Es gibt eine merkwürdige Begebenheit, die nur im Lukasevangelium erzählt wird und in der Jesus von Pontius Pilatus vor Herodes gestellt wird. Herodes Antipas war derselbe Mann, der Johannes den Täufer verhaften und enthaupten ließ. Er war auch der Sohn von Herodes dem Großen, der das Abschlachten von Unschuldigen angeordnet hatte und vor dem die Heilige Familie nach Ägypten floh.

"Herodes freute sich sehr, als er Jesus sah; schon lange hatte er sich gewünscht, ihn zu sehen, denn er hatte von ihm gehört. Nun hoffte er, ein von ihm gewirktes Zeichen zu sehen. Er stellte ihm viele Fragen, doch Jesus gab ihm keine Antwort."

Herodes ist froh, Jesus zu sehen. Er fühlt sich von diesem "Propheten" angezogen und hofft, mehr über ihn zu erfahren. Obwohl Herodes ein Mann war, welcher der römischen Macht verpflichtet war, so war er nicht immun gegen die Neugierde auf diese religiöse Figur. Es ist vielleicht ein oberflächliches Interesse – er hofft, dass Jesus ein Zeichen oder ein Wunder vollbringt –, aber es ist eine seit langem bestehende Faszination für etwas, das er nicht versteht und über das er mehr zu erfahren hofft.

Aber Herodes' Fragen erhalten nicht die Antworten, die er sich erhofft hat. Und so schlägt die Freude des Herodes schließlich in Verachtung um: "Herodes und seine Soldaten zeigten ihm offen ihre Verachtung. Er trieb seinen Spott mit Jesus, ließ ihm ein Prunkgewand umhängen und schickte ihn so zu Pilatus zurück."

Diese Begebenheit erscheint im Zusammenhang mit einem früheren Abschnitt, der die Begegnung zwischen Herodes und Jesus vorwegnimmt, in einem neuen Licht. Unmittelbar nachdem Jesus die Zwölf ausgesandt hat, das Kommen des Reiches Gottes zu verkünden, und kurz bevor er die 5.000 speist, berichtet Lukas, dass Herodes von den Geschichten, die er über Jesus gehört hatte, verwirrt war:

Der Tetrarch Herodes hörte von allem, was geschah, und wusste nicht, was er davon halten sollte. Denn manche sagten: Johannes ist von den Toten auferstanden. Andere meinten: Elija ist erschienen. Wieder andere: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Herodes aber sagte: Johannes habe ich enthaupten lassen. Wer aber ist dieser, von dem man mir solche Dinge erzählt? Und er hatte den Wunsch, ihn zu sehen.

Interessanterweise wird Herodes' Neugierde auf Jesus durch dieselben Gerüchte geweckt, zu denen Jesus seine Jünger nur wenige Zeilen später befragt: "Für wen halten mich die Leute?" Die Antwort der Jünger ist dieselbe wie die von Herodes: "Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden." Darauf folgt natürlich die direkte Frage Jesu: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?", worauf Petrus antwortet: "Für den Christus Gottes."

Auf all dies folgt unmittelbar die erste Vorhersage Jesu über seine Passion und eine Warnung an die Jünger über die Kosten und Bedingungen ihrer Nachfolge:

Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt? Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt und in der des Vaters und der heiligen Engel.

In diesem Zusammenhang können wir Herodes als eine Art Anti-Jünger sehen: jemand, der von Jesus fasziniert ist und sich zu ihm hingezogen fühlt, aber nicht willens oder in der Lage ist, zu begreifen, wer Jesus ist, selbst als der Herr schweigend vor ihm steht. Herodes ist nicht gerade die weltliche Macht, sondern eine halbreligiöse Macht, die der weltlichen Macht verpflichtet ist. Am Ende schickt Herodes Jesus zurück zu Pilatus, das heißt, er übergibt ihn wieder der weltlichen Macht zum Gericht.

Wie oft sehen wir, dass Christen Herodes nachahmen? Wie oft endet eine anfängliche Anziehung zu Jesus, eine Begegnung mit Jesus in seiner Kirche, mit dem Versuch, ihn für die Welt salonfähig zu machen? Wie oft wird unser Herr untersucht, auf Antworten gedrängt und schließlich mit Verachtung und Spott behandelt? Wie oft schämen wir Katholiken uns seiner und seiner Worte, um nicht vor den weltlichen Mächten an Ansehen zu verlieren?

Das Problem der Welt ist nicht das Evangelium Jesu Christi. Das größte Hindernis für das Reich Gottes ist nicht die Kirche oder ihre Lehren. Es ist die Sünde: die Sünden der Christen – deine und meine –, welche die Frohe Botschaft und die Sünden der Welt behindern und viele dazu bringen, das Evangelium zu verwerfen.

Selbstüberschätzung, Hybris und alle Arten von Triumphalismus sind Fallstricke für Christen, vor denen sie sich hüten müssen. Das Gleiche gilt für eine defensive Haltung, die auf einen Mangel hinweist: Angst, Unsicherheit, Ungeduld oder sogar einen Mangel an Glauben. Die Abwehrhaltung entspringt in der Regel dem Zweifel und der Angst, eine Tatsache, die wir leicht an der Abwehrhaltung anderer erkennen, aber weniger leicht an uns selbst. Zwischen dem Übermaß an Triumphalismus und dem Mangel an Abwehrhaltung liegt das tugendhafte Mittel des Vertrauens auf den gekreuzigten Christus.

Die Aufgabe aller Christen besteht darin, sich durch die Begegnung mit Christus verwandeln zu lassen. Wir wissen, was diese Verwandlung mit sich bringt, denn er hat uns gesagt: "Wer mir nachfolgen will, muss sich selbst verleugnen und täglich sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen." Das ist das Gegenteil von Herodes, der von Christus verlangte, dass er sich seinen Erwartungen und Hoffnungen anpasst, dass er so handelt oder lehrt, wie Herodes es von ihm verlangt.

Die Kirche kann die Frohe Botschaft nicht verkünden, wenn unsere Bemühungen darum von einer Verlegenheit über die vermeintliche Rückständigkeit des katholischen Glaubens getragen sind. Wir können keine Jünger sein, wenn wir uns für die Wahrheiten schämen, die die Kirche verkündet. Das ständige Bemühen, die Kirche in ein Gewand zu kleiden, das für den weltlichen Geschmack annehmbarer ist, dient weder Christus noch seinem Reich. Wenn wir das tun, sind wir wie Herodes, der Jesus in Verachtung wegschickt – und ihn zurück in die Verurteilung durch die Welt schickt.

Der Autor, Stephen P. White, arbeitet für das Ethics and Public Policy Center in Washington, D.C.

Übersetzung des englischen Originals mit freundlicher Genehmigung von "The Catholic Thing".

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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