"Geistliche Begleitung" ist ein Begriff in der katholischen Kirche, der inzwischen beinahe inflationär benutzt wird. Dies, obwohl Peter Blank in seinem Buch "Nicht allein. Wege geistlicher Begleitung" (*) schreibt, die Zahl jener, die geistliche Begleitung in Anspruch nähmen, gering sei. Doch auch auf den Internetseiten der Bistümer und Ordensgemeinschaften, sowie von Pfarreien kann man darüber lesen.

Geistliche Begleitung helfe, so heißt es etwa, das Leben aus dem Glauben zu deuten und zu gestalten, oder sie unterstütze die Beziehung zu Gott. Sie orientiere sich am Evangelium und richte ihren Blick auf das, was das Leben fördere, außerdem fördere sie die Aufmerksamkeit für Gottes Gegenwart in allem, was einem begegnet. Ein weites Feld also, wofür "geistliche Begleiter" herhalten sollen und wofür Personal gesucht und "ausgebildet" wird. Der Autor dieser Zeilen behauptet, "geistliche Begleitung" werde oft genauso falsch verstanden wie der Begriff des "Seelsorgers", der heute überall präsent ist. Denn offenbar kann beides von (fast) jedem ausgeübt werden, und fast jeder ist dafür geeignet, wenn er oder sie nur will.

Der Begriff der "geistlichen Begleitung" ist in Wirklichkeit neu und erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Mode gekommen. Bis dahin sprach man von "geistlicher Führung" oder von "Seelenführung". Dies entsprach jedoch nicht mehr dem Bild des aufgeklärten und mündigen Christen, der keine "Führung" notwendig habe. Jeder sei selber fähig, seinen Weg zu erkennen und zu gehen. Als man merkte, dass man die Gläubigen auf ihrem Glaubensweg alleine gelassen hatte, unter anderem durch die in den meisten Pfarreien praktisch abgeschaffte Möglichkeit zu beichten, musste etwas Neues her. Durch diesen Rückgang der Beichten, sowohl der Anzahl der Gläubigen als auch jener der öfteren Beichte der Einzelnen, ging der Einfluss auf das Frömmigkeitsleben der Gläubigen und die individuelle Seelsorge immer mehr verloren. Zwar sind Beichte und "geistliche Begleitung" (eben früher: Seelenführung) nicht grundsätzlich gleichzusetzen. Dennoch hatte ein guter Priester zu erkennen, wenn ein Beichtkind fähig war, Fortschritte im religiösen Leben zu erzielen. Er konnte etwa aufmerksam machen, hinweisen oder präzise erläutern, was ihm zum Wohle der Person und seiner Frömmigkeit geeignet erschien.

Peter Blank, ein Priester vom Opus Dei ("Werk Gottes"), einer direkt dem Heiligen Stuhl unterstehenden Personalprälatur, schreibt, was der Kirche nottue, seien "Alltagschristen", also offenbar solche, die sich selbst nicht als Seelsorger und geistliche Begleiter verstehen, sondern als normale Katholiken. Diese müssten die Möglichkeit haben, zu einem geistlichen Begleiter zu gehen, damit er ihnen helfe, dass aus ihrem banalen Alltagsleben "ein belastbares geistliches Leben" werden kann. Für beide Kategorien hat Peter Blank sein Buch geschrieben.

Dr. Blank schreibt, dass die Zahl jener, die eine "regelmäßige geistliche Begleitung nehmen, eher gering" sei. Ob tatsächlich auch "vielen Seelsorgern" – ich nehme an, er meint damit Priester – für die "Übernahme dieser Aufgabe keine Zeit bleibt", stelle ich in Frage. Am Ende kommt es immer darauf an, ob ein Priester sich dieser Aufgabe stellt, ob er geeignet ist und ob er überhaupt noch an Gott glaubt. Im Rahmen dieser Buchbesprechung würde es zu weit führen, wollte man darauf eingehen, sowie auf die Konsequenzen, die durch die Unterlassung einer der hervorragendsten Aufgaben eines katholischen Priesters, nämlich der Seelenführung, entstehen.

Der Verfasser des vorliegenden Buches weist in seinem Vorwort darauf hin, dass es für den geistlichen Begleiter "unverzichtbar" sei, sich immer wieder "herausfordern" zu lassen "von den Kernthemen des geistlichen Lebens". Blank will mit seinem Buch dreierlei erreichen: es soll Menschen anregen, sich "geistliche Begleitung" zu suchen, es möchte praktische Hilfe sein für den "geistlichen Begleiter", und es soll selbst ein Instrument der "geistlichen Begleitung" sein.

Was er damit meint, erläutert er mit seinem Hinweis auf den zentralen "Aspekt menschlicher und christlicher Reife". Er bestehe darin, "dass man versucht, Kopf und Herz immer dort zu haben, wo Hände und Füße" seien, nämlich im "Hier und Jetzt". Das ganze Buch spricht von dieser "Bodenhaftung" des Christen. Beispiele aus seinem Leben illustrieren dies, etwa von Begegnungen mit Menschen.

Dabei geht es aber auch um "Gottes Ruf" und der eigenen Berufung.

Ein Schlüsselsatz des Buches von Peter Blank lautet folgendermaßen: "Die Beichte und genauso das brüderliche Gespräch geistlicher Begleitung sind letztlich nichts anderes als das Wiederholen dessen, was ich mit Gott zusammen angeschaut und bedacht habe." Er möchte nicht bei "subjektiven und emotionalen Eindrücken" stehen bleiben, sondern bei den Fakten des Lebens und seiner Wahrheiten.

Der Rezensent stellt sich beim Lesen oft die Frage, was dieses Buches eigentlich von solchen, die Lebenshilfe und psychologische Beratung anbieten, unterscheidet. Blank scheint solche Gedanken ebenfalls umzutreiben. Er verlangt vom "Begleiter", er müsse immer "das Ziel der geistlichen Begleitung" vor Augen haben, nämlich eine Lösung (der Probleme?) für das Kind Gottes, nicht seinen Tod sondern das Leben. Er bezeichnet geistliche Begleitung als die "hohe Kunst seelsorglicher Liebe". Diese bestehe darin, "dass immer und ausschließlich der Herr im Mittelpunkt steht". Dankbar nimmt man seine Warnung zur Kenntnis, die geistlich zu begleitende Person solle sich an den Herrn und nicht an den "Geistliche Begleiter" binden.

Peter Blank gibt mancherlei gute Anregungen für "Geistliche Begleiter", aber auch für diejenigen, die einen solchen Menschen suchen oder schon gefunden haben. Manche nützliche Hinweise für Neulinge im geistlichen Leben zeigt er auf, besonders in seinem Kapitel über das Gebetsleben. Vieles, besonders Tiefergehendes, bleibt indessen auf der Strecke.

Der Autor unseres Buches geht auch auf das heute oft vergessene Sakrament ein, die Beichte. Viel Gutes ist auf den Seiten zu lesen, denen er, so spürt man beim Lesen, mit viel Verständnis zu begegnen sucht. Auch hier ist von der großen Erfahrung Blanks als Beichtvater auszugehen.

Der Autor des Buches "Nicht allein. Wege geistlicher Begleitung" verleugnet dabei nicht seine persönliche geistliche Herkunft als Priester des Opus Dei. Beinahe selbstverständlich ist der Gründer seiner Gemeinschaft, der spanische Heilige Josemaría Escrivá, so etwas wie der Stichwortgeber. Aus seinen Werken wird überwiegend zitiert. Zudem kommt ein anderer Mitbruder von Peter Blank zu Wort, Francisco Fernandez-Carvajal, dem er, wie er erwähnt, viel verdanke.

Außer dem heiligen Alfons Maria von Liguori kommen fast nur zeitgenössische Autoren zu Wort, oder es wird auf Quellen zurückgegriffen, die erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden sind. Dies verwundert, da doch gerade die katholische Moraltheologie mit der theologischen Disziplin der Aszetik, welche die Theologie des geistlichen Lebens beschreibt, gänzlich unerwähnt bleibt.

Dies ist sehr zu bedauern, da gerade aus diesen Quellen, auch und gerade für unsere Zeit, die in Kirche und Welt von Verwirrung und Unsicherheit geprägt ist, sehr viel herauszuholen wäre. Es sollten nicht etwa, wie geschehen, Leute wie Anselm Grün, Henry Nouwen und Johannes Hartl, herangezogen werden, wenn von geistlicher Begleitung und geistlichem Leben erzählt wird.

So verständlich es ist, aktuell sein zu wollen, so ist es dennoch bedauerlich, die wirklichen Quellen des geistlichen Lebens der katholischen Kirche zu vernachlässigen. Würden die oft zitierten Worte der Heiligen Schrift aus diesem Buch entfernt, könnte es auf weiten Strecken von einem Psychologen geschrieben sein. Ganz sicher wird es seinen Platz auf dem runden literarischen Angebotstisch religiöser Lebensberatung in so manchem Klosterladen finden.

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(*) Peter Blank: Nicht allein. Wege geistlicher Begleitung ist erschienen im Adamas-Verlag und hat 304 Seiten.

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