Natürlich geschieht so etwas: Jeder weiß nun von der extrem üblen Missbrauch- und Vertuschungskrise in der katholischen Kirche. Kinder, Jugendliche, sogar erwachsene Seminaristen und Priester wurden von ihren kirchlichen Vorgesetzten sexuell genötigt und missbraucht. Andere, darunter Bischöfe, vertuschten dies systematisch und deckten die Verbrecher.

Zusätzlich zu den schrecklichen Übeln, die die Opfer erlitten haben, hat die Hierarchie der Kirche offensichtlich massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Früher vertrauten die Leute dem Klerus, aber dieses Vertrauen wurde gebrochen. Katholiken und Nicht-Katholiken sind jetzt misstrauisch gegenüber Priestern und Bischöfen.

Pater Goyo Hidalgo ist ein Priester in der Erzdiözese Los Angeles, der ziemlich aktiv in sozialen Medien ist. Er veröffentlichte einen Thread, einen 14 Tweets langen Text darüber, wie ein Fremder ihn in einem Laden als "pädophilen Priester" lautstark beschimpfte - und wie ihn diese Erfahrung dazu gebracht hat, darüber nachzudenken, wie darauf ein Priester reagieren sollte.

Es ist ein erschütternder Thread.

Der Autor und Journalist Rod Dreher sagte über diesen Vorfall und die Reaktion des Priesters: "Ein wichtiger Thread. Ich habe schon lange gesagt, dass neben den eigentlichen Opfern und ihren Familien die unschuldigen Priester, die die Schande ihrer korrupten Brüder zu tragen haben, und die Bischöfe, die sie beschützt haben, am meisten unter diesem Skandal leiden."

Den ganzen Thread lesen Sie hier in englischer Sprache. Auf Deutsch übersetzt liest sich der Twitter-Faden wie folgt:

  1. Thread: In einem Geschäft hat mich jemand angeschrien: "Pädophiler Priester". Zuerst einmal: ICH BIN HIER NICHT DAS OPFER. Die Opfer sind die Missbrauchten. Sie sind es, auf die es hier ankommt. Ich bin immer noch wie gelähmt. Ich wußte nicht, was ich tun oder sagen sollte.
  2. Zum ersten Mal empfand ich, für nur eine Sekunde, Scham für das Priestertum. Ich weiß, es ist nicht gut, wenn jemand das hört, aber ich konnte nicht anders. Wenn Du Wut und Ekel und Scham empfindest, bist Du nicht der einzige. Und doch sind diese Gefühle nur ein kleines Sandkorn verglichen mit dem, was die Opfer fühlen.
  3. Ich will das Priesteramt nicht verlassen. Schon gar nicht deswegen. Das ist eine Erinnerung daran, dass ich ein besserer Priester, ein heiligerer Priester werden will. Es ist keine Karriere. Es ist ein Dienst. Heute wurde ich daran erinnert. Und ich wiederhole: Ich bin hier nicht das Opfer, aber habe viel zu lernen.
  4. Und die Fragen hämmern mir ins Hirn: "Was kann ich tun? Was soll ich sagen? Egal, was ich tue oder sage, wird es nicht genug sein, fast wie eine Beleidigung, selbst wenn ich sage: "Es tut mir leid." Ja, ich bin gelähmt von Frustration, Scham, Wut und Schmerz. Und dennoch weiß ich, dass ich nicht das Opfer bin.
  5. Die Leute fragen mich immer wieder nach Rat, nach Antworten, nach Erklärungen, und das Einzige, was mir einfällt ist "DAS VOLLKOMMENE BÖSE" - das eine, das nirgendwo passieren sollte, am allerwenigsten in der Kirche. Und da ist sie wieder, die Scham, und die Frustration. Und doch bin ich nicht das Opfer hier.
  6. Mir sind die Worte ausgegangen, weil alles Reden zu diesem Zeitpunkt nicht ausreicht, aber es ist das Einzige, was ich im Moment tun kann. Ich weiß vielleicht nicht, was ich sagen soll und bitte um Verzeihung, aber ich versuche, meine Gefühle über diese schrecklichen Verbrechen in Worte zu fassen, und mich nicht auf mich selber zu konzentrieren.
  7. Worte werden dieses Verbrechen nicht wiedergutmachen, aber sie waren eine erste Antwort darauf. Als er schrie, "Pädophiler", wollte ich sagen: "Nein. Bin ich nicht. Niemals." Aber ich wusste, dass meine Worte nichts bewirken würden, also hörte ich zu. Er war verletzt, und er musste sich der Worte bedienen, als Ausdruck seiner Gefühle.
  8. Zwei Damen, die das Ganze sahen, fragten mich, ob sie für mich beten könnten: "Ich bin kein Opfer. Lasst uns für die Opfer beten, die sehr leiden und dass dies NIE wieder geschieht." Und so beteten wir und ich weiß, was Sie nun denken: "Wir brauchen Taten. Keine Gebete."
  9. Und das stimmt. Taten sind notwendig, aber ich weiß auch, dass Gebete vielleicht nicht Dinge ändern, Gebet verändert uns, und wir ändern dann die Dinge (Heilige Teresa von Kalkutta). Also: ja, ich bete für all das. Ich bete, dass es Gerechtigkeit geben wird. Ich bete besonders für die Opfer und die Verletzten.
  10. Ich weiß, dass ich kein Pädophiler bin. Ich weiß, dass ich in meiner Ausbildung im Priesterseminar nie etwas anderes auch nur annähernd Vergleichbares gesehen habe. Ich kenne viele Priester, die einfach wunderbar sind, aber im Moment geht es nicht um uns, insofern wir nicht die Opfer sind. Wir müssen uns aber darauf konzentrieren, wie wir Priester den Menschen helfen können, die verletzt wurden - und wir den Opfern helfen können.
  11. Ich weiß, dass es viele Dinge zu tun gibt, aber ich weiß nicht wie wir vorgehen, also sage ich meinen Gemeindemitgliedern, dass ich damit beginnen werde, ihnen zuzuhören. Auf ihren Zorn, ihre Frustration und ihren Hass hören. Und es ist an der Zeit, dass wir uns von den untersten Ebenen der Kirche nach oben leiten lassen.
  12. Ich weiß, dass Worte allein nicht reichen. Ich weiß, dass wir alle wollen, dass schnell etwas passiert. Ich weiß, dass ich nur ein einfacher normaler Priester bin, der einen Bischof nicht zum Rücktritt zwingen kann. Also werde ich sagen, was ich bereits gesagt habe: "Ich bin von allem angewidert. Ich spüre, dass mein Herz für die Opfer schmerzt. Es tut mir leid. "
  13. Und jetzt werde ich von meiner Gemeinde aus arbeiten. Um besser zu sein. Um es besser zu machen. Eine kleine Aktion nach der anderen, und denen zuhören, die darüber reden müssen. Für diejenigen, die die Kirche brauchen, um auf sie zu hören.
  14. Ich liebe mein priesterliches Amt. Ich liebe meine Kirche. Ich liebe die Menschen und ich empfinde Schmerzen wegen dieser Brutalitäten und Verbrechen. Aus diesem Grund, weil ich Teil der Kirche bin, sage ich, dass mir dieser Verrat LEID TUT. Wir müssen uns deutlich bessern. Bitte: Keine Sympathien für mich, wirklich. Es geht nicht um mich, sondern um die Opfer.

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Veröffentlicht exklusiv für CNA in deutscher Sprache mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von www.ChurchPOP.com - Ersterscheinung 20.8.2018 - Wiederveröffentlichung oder andere Nutzung nur mit schriftlicher Genehmigung.