"Tippfehler" im Grundgesetz: Vatikan will neue Verfassung zu TLM ändern

Die Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Verfassung der Kurie im Vatikan.
Screenshot / YouTube

Kein guter Start für die neue Verfassung des Vatikans: Ausgerechnet der Abschnitt zur traditionellen lateinischen Messe sei ein "Tippfehler", so ein Kardinal bei der Vorstellung in Rom. Diesen müsse man "korrigieren". 

Das Dokument, das am Samstag veröffentlicht wurde, liegt bisher nur in italienischer Sprache vor – trotz seines lateinischen Titels. Es war ein knappes Jahrzehnt in Arbeit und soll vom Kardinalsrat vorbereitet worden sein, einem von Papst Franziskus persönlich zusamengestellten Beraterstab, in dem auch der deutsche Kardinal Reinhard Marx sitzt. 

Auf einer live übertragenen Pressekonferenz im Vatikan am 21. März sagte Bischof Marco Mellino, der Sekretär des Gremiums, dass der fehlerhafte Abschnitt im Grundgesetz vor der Veröffentlichung von Traditionis Custodes geschrieben worden sei – jenem Dokument des Papstes aus dem Jahr 2021, mit dem Franziskus Maßnahmen gegen die TLM ergriff.

Die seit Jahrhunderten gefeierte traditionelle lateinische Messe (TLM) ist auch als "tridentinische" und "gregorianische" bekannt, als Feier im Usus Antiquior, als Messe in der außerordentlichen oder überlieferten Form sowie als "Messe aller Zeiten" und "Alte Messe" (Vetus Ordo), im Gegensatz zur in den 1970er Jahren eingeführten "Neuen Messe" (Novus Ordo).

Mit Blick auf die Tatsache, dass die neue Verfassung des Vatikans nun die TLM erneut als "forma extraordinaria" bezeichnet, sagte Mellino vor Journalisten wörtlich: "Dieser Absatz wurde vor der Veröffentlichung des Motu proprio so formuliert und ist ein Tippfehler, der korrigiert werden sollte". 

Wie CNA Deutsch bereits bei der Veröffentlichung meldete, wird die TLM in der neuen Verfassung der Kurie als "forma extraordinaria" bezeichnet. Gerade diesen Begriff – den Papst Benedikt XVI. mit Summorum Pontificum verwendete – wollte Papst Franziskus jedoch mit einem umstrittenen Dekret abschaffen: In seinem Schreiben "Traditionis Custodes", das innerkirchlich Bedauern,  scharfe KritikUnverständnis und vor allem viel Leid unter Gläubigen ausgelöst hat, wird die TLM zum "Ritus" deklariert. 

Das müsste korrigiert werden, sagte Bischof Mellino vor Journalisten. "Aber Sie werden die Formulierung erhalten, wenn ich die Zeit finde, dem Heiligen Vater die neue Formulierung vorzulegen", fügte er hinzu.

Mellino sagte weiter, dass die neue Formulierung auch die Frage der "Gemeinschaft St. Petrus" (sic) berücksichtigen müsse, womit er wahrscheinlich die Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP) meint: Die FSSP hat erklärt dass Papst Franziskus im Februar per Dekret erlaubt hat, weiterhin ihre liturgischen Bücher zu verwenden (CNA Deutsch hat berichtet).

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Demnach können traditionelle katholische Gemeinschaften auch weiterhin die TLM feiern, ohne die umstrittenen Auflagen von Traditionis Custodes beachten zu müssen. 

Mellino sagte auch, der Papst sei über den "Tippfehler" informiert worden. Das dürfte Journalisten wenig überrascht haben - im Gegensatz zu anderen Aspekten der Verfassung, die Verwunderung ausgelöst haben.

Verwunderte Journalisten

Auf der Pressekonferenz, die zwei Tage nach der unerwarteten Veröffentlichung der auf italienisch geschriebenen Konstitution, verlas Loup Besmond de Senneville, der Leiter der vatikanischen Journalistenvereinigung, eine Erklärung, in der er seine "Verwunderung" darüber zum Ausdruck brachte, dass der Vatikan die Konstitution am 19. März, dem neunten Jahrestag des Amtsantritts von Papst Franziskus, ohne jegliche Vorankündigung für ein so wichtiges Dokument für die Weltkirche veröffentlicht hat.

Diese höfliche Beobachtung der Vorgänge in Rom versuchte ein Jesuitenpater und Kirchenrechtler abzufangen, der früher Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana war.

Der italienische Pater Gianfranco Ghirlanda nannte die in der neuen Verfassung skizzierte Rolle der Laien in der römischen Kurie "innovativ". Gemeint ist damit die Feststellung, dass die Befugnis zur Ausübung eines Amtes "dieselbe ist, ob sie von einem Bischof, einem Presbyter, einem geweihten Mann oder einer geweihten Frau oder einem Laien oder einer Laienfrau ausgeht".

Dies war jedoch bereits vor der neuen Verfassung der Fall – etwa im Dikasterium für Kommunikation, das bereits von einem Laien geleitet wird.

Ghirlanda sagte weiter: "Die Regierungsgewalt in der Kirche geht nicht vom Sakrament der Weihe aus, sondern von der kanonischen Mission".

Kardinal Marcello Semeraro, der Präfekt des künftigen Dikasteriums für die Heiligsprechungen, sagte auf der Pressekonferenz, dass "Dikasterium" ein "laikaler" Begriff sei, während "Kongregation" ein klerikaler Begriff sei.

"Ein Laie oder eine Laienfrau kann eine Abteilung nach den angegebenen Kriterien leiten", sagte der Kardinal. 

Pater Ghirlanda sagte, dass die neue Verfassung darauf abziele, die lokalen Bischofskonferenzen sowie die "kontinentalen Bischofsgremien" zu stärken. Die Bischofskonferenzen werden in dem neuen Dokument mehr als 50 Mal erwähnt, im Vergleich zu nur zwei Mal in der vorherigen vatikanischen Verfassung, Pastor Bonus.

Kenner der Realitäten in manchen Bischofskonferenzen halten eine solche strukturelle Verortung, weg aus den Händen der kirchenrechtlich Verantwortlichen, für eine bestenfalls fragwürdige Entwicklung. Aber der Jesuitenpater stellte fest, offenbar um solche Bedenken auszuräumen: "Was von einer Bischofskonferenz festgelegt wird, kann nicht dem universalen Lehramt widersprechen, sonst stehen wir außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft."

Auf die Frage, ob die beschränkte Amtszeit für die Leiter von Dikasterien zu Kontinuitätsproblemen führen könnte, sagte Ghirlanda, dass Leiter, die sich als kompetent erwiesen hätten, für weitere fünf Jahre in ihren Ämtern bleiben würden.

Er sagte, dass "Menschen, die zu lange in Regierungspositionen bleiben, Machtzentren entwickeln können. Und das ist in der Kirche niemals angebracht. Ein Wechsel bringt neue Ideen, neue Fähigkeiten und Offenheit." 

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