Brief des heilige Paulus an die Korinther finden wir den ältesten Auferstehungsbericht, den wir besitzen. Paulus hat ihn von den Zeugen getreu übernommen. Dieser Bericht spricht zunächst vom Tod des Herrn für unsere Sünden, von seiner Grablegung, von seiner Auferstehung am dritten Tag und sagt dann: »Christus erschien dem Kephas, dann den Zwölf…« (1 Kor 15,4). So wird noch einmal die Bedeutung des Auftrags zusammengefaßt, der dem Petrus bis ans Ende der Zeiten erteilt worden ist: Zeuge des auferstandenen Christus zu sein.

Der Bischof von Rom sitzt auf seiner Kathedra, um von Christus Zeugnis zu geben. Daher ist die Kathedra das Symbol der »potestas docendi«, jener Lehrvollmacht, die wesentlich zur Aufgabe des Bindens und Lösens gehört, die vom Herrn dem Petrus und nach ihm den Zwölf aufgetragen worden ist. In der Kirche gehören die Heilige Schrift, deren Verständnis unter der Eingebung des Heiligen Geistes wächst, und der den Aposteln aufgetragene Dienst der authentischen Auslegung unlösbar zusammen. Wo die Heilige Schrift von der lebendigen Stimme der Kirche losgelöst ist, wird sie zum Diskussionsthema der Experten. Sicher, alles, was sie uns zu sagen haben, ist wichtig und wertvoll; die Arbeit der Gelehrten ist für uns eine beachtliche Hilfe, um jenen lebendigen Wachstumsprozess der Schrift erfassen und somit ihren historischen Reichtum verstehen zu können. Aber die Wissenschaft allein kann uns keine endgültige und verbindliche Interpretation liefern; sie ist nicht in der Lage, uns in ihrer Interpretation jene Gewißheit zu geben, mit der wir leben können und für die wir auch sterben können. Dafür braucht es ein größeres Mandat, das nicht allein aus menschlichen Fähigkeiten entstehen kann. Dazu braucht es die Stimme der lebendigen Kirche, jener Kirche, die bis ans Ende der Zeiten dem Petrus und dem Apostelkollegium anvertraut wurde.

Diese Lehrvollmacht erschreckt viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche. Sie fragen sich, ob sie nicht die Gewissensfreiheit bedrohe, ob sie nicht eine Anmaßung darstelle, die im Gegensatz zur Meinungsfreiheit steht. Dem ist aber nicht so. Die von Christus dem Petrus und seinen Nachfolgern übertragene Macht ist, absolut verstanden, ein Auftrag zum Dienen. Die Lehrvollmacht in der Kirche schließt eine Verpflichtung zum Dienst am Glaubensgehorsam ein. Der Papst ist kein absoluter Herrscher, dessen Denken und Willen Gesetz sind. Im Gegenteil: Sein Dienst garantiert Gehorsam gegenüber Christus und seinem Wort. Er darf nicht seine eigenen Ideen verkünden, sondern muß – entgegen allen Versuchen von Anpassung und Verwässerung sowie jeder Form von Opportunismus – sich und die Kirche immer zum Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes verpflichten. Das tat Papst Johannes Paul II., wenn er – angesichts sämtlicher, für den Menschen scheinbar gut gemeinter Versuche – den falschen Interpretationen der Freiheit gegenüber unmissverständlich die Unverletzlichkeit des menschlichen Wesens, die Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod betonte. Die Freiheit zu töten, ist keine wahre Freiheit, sondern eine Tyrannei, die den Menschen zur Sklaverei erniedrigt. Der Papst ist sich bewußt, daß er in seinen wichtigen Entscheidungen an die große Gemeinschaft des Glaubens aller Zeiten, an die verpflichtenden, auf dem Pilgerweg der Kirche entstandenen Interpretationen gebunden ist. So steht seine Macht nicht über dem Wort Gottes, sondern in dessen Dienst; und ihm obliegt die Verantwortung dafür, daß dieses Wort in seiner Größe erhalten bleibt und in seiner Reinheit erklingt, auf daß es nicht von den ständig wechselnden Moden zerrissen werde." […]

"Ein Papa, eine Familie"

Der Papst, der im italienischen Papa genannt wird, ist der Vater der Familie Christi, der die Söhne und Töchter Gottes nach Hause führt. Als Bischof von Rom bindet er alle Katholiken an die Stadt auf den sieben Hügeln. Alle, ganz gleich welcher Hautfarbe, sind Bürger dieser Stadt, die ein schwaches Abbild jener Siedlung ist, die eines Tages als Wohnung Gottes vom Himmel herabsteigen wird:

"Liebe Römer, ich bin jetzt euer Bischof. Danke für eure Großherzigkeit, danke für eure Sympathie, danke für eure Geduld mit mir! Als Katholiken sind wir alle in gewisser Weise auch Römer. Mit den Worten von Psalm 87, einem Loblied auf Zion, die Mutter aller Völker, sang Israel und singt die Kirche: »Doch von Zion wird man sagen: Jeder ist dort geboren …« (Ps 87,5). In ähnlicher Weise könnten auch wir sagen: Als Katholiken sind wir in gewisser Weise alle in Rom geboren. So will ich mit ganzem Herzen versuchen, euer Bischof, der Bischof von Rom zu sein. Und wir alle wollen versuchen, immer mehr katholisch zu werden – immer mehr zu Brüdern und Schwestern in der großen Familie Gottes, jener Familie, in der es keine Fremden gibt. Amen."

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