Der Fall des Jesuitenpaters Marko Rupnik: Eine Zeitleiste

Pater Marko Ivan Rupnik SJ mit dem offiziellen Gemälde zum 10. Weltfamilientreffen in Rom.
YouTube / Screenshot

Anfang Dezember veröffentlichten italienische Websites Informationen über schwere, wiederholte Vorwürfe psychischen und sexuellen Missbrauchs, der in den 1990er Jahren von dem slowenischen Jesuitenpater Marko Ivan Rupnik begangen worden sein soll.

Rupnik ist innerkirchlich für seine Mosaike und andere Kunstarbeiten bekannt geworden.

Die Gesellschaft Jesu bestätigte daraufhin, dass im vergangenen Jahr eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet wurde, Pater Rupnik habe mehrere Frauen missbraucht, die Mitglieder einer slowenischen Ordensgemeinschaft waren, die er in den 1980er Jahren mitbegründet hatte. Nach Angaben des Jesuitenordens entschied das Dikasterium für die Glaubenslehre (ehemals Kongregation für die Glaubenslehre) jedoch später, dass der Fall eingestellt werde, weil die Anschuldigungen verjährt seien.

Diese Antwort der Jesuitenführung schien viele Fragen unbeantwortet zu lassen und gab Anlass zu der Sorge, dass sowohl die Gesellschaft Jesu als auch der Vatikan nicht vollständig transparent darüber waren, was über Pater Rupniks Handlungen bekannt war, über die Beschränkungen, die seiner Tätigkeit infolgedessen auferlegt wurden, und darüber, ob Papst Franziskus persönlich in den Umgang mit der Angelegenheit verwickelt war.

Dies Lage verschärfte sich am 14. Dezember, als Jesuitenpater Arturo Sosa, der Generalobere der Gesellschaft Jesu, zu Protokoll gab, dass Pater Rupnik 2019 automatisch exkommuniziert worden sei, weil er einer Frau, mit der er gegen das sechste Gebot gesündigt habe, die sakramentale Absolution erteilt hatte.

Der Orden hatte diese Informationen in den früheren öffentlichen Statements zum Fall Rupnik nicht erwähnt.

Nachfolgend eine Zeitleiste der aktuellen Vorgänge und Entwicklungen:

Anfang der 1980er Jahre: Die Loyola-Gemeinschaft wird von Jesuitenpater Marko Ivan Rupnik und Schwester Ivanka Hosta in Slowenien gegründet.

1992-1995: In einem Blog auf der italienischen Website Left.it vom 1. Dezember 2022 wird behauptet, dass es zu psychologischem, spirituellem und sexuellem Missbrauch an Frauen gekommen ist, die Mitglieder der Loyola-Gemeinschaft waren. Pater Rupnik ist damals als Kaplan des Ordens tätig.  Die italienische Tageszeitung Il Messaggero berichtete am 5. Dezember 2022 über ähnliche Berichte von zwei ungenannten Frauen, von denen eine behauptet, in den 1990er Jahren von Pater Rupnik missbraucht worden zu sein, und eine andere sagte, sie sei Zeugin zahlreicher Beschwerden von Mitgliedern der Gemeinschaft geworden, die über den Machtmissbrauch des Priesters berichteten, der psychologische Manipulation und intime Beziehungen sexueller Natur beinhaltete. Die zweite Frau berichtet, dass diese Anschuldigungen in den 1990er Jahren an Pater Francisco J. Egaña, den damaligen Delegierten für die internationalen Häuser der Gesellschaft Jesu in Rom, herangetragen wurden.  

1993: Nach Meinungsverschiedenheiten mit Schwester Hosta zieht Pater Rupnik laut Left.it zusammen mit mehreren Schwestern nach Rom und gründet das Aletti-Zentrum, das sich der Förderung religiöser Kunst und ihrer Verbindung mit der ignatianischen Spiritualität widmet.

1996-1999: Pater Rupnik leitet die Renovierung der Kapelle Redemptoris Mater im Apostolischen Palast.

Erste Untersuchung (Absolution eines Mitwissers)

2015: Pater Rupnik erteilt einer Person, mit der er gegen das sechste Gebot gesündigt hat, die Absolution im Beichtstuhl.

Oktober 2018: Bei einem Ordensdelegierten der Jesuiten in Rom gehen Vorwürfe ein, dass Pater Rupnik im Fall eines Verstoßes gegen das Sechste Gebot die Absolution erteilt hat. Die Gesellschaft leitet eine Voruntersuchung ein. Die Tat soll im Beichtstuhl begangen worden sein — ein schweres Vergehen, das die (automatische) Exkommunikation zur Folge hat —, wie die italienische Website Messa in Latino im Dezember 2022 berichtet und Associated Press bestätigt.

Mai 2019: Die Untersuchung hält die Vorwürfe für glaubwürdig. Eine Akte wird an die Glaubenskongregation geschickt.

2019-2020: Es wird ein kanonischer Prozess zu den Vorwürfen durchgeführt, der von dem Marianistenpater Francisco Javier Canseco und zwei weiteren nicht-jesuitischen Ermittlern geleitet wird, so "hochrangige" Quellen im Vatikan gegenüber Messa in Latino. Dies wird von den Jesuiten am 18. Dezember 2022 bestätigt.

Januar 2020: Das Ergebnis des Prozesses führt zu einer einstimmigen Verurteilung und besagt, dass es tatsächlich eine Absolution gab.

Mai 2020: Pater Rupnik wird offiziell exkommuniziert, und die Jesuiten sagen, dass das Dekret noch im selben Monat aufgehoben wurde.

Zum Zeitpunkt der Verurteilung, sagte der Generalobere der Jesuiten, Pater Arturo Sosa, werden dem slowenischen Priester "vorsorgliche Beschränkungen" auferlegt, die es ihm verbieten, sich ohne die Erlaubnis seines örtlichen Oberen an öffentlichen Aktivitäten zu beteiligen. Die Gesellschaft Jesu sagt, dass "vorläufige" restriktive Maßnahmen im Juni 2019 von Pater Johan Verschueren, dem Delegierten des Generaloberen der Jesuiten und Höheren Oberen für die Internationalen Häuser, in Kraft gesetzt wurden. (Pater Verschueren teilte dem Register am 17. Dezember 2022 mit, dass Pater Rupnik "private, eingehende geistliche Kontakte mit Personen vermeiden, Frauen die Beichte verbieten und Frauen speziell im Zusammenhang mit dem Centro Aletti geistlich anleiten" solle. Im Jahr 2020 wurden diese Beschränkungen geographisch auf alle Orte ausgeweitet.")

6. März 2020: Papst Franziskus bittet oder genehmigt, dass Pater Rupnik vorübergehend für Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa, den Prediger des päpstlichen Haushalts, einspringt, um die diesjährigen Fastenpredigten im Vatikan zu halten.


Zweite Untersuchung (Serienmissbrauch)

2021: Der Jesuitenbischof Daniele Libanori, ein Weihbischof von Rom, wird mit einer separaten Untersuchung der Loyola-Gemeinschaft beauftragt, die sich auf Beschwerden über Machtmissbrauch innerhalb der Gemeinschaft bezieht. Die Untersuchung bringt später Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit Pater Rupnik ans Licht. Die Untersuchung von Bischof Libanori dauert noch an.

2021: Während der Ermittlungen von Bischof Libanori melden Mitglieder der Loyola-Gemeinschaft Missbrauchsvorwürfe, die an die damalige Kongregation für die Glaubenslehre weitergeleitet werden. Bei dem Missbrauch soll es sich um Nötigung und Kontrolle handeln, die angeblich von Pater Rupnik als Kaplan ausgeübt wurden.

Juli 2021: Die Glaubenskongregation bittet die Gesellschaft Jesu, eine vorläufige Untersuchung des Falles durchzuführen, wie aus einer Erklärung der Gesellschaft Jesu vom 2. Dezember 2022 hervorgeht. Die Jesuiten taten dies, indem sie einen nicht-jesuitischen Ermittler ernannten, und die Ergebnisse wurden später der CDF vorgelegt.  Bischof Libanori legt der Glaubenskongregation seinen eigenen Bericht vor, der angeblich zu dem Schluss kommt, dass die Aussagen der Opfer "glaubwürdig und ihre Geschichte solide ist".  Eine Quelle in der Diözese Rom sagte ACI Prensa, dass mindestens neun Frauen während dieser Untersuchung Missbrauchsvorwürfe gegen den Jesuiten erhoben haben.

Juli 2021: Die restriktiven Maßnahmen werden auf Männer ausgeweitet (obwohl die Jesuiten sagen, dass bisher keine Beschwerden von Männern eingegangen sind) sowie "Einschränkungen im Bereich der öffentlichen Tätigkeit, um ein Skandalisieren der Opfer zu vermeiden." Die Ausübung der Kunst bleibt jedoch bis jetzt erlaubt, und er kann "in seinem gemeinschaftlichen Kontext (einer privaten Umgebung) die Messe feiern und Predigten halten." (Pater Verschueren gegenüber dem National Catholic Register am 17. Dezember 2022).

Januar 2022: Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass es einen Fall zu klären gab. Die Ergebnisse werden der Glaubenskongregation mit einer Empfehlung für ein Strafverfahren übermittelt.

Oktober 2022: Der Vatikan lehnt die Durchführung eines kanonischen Prozesses im Zusammenhang mit den Anschuldigungen von 2021 aufgrund der Verjährungsfrist ab.

Oktober 2022: Der Generalprokurator der Jesuiten, ein kirchenrechtlicher Berater des Generaloberen, bittet darum, Pater Rupnik erneut vor Gericht zu stellen, da der Missbrauch "grausam" gewesen sei, aber laut einem Bericht von Messa in Latino wird erneut die Verjährung angeführt.

 
Pater Rupniks Aktivitäten nach den Ermittlungen

3. Januar 2022: Papst Franziskus empfängt Pater Rupnik zu einer Privataudienz.  

22. Februar 2022: Ein Vortrag von Pater Rupnik über eucharistische Anbetung wird von der Diözese Rom auf YouTube veröffentlicht. Pater Rupnik zeichnet auch weiterhin seine Predigten und Vorträge auf und veröffentlicht sie auf der Website des Aletti-Zentrums. Die letzte Aufnahme wurde am 10. Dezember auf YouTube publiziert.

19. Mai 2022: Pater Rupnik hält Videoexerzitien ab.

August 2022: Bischof Maksimilijan Matjaž von Celje, Slowenien, lädt seine Priester zu Exerzitien mit Pater Rupnik in Santa Severa, nördlich von Rom, ein, wie Quellen in Slowenien dem National Catholic Register mitgeteilt haben.

9. bis 13. August 2022: Pater Rupnik gibt einen Exerzitienkurs in Castel d'Ario bei Verona, Italien.

30. November 2022: Pater Rupnik erhält die Ehrendoktorwürde der Päpstlichen Katholischen Universität von Paraná in Brasilien.


Medienberichterstattung

1. bis 4. Dezember 2022: Die italienischen Websites LeftSilere non Possum und Messa in Latino bringen das Verhalten von Pater Rupnik zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und berichten über die Ermittlungen und deren Ergebnisse sowie über die Tatsache, dass Pater Rupnik trotz der ihm 2019 auferlegten Einschränkungen weiterhin predigen, reisen und Auszeichnungen wie die Ehrendoktorwürde entgegennehmen konnte.

2. Dezember 2022: Als Reaktion auf diese Presseartikel gibt die Gesellschaft Jesu eine Erklärung heraus, in der sie bestätigt, dass sie 2021 eine Beschwerde über die "Art und Weise des Dienstes" von Pater Rupnik erhalten hat und feststellt, dass "keine Minderjährigen involviert waren", aber dass Untersuchungen stattgefunden haben. Weiter heißt es, dass Pater Rupnik im Jahr 2021 "verboten wurde, sich ohne die Erlaubnis seines Ortsoberen an öffentlichen Aktivitäten zu beteiligen", einschließlich des Verbots, "das Sakrament der Beichte zu spenden, die geistliche Leitung zu übernehmen und die Exerzitien zu geben", und dass "diese Maßnahmen auch nach der Antwort des Glaubenskongregationsamtes noch heute als Verwaltungsmaßnahmen in Kraft sind".

7. Dezember 2022: Pater Sosa gibt ein portugiesisches Interview, in dem er vieles aus der Erklärung der Gesellschaft Jesu vom 2. Dezember wiederholt. Der Jesuitenobere behauptet, dass Pater Rupnik von dem Moment an, als die Voruntersuchung eingeleitet wurde, "sofort" verboten wurde, "Beichten zu hören, Exerzitien zu halten, geistliche Anleitung zu geben und öffentliche Erklärungen abzugeben, zu lehren und jede andere derartige Tätigkeit, die von seinem örtlichen Vorgesetzten genehmigt werden musste." Später fügt er hinzu, dass die restriktiven Maßnahmen "beibehalten" und "respektiert" worden seien. Sosa sagt weiter, dass Pater Rupnik "nicht im Gefängnis ist", "sehr wichtige künstlerische Verpflichtungen" habe und dass die Maßnahmen "in einem angemessenen Verhältnis zu den Tatsachen stehen müssen." Pater Sosa erwähnt die Exkommunikation mit keinem Wort.

8. Dezember 2022: Pauline Books and Media gibt bekannt, dass sie die englischen Ausgaben von drei Büchern von Pater Rupnik zurückzieht.

9. Dezember 2022: Messa in Latino wirft die Frage nach der früheren Exkommunikation auf und fragt: "Was ist mit der Exkommunikation geschehen und warum wurde sie blockiert"? Die Gesellschaft Jesu, der Vatikan und Pater Canseco antworten in der Folge nicht auf wiederholte Presseanfragen, auch nicht vom Register, ob Pater Rupnik exkommuniziert wurde und die Exkommunikation dann aufgehoben wurde, und warum die Verjährungsfrist für die anderen Missbrauchsvorwürfe nicht aufgehoben wurde, da sie laut dem Vademecum des Jahres 2020 des Glaubensdikasteriums bei Fällen sexuellen Missbrauch nicht angewandt werden musste.

14. Dezember 2022: In Aussagen gegenüber Reportern in Rom gibt Pater Sosa zu, dass Pater Rupnik verurteilt worden war, weil er versucht hatte, einer Frau, mit der er sexuelle Handlungen vorgenommen hatte, die sakramentale Absolution zu erteilen — und Rupnik exkommuniziert wurde.

Das Dikasterium "sagte, es sei passiert; es gab eine Absolution", sagte Pater Sosa laut Associated Press. "Also wurde er exkommuniziert. Wie hebt man eine Exkommunizierung auf? Die Person muss es anerkennen und Buße tun, was er getan hat."

Auf die Frage, warum die Jesuiten die Verurteilung im Zusammenhang mit der Beichte nicht früher bekannt gegeben haben, sagte Pater Sosa wörtlich, dass "es sich um zwei verschiedene Momente mit zwei verschiedenen Fällen handelte."

Pater Sosa widerspricht zudem der früheren Erklärung der Jesuiten, indem er sagt, dass die Einschränkungen für Pater Rupniks Dienst tatsächlich auf die Verurteilung im Jahr 2020 wegen der Verletzung des Beichtsakramentes zurückgehen und nicht auf die Voruntersuchung im Jahr 2021 wegen des seriellen Missbrauchs. Die Jesuiten enthüllen am 18. Dezember, dass die vorläufigen Einschränkungen erst im Juni 2019 in Kraft gesetzt wurden.

Auf die Frage, was, wenn überhaupt, Franziskus über den Fall von Pater Rupnik im Allgemeinen wusste oder ob er interveniert hat, sagt Pater Sosa, dass er sich "vorstellen könnte", dass Papst Franziskus vo, Präfekten des Glaubensdikasteriums, Kardinal Luis Ladaria SJ, über eine solche Entscheidung informiert worden wäre. Die Gesellschaft Jesu teilte dem National Catholic Register dagegen am 17. Dezember mit, dass sie den Papst  nicht über die Ermittlungen gegen Pater Rupnik informiert habe.

18. Dezember 2022: Pater Verschueren gibt eine Erklärung ab, in der er alle, die von Pater Rupnik missbraucht wurden und "eine neue Beschwerde einreichen oder bereits eingereichte Beschwerden besprechen möchten", auffordert, sich an ihn zu wenden.

Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original — zuerst veröffentlicht beim National Catholic Register, einer Schwesterpublikation von EWTN News.

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