Einen interreligiösen Gottesdienst hat die Botschaft des Heiligen Stuhls in Genf als Teil der Feierlichkeiten zum Welttag des Friedens organisiert. Als Gebetstreffen war er Sammelpunkt für Frauen und Männer verschiedener Religionen und Kulturen.

Erzbischof Ivan Jurkovič, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UN, betonte: "Das Gebetstreffen, oder nennen wir es 'interreligiöser Gottesdienst', hier in Genf ist aus vielen Gründen sehr wichtig. Erstens ist Genf eine Stadt des Dialogs, obwohl wir gesellschaftlich - sagen wir - nicht allzu unterschiedlich sind…aber diese Stadt ist von unglaublicher Bedeutung und außerordentlich wichtig. Und so repräsentieren wir fast schon institutionsmäßig die Bereitschaft und den Willen vieler, zusammenzuarbeiten und unsere Ideen und Visionen für die Zukunft zu teilen. Vor allem unsere Überzeugung, wie wichtig es ist, den Frieden zu bewahren".

Christian Peschken: "Eure Exzellenz, Papst Franziskus nannte das 'die Fülle unserer Verschiedenheiten' - und dass sie in religiösen und ethischen Fragen anerkannt werden solle. Bedeutet das, wir sollten unsere theologischen und sonstigen Unterschiede als Teil des interreligiösen Dialogs präsentieren?"

Erzbischof Ivan Jurkovič: "Ich denke, das Wort "Dialog" wird oft kritisiert, weil es in manchen Fällen bedeutet, dass wir uns irgendwie einig sind was der andere meint, und dann erkennen: okay, eigentlich liegen wir gar nicht so weit auseinander. Andererseits kann 'Dialog' aber auch heißen, dass wir zusammenkommen und sprechen, Kontakte knüpfen, uns mit den anderen zusammensetzen, die Eigenschaften des anderen entdecken. Menschen kennenzulernen ist eine entscheidende Notwendigkeit unserer Daseins. Heute erleben wir, dass es eine große Vielfalt gibt. Ob diese Vielfalt immer positiv ist , ist eine andere Sache. Aber die grundsätzliche Herangehensweise ist hier der Dialog. Zwischen Religionen, wenn sie aufeinandertreffen ist es wichtig, die Fülle und den Reichtum des anderen kennenzulernen."

Papst Franziskus hatte seine diesjährige Botschaft den "Migranten und Flüchtlingen" gewidmet. Der Großrabbiner der Israelischen Gemeinde in Genf erinnerte daran, dass es kein Blut gebe, das roter sei, als das unserer Mitmenschen.

"Ist es denn dann letzten Endes überhaupt von Bedeutung, welcher Religion wir angehören?"

ErzbischofJurkovič: Hier geht es weniger um eine "technische" Frage – also nicht: das ist gut für mich, es ist gut für dich, es ist für alle gut. Nein, es ist eine Berufung, ein vielschichtiges und höchst strukturiertes Phänomen des menschlichen Lebens. Wissen Sie, aus diesem Grund sagt die Katholische Kirche, dass selbst der Glaube ein Geschenk Gottes ist. Man kann ihn nicht auf Befehl erhalten, man muss ihn als Geschenk annehmen."

Kritiker behaupten, es sei unklug und letztendlich selbstzerstörerisch, in den Dialog über den Glauben einzutreten, ohne fundiertes Wissen über die andere Religion zu haben. Ist es nicht wichtig, zunächst etwas über die andere Religion zu lernen, bevor man sich auf einen solchen Dialog einlässt?"

Erzbischof Jurkovič: "Es ist natürlich eine Herausforderung, das muss uns klar sein. Auf jeden Fall aber ist auf dieser Ebene nicht die Rede davon, die anderen zu überreden oder zu überzeugen. Das ist etwas völlig anderes, bewegt sich auf der Ebene des persönlichen Gewissens. Wir sprechen hier aber über die Funktion und die Konsequenzen, die der religiöse Dialog für die Gesellschaft hat und vor allem für den Frieden. Denn das größte Problem ist heute der Frieden. Auch manches andere, aber der Frieden ist sicherlich von zentraler Bedeutung."

Der Vorsitzende des Buddhistischen Zentrums in Genf verwies auf Buddha, der lehrte, dass ein Mensch nicht aufgrund seiner körperlichen Erscheinung erkannt werden könne, und dass jeder eine faire Chance erhalten müsse, sich im Dialog mit dem anderen vorzustellen.

Erzbischof Jurkovič: "Die Katholische Kirche, besonders der Papst, ist überzeugt – und ich denke, diese Überzeugung erwächst aus der Verantwortung für die Welt -, dass der Dialog zwischen Religionsführern, zwischen Religionen, eine Notwendigkeit ist, zwingend erforderlich und unverzichtbar. Es gibt keine Möglichkeit, sich dem modernen Leben zu stellen und in der modernen Gesellschaft aktiv zu sein, ohne den Dialog zwischen den Religionen und Religionsführern zu fördern. Dialog bedeutet genau das, was es eben bedeutet, wenn Papst Franziskus so darauf besteht, religiöse Führungspersönlichkeiten zu treffen. Wir müssen Zeugnis geben und zeigen, dass das, was wir tun, ein Symbol ist, ein Beispiel für jeden. Es ist eine enorme Hilfe, denn es lehrt die Menschen nicht nur und baut sie auf, sondern tröstet sie auch. Wissen Sie, sie erkennen plötzlich: wie es uns geht, unser Leid, unser persönliches Leid ist zwar unsere persönliche Angelegenheit, aber wir müssen uns bemühen, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten."

An diesem Abend betete man in Übereinstimmung für Flüchtlinge, für Frauen und Männer, auf der Suche nach Frieden, nach Frieden in der Welt und für weltweite Brüderlichkeit sind.

Erzbischof Jurkovič: "Wenn vom interreligiösen Dialog die Rede ist, bedeutet das zwar auch, dass wir mit Menschen zusammenkommen - die Absicht dieses Dialogs allerdings ist eine völlig andere. Es ist schwierig, das zu definieren. Was es ganz gut trifft, ist, dass es ein "Voranbringen einer weltweiten Brüderlichkeit" sein sollte und sein kann. Weltweite Brüderlichkeit ist etwas, das auf Religionen zutrifft , aber auch auf die Beziehung zwischen Kulturen. Und es ist auch irgendwie, sagen wir mal, die Quelle der Inspiration der Moderne, angefangen bei der französischen Revolution und auch danach. Ich würde sagen, diese weltweite Brüderlichkeit ist ein extrem tiefgreifendes und wichtiges Konzept des Zusammenlebens und muss, denke ich, besonders im Zusammenhang des interreligiösen Dialogs zum Tragen kommen."

"Wie Sie wissen, am Ende der Messe sagt der Priester "Gehet hin und verkündet die Frohe Botschaft, das Evangelium" Genau das ist es wohl im Grunde: seinen Glauben mit anderen zu teilen?"

Erzbischof Ivan Jurkovič: "Seinen Glauben mit anderen zu teilen und vielleicht in der Lage zu sein mit der Vielfalt umzugehen, die einen erwartet, wenn man sich in der Gesellschaft bewegt."
Der interreligiöse Dialog wurde von Nostra Aetate angeregt, die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Verhältnis zu den Nichtchristen. Die katholische Kirche lehnt nichts von all dem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren.

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Dieser Beitrag wurde von U.N.-Korrespondent Christian Peschken in Genf verfasst. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media 

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