Vielleicht haben Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, gelegentlich auch Seufzer der Erleichterung gehört, als die Ansprachen der Kardinäle Luis Ladaria und Marc Ouellet vom Vatikan publiziert worden sind? Einfach gläubige Katholiken fühlten sich mit ihren Sorgen verstanden. Alle Töchter und Söhne der Kirche, ob Kleriker und Weltchristen, die in Treue und Dankbarkeit der Lehre und Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, dem Papst und der Kirche aller Zeiten und Orte verbunden sind, freuten sich sehr über die römische Klarheit.

Zitiert sei kurz aus Kardinal Ouellets Ansprache, in der auch die Instrumentalisierung des Missbrauchsskandals klar benannt wurde: „Es ist jedoch auffällig, dass die Agenda einer begrenzten Gruppe von Theologen von vor einigen Jahrzehnten plötzlich zum Mehrheitsvorschlag des deutschen Episkopats geworden ist: Abschaffung des Pflichtzölibats, Weihe von viri probati, Zugang von Frauen zum geweihten Amt, moralische Neubewertung der Homosexualität, strukturelle und funktionale Begrenzung hierarchischer Macht, von der Gender-Theorie inspirierte Überlegungen zur Sexualität, wichtige Änderungsvorschläge zum Katechismus der Katholischen Kirche usw. ‚Was ist passiert?‘ und ‚Wo sind wir gelandet?‘, fragen sich viele Gläubige und Beobachter erstaunt. Es fällt schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, dass die äußerst gravierende Angelegenheit der Missbrauchsfälle ausgenutzt wurde, um andere Ideen durchzusetzen, die nicht unmittelbar damit zusammenhängen.“

Ja, was ist passiert? Wo sind wir gelandet? Warum müssen wir uns mit dieser deutschkatholischen Papierflut überhaupt beschäftigen? Kardinal Ouellet sagte weiter: „Der größte Mangel dieses Vorschlags ist vielleicht ein gewisser apologetischer Ansatz, der sich auf kulturelle Veränderungen stützt, anstatt auf die erneuerte Verkündigung des Evangeliums. Sie besitzen Gold und Silber, Wissenschaft und weithin anerkanntes Ansehen, und gehen mit allem großzügig um, aber vergessen Sie nicht, kraftvoll und einfach den Glauben an Jesus Christus zu bezeugen, was Ihre Gläubigen dringend erbitten.“

Warum nur verkündigen Bischöfe nicht einfach, klar, ob gelegen oder ungelegen, den Glauben der Kirche? Warum wird das Evangelium Jesu Christi zurechtgestutzt? Warum werben Bischöfe für eine Revision des christlichen Menschenbildes? Warum wird der Missbrauchsskandal für eine Neuerfindung der Kirche und der Moral instrumentalisiert?

Kardinal Ladaria hat dies klar in seiner Ansprache benannt: „Es versteht sich von selbst, dass alles getan werden muss, um weiteren Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker zu verhindern, aber dies darf nicht bedeuten, das Geheimnis der Kirche auf eine bloße Machtinstitution zu reduzieren oder die Kirche von vornherein als eine strukturell Missbrauch hervorbringende Organisation zu betrachten, die so schnell wie möglich unter die Kontrolle von Oberaufsehern gebracht werden muss. In dieser Hinsicht besteht die größte Gefahr vieler operativer Vorschläge der Texte des Synodalen Wegs darin, dass eine der wichtigsten Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils verloren geht, nämlich die klare Lehre von der Sendung der Bischöfe und damit der Ortskirche.“

Der Begriff „Oberaufseher“ ist hart, aber zutreffend: Die römisch-katholische Kirche in Deutschland benötigt keine machtbewussten Schul- und Zuchtmeister des Zeitgeistes, keine Apologeten des Mainstreams und auch keine humanwissenschaftlichen Lebensanschauungen, inspiriert von Michel Foucault, die dann als Theologie ausgegeben und gelehrt wird. Der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat nun in einem Interview seine Hoffnungen bekräftigt, dass die Kirche sich verändern wird, anscheinend ungeachtet dessen, was der Papst und die Kurie gegenwärtig darüber denken und gesagt haben.

Overbeck wird, mit Blick auf den Zugang zu den Weiheämtern, wie folgt zitiert: „Ein solches autoritatives ‚Stopp‘ lässt sich hier auch nicht mehr verordnen – eine Entwicklung, für die ich dankbar bin, denn wir sind eine hörende Kirche.“ Wir alle kennen diese Bekenntnisse und Meinungen. Vielleicht fragen auch Sie sich gelegentlich: Wann hören die Vordenker des Synodalen Wegs eigentlich auf einfach gläubige Katholiken, auf den Papst und auf die Heiligen, mit denen wir verbunden sind in der Kirche aller Zeiten und Orte? Wenn wir eine „hörende Kirche“ sind, warum hören wir eigentlich nicht auf unseren Herrn Jesus Christus?

In der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ wird in Abschnitt 4 verbindlich erklärt, dass der Kirche zur Erfüllung ihres Auftrags die Pflicht obliege, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“. An diese Pflicht wurden die deutschen Bischöfe in Rom erinnert – und die Kardinäle Ladaria und Ouellet wussten, ebenso wie Papst Franziskus, was sich einfach gläubige Katholiken in Deutschland und überall auf der Welt wünschen: dass in der Kirche des Herrn von Gott die Rede sein möge.

Zudem kommt mir in den Sinn, was Papst Benedikt XVI. am 7. Mai 2005 in der Basilika San Giovanni in Laterano in der Predigt sagte: „Als Katholiken sind wir alle in gewisser Weise auch Römer. Mit den Worten von Psalm 87, einem Loblied auf Zion, die Mutter aller Völker, sang Israel und singt die Kirche: ‚Doch von Zion wird man sagen: Jeder ist dort geboren …‘ (Ps 87,5). In ähnlicher Weise könnten auch wir sagen: Als Katholiken sind wir in gewisser Weise alle in Rom geboren.“ Und so ist es würdig und recht – genauso so und nicht anders.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gastautoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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