Heute in genau vier Wochen endet das von Papst Franziskus ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit. In den vergangenen Monaten hat die Kirche in besonderer Weise dazu aufgerufen, wie der verlorene Sohn durch die weit offenstehende Tür der Beichte ins Haus des Vaters zurückzukehren.

Das Heilige Jahr war – und ist es noch für 30 Tage – eine groß angelegte Initiative, das "vergessene Sakrament" der Beichte wieder zu etablieren. Salopp könnte man sagen, es ging um eine Werbekampagne, einen "alten Ladenhüter" wieder an den Mann zu bringen. Hatte Papst Franziskus damit Erfolg? Das ist die Gewissensfrage an uns alle am Ende des Heiligen Jahres. An der Zahl derer, die dieses Sakrament empfangen wollen, wird sich das "Jahr der Barmherzigkeit" messen lassen müssen. Die Beichte ist eines der besten "Produkte", die die Kirche zu bieten hat: Durch das Wort des Priesters vergibt und vergisst Gott alle Sünden. Im Beichtstuhl geschieht, was kein Psychologe leisten kann: Vergebung von Schuld, echte Verzeihung, das Geschenk eines echten Neuanfangs.

Das Sakrament der Beichte ist nicht für Engel, sondern für schwache Menschen gestiftet worden, die immer wieder (und oft das Gleiche!) beichten. Kein Bauarbeiter verzichtet vor dem Feierabend mit der Familie auf die Dusche, obwohl er doch weiß, dass er schon am nächsten Tag wieder schwitzend schuften muss und sich dabei die Hände schmutzig macht. Für die häufige Beichte, die jedem zu empfehlen ist und nach diesem Jahr der Barmherzigkeit zur guten Gewohnheit geworden sein sollte, genügt der aufrichtige Wille, ja vielleicht sogar "nur" der ehrliche Wunsch, sich zu bessern; nicht die Gewissheit – die gibt es in dieser Welt gar nicht – nie mehr zu sündigen!

Was ist die Sünde?

Das deutsche Wort "Sünde" enthält die althochdeutsche Silbe "Sund", und das bedeutet Graben, Schlucht, einen trennenden Meeresarm. Bekannt ist vielleicht der Fehrmann-Sund, jenen Meeresarm, den man auf dem Weg nach Dänemark überquert. Damit trifft das deutsche Wort sehr deutlich was die Sünde ihrem Wesen nach ist: ein tiefer Graben, eine schier unüberwindbare Schlucht zwischen Gott und dem Menschen. Die Sünde als "Sund" zu verstehen macht deutlich, was die Theologie meint, wenn sie sagt, das Böse ist ein Mangel, ein Fehlen des Guten. So wie Blindheit das Fehlen der Sehkraft ist, Lähmung der Mangel an Beweglichkeit, so ist die Sünde der Verlust der heiligmachenden Gnade, der Gemeinschaft mit Gott – ein Abgrund ohne Brücke, den wir zwischen Gott und uns aufreißen. Und in diesem Abgrund, in diesem Loch, in dieser Falle stecken, wir dann fest, ohne uns selbst befreien zu können.

Worin man indische Affen nicht nachahmen sollte

Wissen Sie, wie man in Indien Affen fängt? Die Inder haben eine ungewöhnlich raffinierte Methode, die allzu simpel erscheint, doch immer, mit 100%iger Treffsicherheit funktioniert. Auf einer Waldlichtung stellen sie eine Kiste auf, in die sie eine Kokosnuss legen. Diese Kiste ist schwer und fest verschlossen und hat nur ein enges Loch, gerade groß genug, dass der Affe seine Hand hineinstecken kann. Wenn nun das Tier nach der Nuss greift, sitzt er in der Falle. Die Inder stürmen aus ihrem Versteck, um ihn zu jagen, aber der Affe lässt die Nuss nicht los, und mit dem schweren Hindernis am Arm ist er schnell gefangen. Gott sei Dank ist der Mensch kein höher entwickelter Affe, kein dummes Tier, das blind in die Falle tappt. Und doch ähnelt der Mensch, die Krone der Schöpfung, das Ebenbild Gottes, begabt mit Verstand und Willen, den braun behaarten Tieren Indiens – nämlich dann, wenn er sündigt. Und die Konsequenz ist beinahe die gleiche: man steckt im "Sund", in der Falle, im Netz, das einem die Bewegungsfreiheit raubt. Wir sind dann eben nicht mehr freie Kinder Gottes, die in seiner heiligmachenden Gnade leben, sondern gefangene Geschöpfe, "armselige Kreaturen" in der Gewalt des Jägers.

Und ewig lockt die süße Frucht...

Die Strategie der Sünde ist immer die gleiche: Etwas fasziniert den Menschen, etwas zieht ihn förmlich magisch an, etwas lockt ihn und verspricht Erfolg, Karriere, Geld und gute Geschäfte, Erfüllung seiner Triebe und  Leidenschaften. Der Mensch packt zu und sitzt in der Falle! Er wendet sich Gütern zu, die ihn nicht glücklich machen können, er greift nach Dingen, die ihn fesseln und unfrei machen können, er verkrallt sich in materiellen Besitz und sinnlichen Genuß – und sitzt am Ende da, wie der nach der Flucht erschöpfte indische Affe: betrogen um das wahre Glück, gefangen im Netz von Sünde und Schuld!

Das eigentliche Problem ist dabei nicht, dass wir nach "verlockenden" Dingen oder Beziehungen greifen. Wir neigen – und das ist eine Folge der Erbschuld – dazu, von Versuchungen angezogen zu werden und die "verbotene Frucht" attraktiv zu finden. Schlimm ist, wenn wir, wie dumme Affen, die Kokosnuss nicht mehr loslassen, unsere Situation schön reden – "So schlimm ist das jetzt auch nicht!" – und die tödliche Falle nur wegen der schmackhaften Frucht für wahre Freiheit und Lebensgenuss halten. Seit Adam und Eva funktioniert dieser Trick – bis heute! Das schmackhafte Obst, nach dem die ersten Menschen gegriffen haben, ist ein Bild für so viele Dinge, die wir begehren und – das ist die wahre Tragödie – nicht mehr aus der Hand geben wollen. Eine einzelne Sünde ist schlimm, aber Geschmack an den süßen, jedoch giftigen Früchten zu finden – das ist verheerend, ja vielleicht sogar tödlich!

Nicht für den Zoo, sondern für die freie Wildbahn erschaffen

Der gefangene Affe in Indien kann sich nicht mehr selbst befreien, wenn er einmal ins Netz gegangen ist. Der Mensch, der die Versuchung nicht loslässt – also die Nuss einfach fallen lassen und vor der Gelegenheit zur Sünde davon rennen würde – kann sich nicht mehr selbst retten. Überzeugte Tierschützer von Greenpeace, die das Wimmern und Kreischen der Opfer hören, treten vielleicht – das wäre ein glücklicher Ausnahmefall im Schutz bedrohter Arten – beherzt auf die Lichtung und schneiden den Affen aus seinem Netz;  sicher ist das freilich nicht! Jesus dagegen vergibt immer wieder – in der Beichte. In diesem Sakrament zeigt er sich als Retter und Erlöser – Begriffe, die uns oft nicht mehr berühren – weil er uns aus dem Netz des Jägers schneidet und dann wahre Freiheit, Leben in Fülle (vgl. Joh 10, 10), schenkt. Mindestens Monatlich zu beichten ist keine Übertreibung, sondern gesunder Realismus. Wir alle benehmen uns eben doch allzu oft wie dumme Affen. Manche haben sich sogar an ihr Leben hintern den Gittern des Tiergartens gewöhnt und sind genauso abgestumpft wie zahnlose, im Kreis trabende Tiger. Die Beichte – immer wieder – rettet uns aus dem Netz des Jägers und garantiert die Freiheit, für die Gott uns geschaffen hat.

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