Am 30. Januar 1933, vor 90 Jahren also, ereignete sich die „Machtergreifung“ Adolf Hitlers, der zuerst Deutschland in den Abgrund und danach die ganze Welt in eine apokalyptische Katastrophe stürzte. – Am 31. Januar 2022 aber, vor nur einem Monat, starb endlich Benedikt XVI. nach langem Leiden, bei dessen Wahl es im April 2005 zunächst noch schien, als habe die Welt erstmals wieder ganz zum Frieden mit Deutschland gefunden, der sich selbst für seinen Tod „nicht auf ein Ende, sondern auf eine Begegnung“ vorbereiten wollte.

So hat nun auch die deutsche Kirche in ihrer großen Not seit einem Monat in Benedikt vor dem Antlitz Christi einen Fürsprecher im Himmel gefunden wie nie zuvor. Grund genug, an diesen Freudentag seiner Heimberufung heute noch einmal besonders zu erinnern. Dazu hat uns die Trappistin Blandina Paschalis Schlömer aus Manoppello in Auszügen die Predigt übersetzt, mit der Erzbischof Bruno Forte, der Metropolit der Diözese Chieto-Vasto, am Sonntag vor zwei Wochen in der Basilika des Heiligen Antlitzes an Papst Benedikt XVI. erinnerte, bevor er danach an diesem neuen Festtag den kleinen Ort und die ganze Welt mit dem menschlichen Antlitz Gottes segnete.

„Für das Wichtigste gibt es keine Beweise, nur Zeugnis,“ heißt es in einem der aphoristischen Sprengsätze des kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila (1913-1993). Der Wortlaut der folgenden Predigt ist ein solches Zeugnis:

Das heilige Antlitz, Licht, das die Welt erleuchtet

von Erzbischof Bruno Forte

Im Jahr 1208 hatte Papst Innozenz III. entschieden, das heilige Schweißtuch mit dem wahren Bild des Heiligen Angesichts in einer Prozession von der Basilika Sankt Peter zur nahe gelegenen Kirche Santo Spirito in Sassia zu tragen. Es war der zweite Sonntag nach Epiphanie, genannt „Omnis Terra“ nach den Psalmworten des Introitus „Omnis terra adoret te, Deus, et psallat tibi“ („Die ganze Erde bete Dich an, o Gott, und singe Dir Hymnen“). Am Ende dieser Prozession wollte der Bischof von Rom mit jener kostbaren Reliquie des heiligen Schweißtuchs die Kranken des ältesten päpstlichen Pilgerhospitals segnen, das er selbst gerade wieder instandgesetzt hatte. Mit dieser Geste wollte der Papst die Gnade der Heilung deutlich werden lassen, die vom Antlitz des Erlösers ausgeht, wenn es mit Glauben betrachtet wird, und die Fruchtbarkeit der Anbetung und der Fürbitte vor diesem Antlitz unterstreichen, das wir hier in Manoppello in dem hochverehrten Schleier aus Muschelseide betrachten.

Ein anderer Papst, Benedikt XVI., der am vergangenen 31. Dezember zum Herrn heimgegangen ist, besuchte diesen Ort am 1. September 2006, um vor dem Heiligen Angesicht sein Knie zu beugen, das ihn so tief beeindruckte, dass er danach jenes wunderschöne Gebet schrieb, das ich am Ende dieser Predigt noch einmal zitieren werde, und dass er fortan eine Reproduktion dieses geliebten Gesichtes dauerhaft bei sich haben wollte. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass der sterbende Papst seinen Blick bis zuletzt auf dieses Bild gerichtet hielt, bevor er seine letzten Worte sprach, die als wahre Synthese seines ganzen Lebens zu verstehen sind, das er Christus, der Kirche und der Welt geweiht hatte: „Herr, ich liebe Dich!“

Heute hilft uns das an diesem Sonntag verkündete Wort Gottes, die Liebe von Papst Benedikt zum Heiligen Antlitz zu verstehen und den Grund zu erkennen, die die Wallfahrt zu diesem Ort zu einer besonderen Quelle der Gnade und des Friedens werden lässt. Hier leuchtet uns das Antlitz des auferstandenen Jesus entgegen, vom Schmerz noch gezeichnet und dennoch schon strahlend vor Frieden. Es ist das Licht des Erlösers der Menschen. Hier kann jeder dieses Licht in seinem Herzen für sein eigenes Leben empfangen. Von hier brechen wir wieder auf mit dem intensiven Wunsch, das Licht dieses Angesichts zu bezeugen, um viele zu einer Begegnung mit dem Erlöser zu führen, der unser Leben tiefgreifend verändert und uns in Pilger der Sehnsucht zur himmlischen Heimat verwandelt, in die Papst Benedikt nun als Fürsprecher für uns eingetreten ist. (…) In einer Predigt vor jungen Menschen, die sich mit ihm in Freiburg im Breisgau zu einer Gebetswache versammelt hatten, sagte er am 24. September 2011: „Christus, der von sich sagt: ‚Ich bin das Licht der Welt‘ , bringt unser Leben zum Leuchten, damit wahr wird, was in seinem Evangelium gesagt ist: „Ihr seid das Licht der Welt“. Es sind nicht unsere menschlichen Bemühungen oder der technische Fortschritt unserer Zeit, die Licht in diese Welt bringen … Das Leiden der Unschuldigen und der Tod eines jeden Menschen stellen ein undurchdringliches Dunkel dar, das vielleicht durch neue Erfahrungen für einen Moment aufgehellt werden kann, wie durch einen Blitz in der Nacht. Am Ende bleibt dennoch quälende Dunkelheit. Und trotzdem sehen wir ein Licht: als kleine, winzige Flamme, die stärker ist als die scheinbar so mächtige und unüberwindliche Dunkelheit. Christus, der von den Toten auferstanden ist, leuchtet in dieser Welt, und zwar am deutlichsten gerade dort, wo nach menschlichem Ermessen alles düster und hoffnungslos erscheint. Er hat den Tod besiegt. Er lebt. Und der Glaube an Ihn durchdringt alles, was dunkel und bedrohlich ist. Wer an Jesus glaubt, sieht gewiss nicht immer nur die Sonne im Leben, aber es gibt immer ein klares Licht, das uns den Weg zeigt, der zum Leben in Fülle führt. Die Augen derer, die an Christus glauben, sehen auch in der dunkelsten Nacht ein Licht und schauen bereits die Morgendämmerung eines neuen Tages“. (…) In derselben Predigt erinnerte Benedikt auch an dies: „Wenn wir glauben, dass er der Sohn Gottes ist, der Kranke geheilt und Tote auferweckt hat, und ja, dass Er selbst aus dem Grab auferstanden ist und wirklich lebt, dann verstehen wir, dass Er das Licht, die Quelle aller Lichter dieser Welt, ist. Wir erleben immer wieder das Scheitern unserer Bemühungen und persönliche Fehler trotz guter Absichten. – Es gibt immer noch Kriege, Terror, Hunger und Krankheiten, extreme Armut und gnadenlose Unterdrückung. Diejenigen aber, die in der Geschichte selbst als „Lichtträger“ betrachtet werden wollten, ohne von Christus, dem einzig wahren Licht, erleuchtet worden zu sein, haben keine irdischen Paradiese geschaffen, sondern im Gegenteil Diktaturen und totalitäre Systeme, in denen alle Menschlichkeit furchtbar erstickt wurde. Nur Christus kann sagen „Ich bin das Licht der Welt.“ Und nur ausgehend von Ihm können wir immer wieder Licht werden. (…)

Bitten wir also den Herrn, der uns hier mit Seinem heiligen Antlitz anschaut, uns hier auch mit Seinem Licht zu erfüllen, um uns in jeder Situation unseres Lebens in Zeugen dieses Lichtes zu verwandeln, für jedes Geschöpf, das er uns begegnen lässt, in den Worten jenes Gebets, das Papst Benedikt uns zum ersten Jahrestag seiner Begegnung mit dem heiligen Antlitz in Manoppello gesandt hat: „Herr Jesus, wie schon die ersten Apostel, wollen auch wir, deine Jünger in dieser schweren Zeit, Dir folgen und Deine Freunde sein, angezogen vom Glanz Deines ersehnten und verborgenen Angesichts. Zeige uns bitte Dein immer neues Gesicht, geheimnisvoller Spiegel der unendlichen Barmherzigkeit Gottes, betrachten wir es mit den Augen des Verstandes und des Herzens: Das Angesicht des Sohnes, ein Aufstrahlen der Herrlichkeit des Vaters und Widerschein Seines Wesens, das menschliche Antlitz Gottes, das in die Geschichte eingetreten ist, um Horizonte der Ewigkeit sichtbar werden zu lassen. Licht, das die Dunkelheit des Zweifels und der Traurigkeit erhellt, Leben, das die Macht des Bösen und des Todes für immer besiegt hat. Mach uns zu Pilgern Gottes in dieser Welt, dürstend nach dem Unendlichen und bereit für die letzte Begegnung. Maria, Mutter des Heiligen Antlitzes, hilf uns, ‚unschuldige Hände und ein reines Herz‘ zu haben, Hände, die von der Wahrheit der Liebe leuchten, und Herzen, die von der Göttlichen Schönheit entzückt sind, damit wir uns, verwandelt durch die Begegnung mit Christus, dem Dienst der Armen und Leidenden hingeben, in deren Angesicht die geheimnisvolle Gegenwart deines Sohnes Jesus leuchtet, der lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!“

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