Ich schreibe diese Zeilen am Tag nach dem offiziellen Muttertag - und ganz bewusst habe ich jedoch nicht für den Folgetag den Text zum Muttertag verfasst, sondern erst für die Woche drauf.

Warum? Weil ich gestern das Gefühl hatte, mir fliegen die Herzen, netten Sprüche, Bilder, guten Wünsche, Rabattmarken usw. nur so um die Ohren.

Ich glaube, mit ein bisschen Abstand lässt sich die Dankbarkeit für Mütter noch einmal besser ausdrücken.

Mit der Geburt unserer ersten Tochter bin ich Mutter geworden. Diese Geburt verlief weniger schön, was vor allem an den äußeren Umständen und der Krankenhauswahl lag. Alle Versuche, die Kleine natürlich zur Welt zu bringen scheiterten, sodass sie schließlich per Kaiserschnitt geholt wurde, der mehr schlecht als recht verlaufen ist, sodass ich sowohl psychisch als auch physisch recht mitgenommen danach auf meinem Zimmer lag. Nur wenige Stunden später stand ein fröhlicher, sportlicher, junger Physiotherapeut vor meinem Bett und wollte mit mir einige Sportübungen zur Kräftigung machen, wie er sagte. Ich war noch nicht auf den Beinen gewesen, hatte mich noch nicht waschen können, da ich sowohl noch meinen Blasenkatheter als auch eine Wunddrainage hatte. Ich lag also mit zwei Schläuchen und zwei Beuteln in meinem Krankenhausbett und sollte nun Sport machen. Nach all dem was ich bis dahin erlebt hatte, brach ich einfach nur in Gelächter aus. Ich hätte mir jemanden gewünscht, der mir diese Schläuche entfernt, der mir hilft mich zu waschen oder der mir auf die Beine hilft, aber einen fremden jungen Mann, der mit mir Sport machen möchte wollte ich absolut nicht in meinem Zimmer haben.

An dieses Erlebnis erinnerte ich mich kürzlich wieder, als ich Herzogin Kate nur sieben Stunden nach der Geburt frisch gekämmt auf hohen Hacken im wehenden Kleid vor dem Krankenhaus stehend sah. "Die Arme", denke ich und kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Frau freiwillig, egal wie unkompliziert die Geburt war, nur sieben Stunden später Absätze trägt.

Dann traf ich letztens in der Umkleide eines Modehauses eine Freundin von mir, die versteckt in einer Kabine ihren Sohn stillte. Im Café war das Stillen nicht erlaubt gewesen. In Zeiten, in denen überall die Leute ihr Essen fotografieren und hochladen, darf ein Baby nicht schön essen, sondern muss in einer stickigen Umkleide versteckt gestillt werden. Mindestens einmal am Tag sehe ich irgendwo den blanken Busen einer fremden Frau, da stören sich Leute daran, wenn ein bisschen Haut beim Stillen zu sehen ist? Es ist ja nicht so, als hätte man als Frau nicht selber aus Scham das Bedürfnis, sich beim Stillen so gut wie möglich zu verhüllen.

Verschiedene Geschichten, ein gemeinsames Thema: Mütter dürfen heute nicht mehr Mamas sein, an deren Busen sich die Kinder gerne kuscheln. Die Zeit haben, Leberwurstbrote schmieren und die Regenerierung im Wochenbett ernst nehmen…nein, Mütter müssen heute möglichst schnell wieder ein Bild von ihrem durchtrainierten Körper posten und haben beim Stillen die Wahl zwischen Verweigerung oder Propaganda. Einfach nur natürlich Mutter sein, natürlich stillen, ohne damit ein höheres politisches Ziel zu verfolgen und dem Körper die natürliche Zeit gönnen, sich wieder zurück zu bilden, das ist kaum möglich.

Von meinen Kindern bekomme ich liebend gerne gebastelte Geschenke zum Muttertag-in der Öffentlichkeit macht mich der Muttertag immer eher aggressiv. Wo bleibt denn die Achtung vor Müttern die restlichen Tage im Jahr? An den Müttern hängen ja auch Väter und eben Familien dran, die weiterhin politisch recht ausgeklammert, für ihre Themen einstehen müssen. Der öffentliche Druck hingegen ist riesig, mit einem fest abgesteckten Erwartungshorizont.

Hier sehe ich ein großes, unausgeschöpftes Potenzial von Kirche und Gemeinde. Ich träume von zwei Sesseln, die hinten in jeder Kirche stehen, dezent, aber einladend, für Mütter, die geschützt stillen möchten. Ich wünsche mir in katholischen Krankenhäusern keine jungen, sportlichen Männer am Bett der frisch entbundenen Mutter, sondern eine Ordensschwester oder eine Frau aus der Gemeinde, die ein Willkommen und Glückwünsche ausspricht und vielleicht eine Umarmung nach einer schweren Geburt geben kann. Ich träume von Gottesdiensten, zu denen Eltern mit ihren Babys eingeladen werden, um diese Kinder zu begrüßen und für die Geburt zu danken. Mütter sind nach einer Geburt so empfänglich für gute Worte und verletzlich zugleich, sodass Kirche und Glaube als starken Partner an der Seite sehr hilfreich sind. Es muss nur jemand kommen und einladen.

Mein Lichtblick nach der Geburt meiner ersten Tochter war Schwester Bernadette. Sie kam nach zwei Tagen in den Dienst, sie ist Krankenschwester und Ordensschwester. Sie war die erste, die mir aufhalf, die dafür sorgte, dass ich von all den Schläuchen befreit wurde, die unsere Tochter begrüßte, mir beim Stillen half und mir das Gefühl gab, stolze Mutter sein zu dürfen. Denn jeder Geburtstag sollte ein Muttertag sein!

Wer 365 Tage im Jahr Mütter und Familien unterstützen möchte, findet unter folgendem Link die Spendenadresse der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung: http://www.kag-muettergenesung.de/kagmuettergenesung/spenden/spenden.aspx

 

Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick. 

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