Die Zahlen sind wieder draußen. Man ist schon gewöhnt an die erschreckende Differenz zwischen den Eintritten und den Austritten aus der katholischen Kirche. Dennoch ist es eigentlich eine andere Zahl, die sie Situation in der wir uns befinden, deutlich macht: nur 2,1 Millionen der insgesamt 23 Millionen Katholiken gehen durchschnittlich sonntags in den Gottesdienst. Alle statistischen Ungenauigkeiten beiseite – das sind nicht mal 10 Prozent! Nicht mal ein Zehntel der Katholiken sieht die sonntägliche Eucharistiefeier als das Herzstück ihres Glaubenslebens an.

Nochmal: Es geht hier nicht um die Anzahl von freiwilligen Gebetsverpflichtungen oder -gelübden, auch nicht um den werktäglichen Messbesuch – es geht um die Anzahl derer, die eines der Kerngebote des Christentums halten. Die Anzahl der Beichten wird gar nicht erfasst, wohl auch, weil sich dabei zeigen würde, dass schon das Beichtangebot in vielen Städten und Dörfern keine statistische Erhebung lohnen würde. 

Natürlich gibt es immer gute Gründe, warum es manchen Menschen nicht möglich ist, die Sonntagspflicht zu erfüllen – erfahrungsgemäß sind es aber gerade oft die Menschen, die gute Gründe hätten, die es dann trotzdem irgendwo in eine Messe schaffen.

Link-Tipp: Nachzulesen sind die Zahlen hier, besonders ab Seite 72: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/rlqvwxpi/DBK_5306.pdf 

Es ist im Grunde kein Drama, dass wieder 216.078 Menschen einen Kirchenaustrittszettel unterschrieben haben. Es ist ein Drama, dass fast 21 Millionen der Katholiken in Deutschland de facto aus der Kirche ausgetreten sind, nämlich aus der Communio fidelis, die allein geschaffen, gehalten und genährt wird durch die Eucharistie, wie Kardinal Rainer Maria Woelki es so wunderbar in seinem heurigen Fastenhirtenbrief erklärte (PDF).

Alles andere, alles was sich als "Kirche" bezeichnet, sich jedoch selbst freiwillig abschneidet von der Teilhabe am Leib Christi, ist schon längst ausgetreten. Nur zahlen sie eben noch.

Das ist keine tragische Sache, keine unvermeidliche Entwicklung es ist die Folge davon, dass Verantwortungen nicht erfüllt werden. Ja, es geht hier um Schuld. Die Schuld von Eltern, Lehrern, Katecheten, Priestern und Bischöfen. Es gibt die Verantwortung, Kindern und Gläubigen zu vermitteln, dass Christsein bedeutet, Teil des Leibes Christi zu sein. Dass es bedeutet auf die Liebe Gottes Antwort zu geben. Es gibt die Verantwortung zur Verkündung der unangenehmen Wahrheit, dass es Sünden gibt und der angenehmen Wahrheit, dass uns diese durch Christus vergeben werden.

Wir alle haben Verantwortung. Niemand kann sich, mit seinem eigenen Messbesuch zufrieden, selbst auf die Schulter klopfend zurücklehnen und über andere schimpfen. Natürlich verteilt sich die Verantwortung entlang der Hierarchie der Kirche. Aber auch wir gehören dazu. 

Ja, immer wenn jemand am Sonntag Gottes Einladung bewusst ablehnt, lässt er ihn am Kreuz im Stich, verschmäht er leichtfertig das Brot des Lebens und löst sich Stück für Stück von dem Weinstock, der uns leben lässt. Bis er vertrocknet.

"Auch wenn sich in 2018 die Zahl der Gottesdienstbesucher gegenüber 2017 verringert hat, setzt sich immer noch eine große Zahl von Menschen Sonntag für Sonntag in Bewegung; eine Zahl, die sich neben Teilnehmerzahlen sonstiger Veranstaltungen wie Sport oder Museumsbesuch sehen lassen kann", schreibt die Presseabteilung der Deutschen Bischofskonferenz.

Das offenbart eine erschreckende Zielsetzung: Die Zahlen müssen konkurrieren mit anderen weltlichen Beschäftigungen, der Gottesdienst ist eine Veranstaltung neben anderen Vergnügungsangeboten.

Eben dieses Bild führt nicht nur dazu, dass Gottesdienste genau diesen Anspruch haben, nämlich Vergnügungs- und Unterhaltungsangebot zu sein, anstatt eine Danksagung an Gott. Es führt vor allem dazu, dass der Blickwinkel sich immer mehr verschiebt. Der einzige Blickwinkel der zählt, ist der Blickwinkel Gottes. Und ist Gott zufrieden damit, dass 90 Prozent der Menschen, deren Erlösung er mit dem Blut seines Sohnes teuer erkauft hat, Sonntag um Sonntag Banalitäten dem Gedächtnis dieses Opfers vorziehen? Wird Gott am Ende zu uns, die wir Verantwortung haben, sagen, wir haben das schon ganz gut gemacht, immerhin ist es ja auch schwer gegen so ein gutes Konkurrenzangebot anzukommen?

Nein – wir werden nach seinem Maß gemessen. Nach dem Maß, dass Jesus uns klar und deutlich im Evangelium ankündigt. Schlicht und einfach daran, ob wir seine Gebote halten. 

Reinhild Rössler ist Sprecherin der Initiative Pontifex.

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