Benedikt Joseph Labre war nur 35 Jahre, als er auf den Treppenstufen der Kirche Santa Maria ai Monti in Rom zerlumpt und ausgemergelt zusammenbrach. Es war der 16. April 1783.

Noch heute kann man von diesen Stufen über den Morgenverkehr in der Via Madonna dei Monti hinweg auf die Ruine des Kolosseums schauen, in dessen Nischen der Bettler oft genächtigt hatte. Er war in Frankreich geboren, doch dieser Trümmerhaufen und die Straßen Roms waren schließlich seine Heimat geworden. Im Grunde war seine Heimat da schon der Himmel.

Pier Paolo Zaccarelli, der den sterbenden jungen Franzosen in die Wohnung seines Vaters nebenan in die Via dei Serpenti hinauftrug, sagte später, er sei nur noch federleicht gewesen, fast schon von der Gestalt der Engel. Da starb er dann am Abend um 6 Uhr zum Gebet der Lauretanischen Litanei, während draußen alle Glocken der Stadt gleichzeitig läuteten. Es war der Mittwoch der Karwoche und Papst Pius VI. hatte das Geläut angeordnet, um die Römer in dieser Zeit der Krise zum Salve Regina aufzurufen und die Gottesmutter um ihren Schutz anzuflehen. 

Dennoch riefen alle Kinder des Viertels beim Läuten der Glocken sogleich wie aus einem Mund "È morto il santo, è morto il santo! (Der Heilige ist gestorben, der Heilige ist gestorben!)" Alle kannten ihn. Benedetto Giuseppe Labre war ein Santo subitissimo. Die Nachricht seines Todes verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch Europa. Und wie in einem Reigen der Heiligen starb genau 93 Jahre später am gleichen Tag Bernadette Soubirous in Nevers, der die Muttergottes mit 14 Jahren achtzehnmal in Lourdes erschienen ist, nachdem sie sich ihr bei ihrer dritten Erscheinung am 18. Februar 1858 mit den Worten vorgestellt hatte:

"Voulez-Vous me faire la grâce de venir ici pendant quinze jours? (Würden Sie mir die Gunst erweisen, während zwei Wochen hierher zu kommen?)".  

Geboren aber wurde 144 Jahre später am gleichen Tag im bairischen Marktl am Inn dem Ehepaar Ratzinger ihr jüngster Sohn, den sie noch am selben Tag auf den Namen Joseph tauften  und der sich drei Tage nach seinem 78. Geburtstag in Rom bei seiner Wahl zum Papst am 19. April 2005 Benedikt XVI. nannte. 

Benoît-Joseph Labre stammte aus einer vielköpfigen Bauernfamilie (mit 15 Kindern) in Nordfrankreich. Mit 18 wollte er Kartäuser werden, aber wurde abgewiesen. In der Folge wurde er zu einem Pilger der vielen Heiligtümer des Abendlands - von Loreto bis zu Santiago de Compostela - und im Jahrhundert der Aufklärung zu einem heiligen Narren auf den Straßen Europas, wie es sie sonst nur in Russland gab.

In seinen letzten sechs Jahren aber wurde er zu einem Pilger nur noch innerhalb Roms, wo er eine Kirche nach der anderen mit ihren kostbaren Reliquien aufsuchte, als ein Bettler vor dem Allerheiligsten, der immer und jedem reichlich und großzügig abgab. Als ein Habenichts, der ganz Rom bereicherte. Als der Tote schließlich in der Kirche aufgebahrt wurde, wo er auch begraben liegt, kam es zu einem solch tumultösen Auflauf, dass Soldaten gerufen wurden, um die Ordnung wiederherzustellen. Allein aus den nächsten drei Monaten wurden 136 Heilungswunder auf die Fürsprache des Bettlers beglaubigt. 

Kardinal de Bernis hingegen, Botschafter des Königs von Frankreich, der die Gestalt des französischen Bettlers in Rom nur degoutant fand, verfasste am 30. April 1783 eine Note an den Außenminister in Versailles, in der es hieß: "Zum Zeitpunkt seines Todes verbreitete sich das Gerücht seiner Heiligkeit in einem Augenblick überall in der Hauptstadt." Es handle sich dabei wohl um eine Inszenierung der Jesuiten Roms, doch "man darf aber davon ausgehen, dass diese fromme Komödie rasch aufhört."

Tatsächlich nahm die Komödie von Versailles bald ein Ende. Weil Revolutionswächter 10 Jahre später in Paris im Besitz der Pfarrhaushälterin Adrienne Dupont und der Schneiderin Hyacinthe Lagache neben einem  Gebetszettel  Partikel der zerlumpten Kutte Benedict Joseph Labres fanden, wurden beide dieser "komprimittierenden und fanatischen" Objekte wegen verhaftet und am 6. Juli 1794 öffentlich guillotiniert. Hundert Jahre später aber bekehrte sich Paul Verlaine, neben Arthur Rimbaud der berühmteste "Poète maudit" Frankreichs, anlässlich der Heiligsprechung des Bettlers durch Leo XIII, nach einem höchst lasterhaft zelebrierten Leben zum katholischen Glauben. 

Erstveröffentlichung am 16. April 2018.

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