Den Christen war es bis heute eigen, sich den Kranken, Schwachen und Behinderten zuzuneigen. Dazu gibt es im Verlauf der Geschichte der Kirche unzählige Beispiele. Sicherlich gehört ein Priester, der in diesen Zeiten der Coronavirus-Krise einen sicheren Beatmungsplatz zugunsten eines anderen Menschen zur Verfügung stellte und darum dem sicheren Tod geweiht war, dazu. Die heilige Elisabeth von Thüringen ist ein leuchtendes Beispiel für die Länder deutscher Zunge, dass nicht die Abwendung von den Menschen zum Heil führt, sondern die Hinwendung zu ihnen.

In dem sehr schönen Buch "Elisabeth von Thüringen: Spiritualität – Geschichte – Wirkung" zeigt Dr. Barbara Stühlmeyer das scheinbar so misslungene Leben einer weltlichen Fürstin. Deren glanzvolles, in Prunk, Schönheit und Reichtum existierendes Dasein gab sie auf, um den Worten Jesu und dem Beispiel des heiligen Franziskus zu folgen. Elisabeth hat nicht nur Besitzstände umverteilt, wodurch sie den Argwohn der Reichen auf sich zog; sie hat sich auch selbst den Geringsten als Dienerin angeboten und mit eigenen Händen alles gegeben. Dadurch eckte sie an, "wurde bekämpft, verehrt, verachtet und geliebt". Elisabeth von Thüringen ist eine Frau, so zeigt Barbara Stühlmeyer, "deren Vorbild nachzueifern sich auch heute lohnt". Gerade in diesen Zeiten.

In dem Kapitel "Der schwierige Weg in die Freiheit" ist zu lesen:

"Diese Schilderung klingt erschreckend, und wir wissen nicht, wie die Wahrheit genau aussah. Dass Elisabeth sich auf der Wartburg unbeliebt gemacht hatte, ist eindeutig. Ihre Verwandten hatte sie durch die extreme Freigebigkeit im Umgang mit deren Besitz ebenso verärgert wie durch ihr oft unkonventionelles Verhalten.

Schließlich waren es Menschen wie Ludwigs Geschwister Heinrich und Agnes gewesen, die sich die Beschwerden der adeligen Gäste hatten anhören müssen, die in ihren besten Kleidern zur Taufe der Fürstenkinder angereist waren, nur um sich bei dieser Gelegenheit von einer barfuß und im einfachen Wollkleid dastehenden Elisabeth darüber belehren zu lassen, dass sie nicht passend gekleidet seien.

Und auch die Dienerschaft gehörte nicht uneingeschränkt zu den Fans der Landgräfin. Zwar können wir sicher sein, dass einige von ihnen beeindruckt darüber waren, dass eine Adelige dieses Ranges, eine Königstochter, sich persönlich um die Armen kümmerte, sie wusch, fütterte und die Toten begrub. Auf der anderen Seite standen jedoch diejenigen, die als Dienerinnen und Diener der landgräflichen Familie gesellschaftlich aufgestiegen waren und deshalb nicht die geringste Lust verspürten, vom prachtvollen Glanz des Hofes wieder in jene nicht gerade wohlriechenden Niederungen der Gesellschaft hinabzusteigen, denen sie eben entronnen waren. Sie waren deshalb ebenso froh darüber, dass Elisabeth die Wartburg verließ, wie deren Verwandte.

Elisabeth selbst begriff diesen Schritt durchaus als Befreiung, da er sie von den ihr so lästigen gesellschaftlichen Verpflichtungen entband. Endlich konnte sie das tun, was sie schon immer hatte tun wollen: arm werden. Ihr Weg führte sie von der Wartburg hinab direkt ins Franziskanerkloster, wo sie die Mitternachtsmette besuchte und die Brüder das lateinische Te Deum anstimmen ließ. Doch obwohl manche Forscher meinen, dass die Vita und die Legenda aurea die rauen Lebensbedingungen, denen Elisabeth sich nun gegenübersah, vor allem schilderten, weil sie dem Ideal eines heiligen Lebens entsprechen, bei dem man auch Unbill und Verachtung zu ertragen hat, wird der Unterschied zwischen dem Leben auf der Burg und dem in Eisenach beträchtlich gewesen sein. Glaubt man den Schilderungen ihrer Dienerinnen, so verbrachte Elisabeth den folgenden Winter unter schwierigen Bedingungen. Offensichtlich waren die Eisenacher eifrig bemüht, es ihrem neuen Herrn recht zu machen.

Eine Gräfin zu unterstützen, die unter allen Umständen als Arme leben wollte, lag nicht in ihrem Interesse. Verständlicherweise, denn sie wussten ja, dass diese Armut gewissermaßen selbstverschuldet war. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die ehemalige Fürstin allzu offensichtlich brüskiert wurde. Denn dies wiederum hätte dem Ansehen der Landgrafenfamilie geschadet und diese, auch wenn sie Elisabeth nicht mochten und ihren Weg nicht billigten, zum Eingreifen genötigt.

Wir haben es hier mit jenem diffizilen Gleichgewicht zwischen persönlichem Freiraum und gesellschaftlicher Bindung zu tun, das im Mittelalter eine so große Rolle spielte. Elisabeth hat sich als Witwe, wie viele Witwen vor ihr, genau für das Leben entschieden, das sie schon immer hatte führen wollen."

Barbara Stühlmeyer, Elisabeth von Thüringen: Spiritualität - Geschichte - Wirkung, ist bei Topos Taschenbücher erschienen und hat 160 Seiten.

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