Die große Neuheit des neutestamentlichen Glaubens ist die „Gestalt Christi“, so Benedikt XVI. in „Deus caritas est". Der „unerhörte Realismus“ zeige sich, dass Gottes Wort „Fleisch und Blut“ geworden sei. Gott geht in Christus dem verlorenen Schaf, der „leidenden und verlorenen Menschheit“ nach: „In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten — Liebe in ihrer radikalsten Form.“ Der „Blick auf die durchbohrte Seite Jesu“ zeigt die Wahrheit: Gott ist Liebe. Benedikt schreibt weiter: „Von diesem Blick her findet der Christ den Weg seines Lebens und Liebens.“

Diese Liebe ist anders als alle Formen und Spielarten der Welt. Wer den Weg dieser Liebe geht, kehrt sich ab vom Egoismus und Subjektivismus, entscheidet sich wider die Lustbarkeiten des Hedonismus – ob in der Antike oder in der Gegenwart. Diese Liebe ist Hingabe. Benedikt spricht vom Liebesmahl, von der Einsetzung der Eucharistie: „Wenn die antike Welt davon geträumt hatte, daß letztlich die eigentliche Nahrung des Menschen — das, wovon er als Mensch lebt — der Logos, die ewige Vernunft sei: Nun ist dieser Logos wirklich Speise für uns geworden — als Liebe. Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen. … Aus dem Gegenüber zu Gott wird durch die Gemeinschaft mit der Hingabe Jesu Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut, wird Vereinigung: Die »Mystik« des Sakraments, die auf dem Abstieg Gottes zu uns beruht, reicht weiter und führt höher, als jede mystische Aufstiegsbegegnung des Menschen reichen könnte.“ Wie ratlos und selbstverständlich empfängt der gläubige Katholik oft die Heilige Kommunion, ärger noch – wie oft glauben viele daran, auf die rechte Disponiertheit und den Empfang verzichten zu können. Wie sehr wird doch in unseren Kirchen die eucharistische Anbetung vernachlässigt. Wie wenig verzehren wir uns nach dem Leib Christi. Und wie oft, so können wir mit Benedikt entdecken, denken wir nur an uns selbst und nicht an die Gemeinschaft der Gläubigen, nicht an den „sozialen Charakter“ des Sakraments: „Die Vereinigung mit Christus ist zugleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt. Ich kann Christus nicht allein für mich haben, ich kann ihm zugehören nur in der Gemeinschaft mit allen, die die Seinigen geworden sind oder werden sollen. Die Kommunion zieht mich aus mir heraus zu ihm hin und damit zugleich in die Einheit mit allen Christen. Wir werden »ein Leib«, eine ineinander verschmolzene Existenz. Gottesliebe und Nächstenliebe sind nun wirklich vereint: Der fleischgewordene Gott zieht uns alle an sich.“ In der „eucharistischen Gemeinschaft“ sei das „Geliebtwerden und Weiterlieben“ enthalten: „Eucharistie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmentiert.“ Die Liebe könne sodann geboten werden, weil sie zuerst geschenkt werde: „Jeder, der mich braucht und dem ich helfen kann, ist mein Nächster.“ Die Nächstenliebe sei nicht der „Ausdruck einer unverbindlichen Fernstenliebe“, sondern fordert den gläubigen Christen „hier und jetzt“. Die Liebe sei der „Maßstab für den endgültigen Entscheid über Wert oder Unwert eines Menschenlebens“, so sagt Benedikt XVI. mit Bezug auf das Gleichnis vom Gericht (vgl. Mt 25,31-46). Er schreibt: „Jesus identifiziert sich mit den Notleidenden: den Hungernden, den Dürstenden, den Fremden, den Nackten, den Kranken, denen im Gefängnis. … Gottes- und Nächstenliebe verschmelzen: Im Geringsten begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott.“ Haben wir Katholiken, haben wir Christen in der Welt von heute das Gericht im Blick? Wissen wir zuinnerst, dass wir darauf zugehen? Oder halten wir das Gericht für ein bloßes Gleichnis, für eine religiöse Metapher? Wer den Gott, der die Liebe ist, ernst nimmt, nimmt die Rede vom Gericht ernst. Nur von Christus aus, von dem Blick auf die durchbohrte Seite, findet der Christ heute den Weg des Lebens und Liebens. Wer Christus übersieht oder verkennt, verliert die Orientierung. Zugleich dürfen wir darauf vertrauen, dass der Herr, der gute Hirte, den verlorenen Schafen nachgeht – weil er liebt.

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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