Am kommenden Donnerstag wird in Frankfurt der "Synodale Weg" eröffnet. Mehr als über den Glauben an Gott scheint derzeit über die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche gesprochen zu werden. Die Glaubwürdigkeit der Kirche und das Vertrauen in Bischöfe und Priester seien durch den Missbrauchsskandal erschüttert, bekannte der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck zum Jahreswechsel. Mit Aufrufen zur Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit meldeten sich auch Kardinal Marx und ZdK-Präsident Sternberg am 1. Advent. Auch die diözesane Gruppe des "Sozialdienstes der katholischen Frauen" des Bistums Hildesheim erklärt in ihrer Solidaritätsadresse mit Maria 2.0: "Die Kirche kann ihre Glaubwürdigkeit nur zurückgewinnen, wenn sie die Probleme beim Namen nennt und ungute Machtstrukturen und Machtmissbrauch überwindet." Auch der Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode spricht mahnend und betroffen von der "Krise der Glaubwürdigkeit". Ob es der erhofften Glaubwürdigkeit aber tatsächlich dient, wenn luftige Betrachtungen von Eugen Drewermann zur Sprache gebracht werden? Wer über den Glauben an Gott spricht, gewinnt an Glaubwürdigkeit. Katholiken besuchen in der Regel am Sonntag nicht die Sitzung des lokalkirchenpolitischen Ortsvereins Synodaler Aufbruch e. V., sondern die heilige Messe, in der einzig und allein Christus im Mittelpunkt steht und stehen sollte.

Über Glaubwürdigkeit hat auch ein bekannter evangelischer Theologe nachgedacht. Wir können manches von ihm lernen. Thies Gundlach, der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, dachte 2011 über Glaubwürdigkeit und Kirche nach: "Glauben wir dem Glauben oder der Würde? Und ist eine unglaubwürdige Kirche schon ein Einwand gegen ein glaubwürdiges Evangelium?" Der Begriff schleppe "viel emotionale Wucht" mit sich und bleibe "hinreichend unklar". Für die reformatorischen Kirchen verweist er auf Bischof Cyprian und die Theologie der Sakramente: "Es liegt nicht in der Macht des einzelnen Kirchendieners, die Glaubwürdigkeit der Sakramente zu tragen oder zu beschädigen. Es ist die Glaubwürdigkeit Christi, die Trost und Segen, Vergebung und Buße tragen kann. Natürlich, auch diesen Gedanken kann man missbrauchen und veräußerlichen, aber in der Substanz sollten wir auch als reformatorische Kirche nicht hinter diese, den christlichen Kirchen wesentliche und gemeinsame Einsicht zurückgehen."

Kleriker wie Weltchristen können – auf die katholische Kirche gewendet, für andere christliche Kirchengemeinschaften gilt das freilich auch – durch die Wucht und Macht ihrer Person, auch durch ihre nebulösen Worte das Evangelium verdecken. Gundlach sagte seinerzeit: "Die Kirche kann sich aus dieser Rolle des Hinweisens und Bezeugens hinaus bewegen und sich gleichsam vor das glaubwürdige Evangelium stellen. Die Zeugen und Zeuginnen der Kirche können das Evangelium sozusagen unsichtbar machen, indem sie sich selbst zu breit machen." Wer jetzt an den Missbrauchsskandal denkt, dem ist unbedingt zuzustimmen. Dasselbe gilt aber auch für jede Instrumentalisierung des Missbrauchsskandals.

Nehmen wir also ernst, was Gundlach weiter ausführt: "Eine missbrauchende, eine gierige, eine gleichgültige, eine nachlässige, eine banale, eine korrupte, eine bizarre usw. Kirche bzw. eben solche Vertreter/innen dieser Kirche können die Glaubwürdigkeit des Evangeliums unsichtbar machen." Er äußert dann viele Aspekte, denen Katholiken begründet widersprechen könnten, würden und müssten – etwa zur Heiligenverehrung. Aber etliche Reflexionen scheinen auch für die gläubige Katholiken heute wichtig und bedenkenswert zu sein. Thies Gundlach warnt vor der Trivialisierung des Glaubens: "Die Kirche reduziert und banalisiert die Glaubwürdigkeit des Evangeliums, wenn sie versucht, sich selbst durch innerweltliche Plausibilitäten glaubwürdig zu machen. Bei allem Respekt vor der Akzeptanz der Diakonie in unserer Welt, bei aller Wertschätzung auch der gesellschaftspolitisch kritischen Stimme und der moralisch-ethischen Positionierung: Letztlich kann ein beständiges Bemühen um eine Glaubwürdigkeit der Kirche, die durch nützliche Diakonie oder gute Werte, durch plausible Gerechtigkeitsforderung oder moralische Haltungen erzeugt wird, auch zu einer Trivialisierung unseres eigentlichen, unseres geistlichen Glaubwürdigkeits-Themas beitragen. Wenn unsere Kirche sich überall als nützlich erweisen will, wenn sie eine Kirche der »vielen guten Gründe« sein will, wenn sie Werte liefert auf Bestellung und Bildung sichert für jedermann, dann wird sie vielleicht für ihren gut organisierten Beitrag für die Welt anerkannt und findet Zustimmung für ihr geschäftiges Tun, aber auf das Evangelium von Jesus Christus ist damit noch keineswegs hingewiesen. … Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass unsere Kirchen nicht zuletzt aufgrund all der Enttäuschungen und Rückgänge, der Kränkungen und Mitgliederverluste so bestätigungs- und anerkennungsbedürftig geworden ist, dass sie in einem unguten Sinne möglichst allen alles zu werden versuchen. Entschwindet Gott nicht hinter unseren in allerbester Absicht entwickelten Glaubwürdigkeitsbemühungen? … Die Glaubwürdigkeit der Kirche hängt an ihrem zentralen Thema Gott und der Sehnsucht nach Gott, nicht an ihren guten, plausiblen, nützlichen Taten."

Von belebenden, an- wie aufregenden Impulsen protestantischer Theologen wie Sören Kierkegaard, Martin Hengel, Peter Stuhlmacher, Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth und Paul Tillich – um nur einige Namen zu nennen – habe ich mehr gelernt habe als von einer geschmeidigen Theologie der besten Absichten, von der "Würzburger Synode" bis zu den synodalen Nachwehen dieser heute. Die Auseinandersetzung mit diesen Theologien und auch natürlich die kritische Abgrenzung ist ebenso fruchtbar wie wichtig. Wenn wir die Ausführungen von Thies Gundlach lesen, erkennen auch wir Katholiken: Als Kirche sind wir dann glaubwürdig, wenn wir vom Glauben sprechen und uns zu Christus bekennen. Bezeugt eine Kirche, die ängstlich, besorgt und verzweifelt um Glaubwürdigkeit zu ringen scheint, aber von der Freude am Glauben kaum mehr zu sprechen wagt, noch das "lumen gentium", das "Licht der Völker" in der Welt von heute? Wer sich an den "Zeichen der Zeit" orientieren möchte, jedoch versäumt, diese im "Licht des Evangeliums" (Gaudium et spes, 4) zu deuten, der folgt vermutlich einem anderen Stern als dem von Bethlehem.   

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