Die Wurzeln dieses Gebetes reichen zurück zu jenen jüdischen Gebräuchen, wie sie bereits vor der Zeit Jesu geübt wurden. Diese Form des Gebets praktizierten auch Jesus und seine Jünger. Als solche wurde diese Gebetsweise von der frühchristlichen Kirche übernommen und setzt sich in einer ungebrochenen Tradition bis in unsere Zeit fort. 

Mönche und Nonnen versammeln sich mehrmals am Tag in den Kapellen oder Kirchen ihrer Klöster um zu beten. Es ist das offizielle Gebet der römisch-katholischen Kirche und heißt „Opus Dei“ (Werk Gottes) oder auch „Stundengebet“. Diese Gebetszeiten werden auch von Priestern (Brevier) eingehalten. Traditionell bezeichnet man diese Tagzeiten als: Matutin (Vigilien), Prim, Laudes, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet. „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“, so sagt es der heilige Benedikt in seiner Mönchsregel (RB 43.3), denn das Gotteslob ist die erste und wichtigste Aufgabe im Mönchsleben. 

Die Stundenliturgie ist, so sieht es die gesamte monastische Tradition, eine Schule des ständigen Gebets und ein herausragender Bestandteil der klösterlichen Lebensweise. Die Beter bieten dabei Gott ein Opfer des Lobes an und treten ein für die Errettung der ganzen Welt. Das ist ihr Eifer für das Werk Gottes, dem sie sich ganz unterwerfen.

Die Psalmen tragen die geistliche Erfahrung von Jahrhunderten. Es ist insbesondere der „Psalter der Vulgata“, der im Abendland zu einem „großen Instrument des Betens“ geworden ist. So sieht es der Dominikaner Rodrigo H. Kahl, der als  Autor eines neuen Buches über „Die liturgischen Psalmen der lateinischen Kirche“ die lateinische und deutsche Übersetzung als zweisprachige Ausgabe vorstellt.

Unser Beten wird „in der großartigen Rhythmik des Gregorianischen Gesangs nach oben getragen“.

„Fremdartig und doch faszinierend sind die lateinischen Psalmen der Liturgie. Wie ein Rätsel erscheinen sie manchmal, ohne eindeutigen Sinn. Aber das ist es gerade, was ihre Größe ausmacht. Auch nach jahrelangem Beten und Betrachten steht man immer wieder voller Bewunderung vor neuen Perspektiven dieses Textes, den man in der Fachsprache das Psalterium Gallicanum nennt.

Das Psalterium sei ein „eminenter und unverzichtbarer Teil der lateinischen Bibel“ schreibt Kahl. Er erkannte in Jahrzehnten tagtäglichen Betens der Psalmen der „klassischen“ Vulgata, dass sie nicht nur „abertausende Spuren in der abendländischen Literatur“ hinterlassen hatte. Er stellt fest, dass dieses Psalterium die Spiritualität so tief geprägt hat, dass das Konzil von Trient im Jahr 1546 von dieser Vulgata-Ausgabe feststellen konnte, „daß niemand es wagen solle, sie zu verwerfen“.

Dem gelehrten Dominikanerpater geht es nicht darum, sich exegetisch mit den Vulgatapsalmen auseinander zu setzen. Vielmehr erkennt er, wie sie in der Römischen Liturgie und in den geistlichen Schriften vielen Jahrhunderte den Lesern und Betern begegneten, und einen Beitrag leistetet zu ihre Frömmigkeit, zu ihrem immer mehr Gott näher kommen, ja hin zur Heiligkeit. Für Kahl ist die entscheidende Frage:

„Wie ist die betende und geistliche Tradition so vieler Jahrhunderte mit den Vulgatapsalmen umgegangen? Wie hat sie diese lateinischen Psalmen erlebt? Welche Assoziationen wurden wach beim Erklingen der Psalmworte? Wie gelang mit diesen Worten Gottbegegnung?“

Jener lateinische Psalmentext, den Rodrigo H. Kahl in seinem Buch „Die liturgischen Psalmen der lateinischen Kirche“ ohne weiteres als jenen Text anerkennt, der seit Hieronymus in Liturgie und Theologie maßgebend ist, ist in genau dieser Form und Sprache in die heiligen Gesänge der Liturgie eingegangen. Damit ist er seit Jahrhunderten bis heute in der Liturgie und im geistlichen und theologischen Schrifttum wirk- und geschichtsmächtig.

„Das Interesse an den überlieferten lateinischen Psalmen ist vielfach vorhanden. Doch nicht wenige benötigen eine Hilfe, um den Zugang zu finden. So erstellte ich für angehende Theologen wie auch für andere Interessenten, die sich der lateinischen Sprache erst annähern oder sich mit dem besonderen Latein der Psalmen vertraut machen wollen, möglichst wörtliche Übertragungen einzelner Psalmen, aus denen dann die vorliegende Übersetzung entstand. Sie ist wörtlicher als jede der bisher erschienenen Übersetzungen der lateinischen Psalmen. Der Interessierte soll vom deutschen Wortlaut ausgehend zum Verständnis des lateinischen Textes gelangen, deshalb wird wörtlich wiedergegeben, was nicht sklavisch heißt. Die bisherigen Übersetzer der lateinischen Psalmen haben Großes geleistet und müssen in jedem Fall berücksichtigt werden. Wo ihre Schwerpunkte – und auch ihre Grenzen – liegen, wird deutlich, da jetzt die wichtigsten vorgestellt werden, die mitbestimmend waren bei der Erarbeitung der vorliegenden Übersetzung.“

Für das vorliegende Buch kann man sowohl dem Autor, als auch dem herausgebenden Verlag mit seinem mutigen Schritt, es zu verlegen, nur dankbar sein. Möge es mit Gottes Gnade durch die Hände und die Augen der Leser in ihre Herzen gelangen, damit sie dort das entzünden, was sie als bisher nur als Finsternis und Nacht ansehen, denn „die Nacht wird meine Leuchte sein in meinen Wonnen – et nox illuminátio mea in delíciis meis.“ (Ps 138, 11).

Rodrigo H. Kahl OP, "Die liturgischen Psalmen der lateinischen Kirche" als Textfassung der Vulgata – lateinisch-deutsch – in der wörtlichen Übersetzung und mit traditionellen geistliche Deutungen ist in der Verlagsbuchhandlung Sabat erschienen und hat 560 Seiten. 

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