Der Bericht von der Entschlafung der Gottesmutter und ihrer Aufnahme in den Himmel bildete in der frühchristlichen Literatur eine eigene Gattung. Nach dem lateinischen Wort für Übergang wird sie Transitus-Literatur genannt, von der heute über 20 apokryphe Textzeugnisse bekannt sind. Ihre Autoren verlieren sich im Nebel mehrerer Texttraditionen, diverser Abschriften und Redaktionen.

Gerne wurden die Texte einem Apostel, Evangelisten oder Kirchenvater zugeschrieben, um den darin berichteten Ereignissen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ebenso sind uns verschiedene Erzähl-Varianten überliefert, wonach einmal die Gottesmutter ohne den Tod zu kosten ins Paradies entrückt, ein andermal aber erst nach ihrer Beerdigung in den Himmel aufgenommen wurde.

Immer aber sind die Apostel dabei, allerdings in unterschiedlicher Zusammensetzung. Je nachdem, welche Variante der Text bevorzugt, sind sie unmittelbar Zeugen des Transitus oder entdecken erst später das leere Grab Mariens. Hinzu kommt, dass kein einziger Transitus vor das Jahr 431 datiert wird, als das Konzil von Ephesus die Gottesmutterschaft Mariens als Dogma verkündete.

Könnten also die Transitus-Texte nachträgliche Rationalisierungen dieses Dogmas sein und damit jeder Grundlage entbehren?  Danach sieht es nicht aus, wenn wir etwa an das älteste bekannte Mariengebet aus Ägypten auf einem Papyrus aus dem Jahr 250 denken. Denn das Dogma von der Gottesmutterschaft ist 431 ja nicht vom Himmel gefallen. Vielmehr war es Bestätigung und krönender Abschluss einer schon lange bestehenden Marienverehrung, zu der auch die Überlieferung des Transitus Mariae gehört haben muss.

Zudem gibt es noch die apostolische Überlieferung – Berichte der Apostel, die der Urgemeinde bekannt waren und mündlich weitergegeben wurden. Sie behielten ihren wahren Kern und formten sich mit der Zeit zu bildhaften Geschichten, zu Text-Ikonen, die dann auch aufgeschrieben wurden und sich in alten Handschriften erhalten haben. Wir selbst können sie auf ihre Plausibilität hin überprüfen. Solche Text-Ikonen enthält ein Transitus in altgeorgischer Sprache aus dem Katharinenkloster auf dem Sinai. Lange unbeachtet, wurde er bislang nur ins Lateinische übersetzt.

Das ist bedauerlich, denn dieser Text verdient größte Verbreitung, taucht er doch den Transitus Mariae in ein völlig neues Licht. Für diese Textgattung einzigartig, spielt darin jenes nicht von Menschenhand gemachte Abbild des Herrn, das wir als Volto Santo von Manoppello verehren, eine ganz besondere Rolle.

Erst in den letzten Jahrzehnten konnte dieses Tuchbild durch die Arbeiten von P. Domenico da Cese OFM.Cap., P. Heinrich Pfeiffer S.J., Sr. Blandina Paschalis Schlömer, O.C.S.O. und Paul Badde wieder ins rechte Licht gerückt werden, nachdem es für Jahrhunderte ein Schattendasein fristete.

Mit gleichem Recht wie das Turiner Grabtuch dürfen wir es als Reliquie aus dem Ostergrab bezeichnen. Und obwohl es mit der Untersuchungsdichte des Grabtuchs von Turin bis heute nicht mithalten kann, erweist schon der bloße Augenschein in Manoppello, was die Wissenschaft für Turin erwiesen hat: Beide Bilder zeigen Jesus von Nazareth, das eine tot, das andere lebendig.

Es weiß nur kein Mensch bis heute zu erklären, wie es zu diesen Bildern kam. Nach menschlichem Ermessen kann es aber nicht anders sein, als dass auch Maria sie berührt und geküsst und wohl bis zu ihrem Tod bei sich geführt hat, zumindest das handlichere, kleinere Tuch mit dem lebendigen Antlitz ihres Sohnes. Und das ist es, was uns nun erstmals auch ein apokryphes Textdokument, diese uralte georgische Handschrift, nahelegt.

Wie aber kam die Handschrift nach Ägypten und warum blieb sie so lange unentdeckt? Das hat mit den Wanderbewegungen der orthodoxen Mönche zu tun.  So ließen sich schon im 5. Jahrhundert georgische Mönche in Palästina nieder, um an den heiligen Stätten zu beten. Insbesondere das Mar-Saba-Kloster südlich von Bethlehem entwickelte sich zu einem ihrer Zentren. Von dort aus erreichten sie zu Beginn des 6. Jahrhundert das Katharinenkloster. Im 9. Jahrhundert, als der Islam die Christen im Heiligen Land zunehmend unterdrückte, flohen immer mehr Georgier auf den Sinai, wo sie nunmehr eine große Kolonie bildeten.  Mit ihnen zogen Manuskripte, die in Mar Saba geschrieben worden waren, aber auch mündliche Berichte, die sie auf ihren Wanderungen im Heiligen Land gesammelt hatten. In den Klöstern kamen sie zudem mit alten Handschriften in Berührung, die so manche Überlieferung der Urkirche enthielten. So kam es, dass bald direkt unter dem Sinai eine ganz besondere Quelle zu sprudeln begann: Die Mönche beschrieben Pergamentseite um Pergamentseite in einer unbekannten Sprache, dem Altgeorgischen, das in der Neuzeit ganz in Vergessenheit geriet. Erst im 19. Jahrhundert begann langsam die wissenschaftliche Beschäftigung mit den altgeorgischen Handschriften, die schließlich auch im Katharinenkloster gesichtet und katalogisiert wurden. Wir dürfen dabei nicht vergessen, wie beschwerlich Reisen zu den Klöstern waren und wie eifersüchtig die Mönche ihre Schätze bewachten. Wirklich verlässliche Handschriftenkataloge lagen erst Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Für das Katharinenkloster leistete dies unter anderem eine US-amerikanische Expedition in den Jahren 1949/1950.

Während dieser Expedition wurde auch der Codex georg. sin. 68 aus dem 12. Jahrhundert komplett auf Mikrofilm fixiert und vom belgischen Professor und Altorientalisten Gérard Garitte beschrieben und katalogisiert. Dieser Codex enthält unter anderem eine Predigt, die dem heiligen Basilius von Caesarea zugeschrieben wird.

Die erste und bislang einzige Übersetzung dieser Predigt legte 1974 der flämische Jesuit Michel van Esbroeck (1934 – 2003) in lateinischer Sprache vor, wobei er auf den Mikrofilm der amerikanischen Sinai-Expedition zurückgriff. Van Esbroeck war es auch, der den Text auf den Anfang des 6. Jh. datierte und erkannte, dass Basilius nicht der Autor sein konnte, da sein Name ganz unvermittelt nur am Anfang und am Ende des Textes auftaucht. Die Predigt des Pseudo-Basileus entpuppte sich vielmehr als Variante eines apokryphen Transitus, den van Esbroeck der besseren Lesbarkeit wegen in 94 kleine Kapitel unterteilte.

Der Bericht umfasst 8 Tage und beginnt an einem Sonntag. Maria stirbt freitags, wird beerdigt und am folgenden Sonntag finden die Apostel das leere Grab. Die Parallele zu Passion, Tod und Auferstehung Jesu Christi ist so offensichtlich, dass es sich dabei wahrscheinlich um eine Zutat des Autors handelt. Einzigartig in der gesamten Transitus-Literatur sind hingegen jene Stellen, in denen die Erzählung das uralte Wissen um ein auf ein Tuch eingeprägtes „Bild des Erlösers “ aufgreift, das die Gottesmutter seit der Himmelfahrt ihres Sohnes immer bei sich getragen habe.

Van Esbroeck erwähnt in der knappen Einleitung zu seiner Übersetzung ausdrücklich die exponierte Stellung dieses Tuchbildes und identifiziert es, ebenso wie nach ihm einige namhafte Grabtuchforscher, mit dem Turiner Grabtuch. Das heilige Schweißtuch aus dem Vatikan, das sich etwa seit dem Jahr 1527 verborgen in  Manoppello befindet, kannte der flämische Jesuit 1974 noch nicht. Erst seit Ende der siebziger Jahre errang es durch den unermüdlichen Einsatz des Kapuzinerpaters Domenico da Cese langsam wieder überregionale Aufmerksamkeit. Aber auch wenn Van Esbroeck diese Vergleichsmöglichkeit fehlte, müssen wir uns fragen, ob die Identifizierung mit dem Turiner Grabtuch vielleicht dennoch zutrifft. Eine eingehende Betrachtung des Kapitel 12 lässt da starke Zweifel aufkommen. Hören wir aufmerksam zu:

„Seit der Himmelfahrt trug diese unbefleckte Jungfrau aus Gewohnheit ein auf ein Tuch eingedrucktes Bild bei sich, das ihr von göttlicher Hand gegeben wurde, damit sie ewig das schöne Bild ihres Sohnes sehen und betrachten konnte. Und als sie betete, legte sie das Bild gen Osten, und sie betete mit erhobenen Händen vor ihm. Und selbst im Moment ihres Abschieds führte sie alle ihre Gebete auf die gleiche Weise durch, vor dem Bild des Lebens. Sie zündete drei Kerzen an, sie legte Weihrauch in das Feuer, und unter Tränen des Bittens und des Wachens verließ sie den Körper in der Nacht.«

Zunächst: Gibt es eine schönere Vorstellung als jene, dass Maria betend vor dem Bild ihres Sohnes verschied? Kein anderer derzeit bekannter Bericht über den Tod Mariens gibt uns ein solches Bild mit auf den Weg, das man sich geradezu als Ikone in einem georgischen Kloster vorstellen möchte. Sollen wir aber tatsächlich annehmen, dass Maria das vier Meter lange Leinen des Turiner Grabtuches wie auf einer Wäschespinne vor sich aufspannte, auf dem sie zudem noch das Abbild ihres Sohnes nur schemenhaft erkennen konnte? Sehr unwahrscheinlich.

Ist es dagegen nicht viel wahrscheinlicher, dass es dabei um das wesentlich handlichere zweite Tuchbild aus dem Grab Christi handelte – jenes Schweißtuch, das eben heute als Volto Santo di Manoppello bekannt ist?

Der Text des altgeorgischen Originals hilft uns nicht weiter; zumindest nicht auf den ersten Blick. Van Esbroeck hat die Stelle in Anlehnung an den französischen Begriff des Sainte-Suaire für uns richtig mit sudarium – Schweißtuch – übersetzt, meint aber das Turiner Grabtuch. Im altgeorgischen Original steht sogar t’ilo – Leintuch. Damit ist aber noch keine Aussage über die tatsächliche Beschaffenheit des Tuchbildes und seine Identität mit dem Turiner Grabtuch getroffen. Denn womöglich wusste der unbekannte Autor des Transitus zwar um den hauchzarten Stoff, aus dem das Schweißtuch bestand, nicht jedoch um das Material. Und so liegt es nahe, dass er an die in der Antike weitverbreiteten feinen Leinenstoffe, nicht aber an die Muschelseide des Volto Santo dachte.

Der Autor selbst gibt uns aber noch weitere Hinweise zur Identität des Tuches, etwa wenn er das Tuchbild, das Maria immer bei sich trug, als „Bild des Lebens“ bezeichnet. Im Original steht dort unter anderem das georgische Wort für „Sein, Existenz, Bestehen“, also ausdrücklich eine Bezeichnung für jemand, der NICHT tot ist. Dies gilt umso mehr, da im weiteren Verlauf der Erlöser aus dem Bild zu Maria spricht und von seinem Abbild ein übernatürliches Licht ausgeht. Das Grabtuch präsentiert hingegen die Darstellung eines Toten, mit geschlossenen Augen. Wie könnte das ein „Bild des Lebens“ sein? Nichts hindert uns also daran, den heute in Manoppello aufbewahrten Schleier als das von Maria verehrte Bild anzunehmen.

Zudem geht der Autor des Transitus selbst von der Existenz zweier Tücher aus, wenn er in Kapitel 71 nach dem Tod Mariens berichtet: „Darauf begannen die Apostel sich um den Leib zu kümmern, der den Herrn empfangen hatte, hüllten ihn in das heilige Leinentuch, wickelten den Leichnam ein und salbten ihn mit Ölen.“  Dabei denkt man sofort an das Turiner Grabtuch, das die Apostel wohl zusammen mit dem Schweißtuch aufbewahrt hatten, wenn wir die Entdeckung der beiden Tücher durch Petrus und Johannes ernst nehmen (Joh. 20, 1-10).  Nicht anzunehmen und geradezu ausgeschlossen ist, dass sie dieses Tuch mit den Blutspuren der Passion Christi jetzt ein zweites Mal nutzten. Naheliegend erscheint hingegen, dass die Apostel eine gleiche „feine Leinwand“ wie Joseph von Arimathäa für die Bestattung der Jungfrau Maria erwarben.

Ganz eindeutig geht aus dem Text hervor, dass dieses Leintuch nicht mit dem Tuchbild des Erlösers identisch ist. Denn der Autor unterscheidet souverän die beiden Tuchformate, sodass auch dann, wenn das Turiner Grabtuch selbst bei der Beerdigung Mariens nicht verwendet wurde, der Unterschied zwischen einem großen Leintuch und dem handlichen Schweißtuch mehr als deutlich wird. Ihm dachten die Apostel bei der Grablegung Mariens eine ganz andere Rolle zu, wie die Text-Ikone zur Grablegung in Kapitel 79 eindeutig belegt:

Und als sie in Gethsemani angekommen waren, mauerten sie nach der Sitte das Grab für den Leib, der Gott aufgenommen hatte, und legten das Bild des Erlösers auf dem Grab ab. Und sie wachten in Gebet und Lobpreis jene ganze Nacht durch. Dann brach der Sabbat heran. Um die dritte Stunde, vollzogen sie das Opfer, dann wachten sie wieder mit großer Hingabe im Gebet bis Mitternacht.

Auch wenn der Text an dieser Stelle sicher keine Reportage ist, greift er offensichtlich Traditionen aus Jerusalem auf, wie sie zu Anfang des 6. Jh. im Nahen Osten noch lebendig waren. Wir wissen nicht, ob es die ersten georgischen Mönche im Heiligen Land waren, die diese Traditionen aufgenommen haben, oder ob ein zwischenzeitlich verschollenes griechisches, koptisches oder arabisches Manuskript von den Georgiern abgeschrieben wurde. Dass diese Traditionen aber auf Tatsachen gründen, dafür bietet uns der georgische Transitus ein geradezu sensationelles Indiz: Er bezeichnet den Garten Gethsemani als Ort des Mariengrabes; also genau da, wo es heute noch verehrt wird! Das ist eine der frühesten Erwähnungen dieses Grabes, die es überhaupt gibt.

Alleine das berechtigt uns, hier noch einmal genau zuhören: Die Apostel legten das Tuch „super sepulcrum“ (georgisch: Saplavsa zeda) – „über das Grab“ Mariens. Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang „über“? Sollte der heute noch am Fuße des Ölberges im Garten Gethsemani gezeigte Ort wirklich die Grabstätte Mariens gewesen sein – eine bis in die Antike zurückreichende Tradition spricht dafür – dann legten die Apostel Maria ebenso wie rund 17 Jahre zuvor ihren Sohn in ein so genanntes Troggrab. Solch ein Troggrab wird aber nicht gemauert, wie vom Autor des 6. Jahrhunderts fälschlich behauptet, sondern aus dem Felsen herausgearbeitet. Danach muss man sich die Grabkammer als einen schmalen Gang vorstellen, der in einen Felsen getrieben wurde und neben dem man wiederum aus dem Felsbett eine offene Steinbank als Nische herausgehauen hat, auf die man dann den in Leinentücher gewickelten Leichnam legte. Die Kammer selbst wurde nach der Bestattung mit einem Stein vor dem Grabausgang verschlossen.

Es war also kein Sarkophag, der mit einem Deckel verschlossen und erst recht kein Erdgrab, dass mit Erde bedeckt wurde. Worüber oder worauf hätte man hier das Tuch also legen sollen? „Super sepulcrum“ kann deshalb nur bedeuten: auf die offene Steinbank der Felsnische und damit natürlich direkt auf und nicht unter den Leichnam und zwar – wie könnte es anders sein – auf Marias Antlitz.

Schließlich folgt noch eine Parallele zur Christusgeschichte. Als die Apostel in Kapitel 87 das Grab noch einmal öffnen, ist Maria bereits in den Himmel aufgenommen worden: „Und als sie hineinsahen, fanden Sie den Leib der Gottesgebärerin nicht und sahen stattdessen die leeren Kleider und das Schweißtuch an einer Stelle zusammengerollt abgelegt.“ An dieser Stelle benutzen das georgische Original (sudari) und der Übersetzer van Esbroek (sudarium) das entsprechende Wort für Schweißtuch.

Natürlich springt hier die Analogie zur Auffindung der Grabtücher Christi durch Johannes und Petrus im Evangelium des Johannes geradezu in die Augen. Der Bericht lehnt sich hier ebenso an das Auferstehungsgeschehen des Herrn an wie die römische Liturgie vom Fest der Aufnahme Mariens ganz offenkundig und sinnfällig die Osternachtsliturgie spiegelt.

Dennoch darf und muss auch gefragt werden, ob es nicht tatsächlich so war. Ob also die Apostel und allen vorweg Johannes, mit dem Maria der Tradition zufolge Jahre lang vor ihrer „Entschlafung“ in Ephesus zusammengelebt hatte, der Gottesmutter jenes kostbare Schweißtuch auf das Antlitz legten, das sie so innig und betend verehrt hatte? Jenes Schweißtuch, das zuvor schon von unbekannten Händen auf das Antlitz des toten Herrn gelegt wurde – an jenem ersten Karfreitag in seinem Grab am Fuß des Golgatha.

Das wollen wir uns also gern vorstellen: Das Bild des Erlösers wird auf Marias Antlitz gelegt und führt sie ins ewige Leben, als ob der auf dem Schweißtuch festgehaltene erste Atemzug Jesu Maria gleichsam in einer übernatürlichen Mund-zu-Mund-Beatmung ewiges Leben eingehaucht hätte. Auch wenn der Autor Einzelheiten des Grabes nicht gekannt hat, ist es sehr wohl möglich, dass er aus der Überlieferung die richtigen Schlüsse gezogen hat: Wenn Maria das Schweißtuch Christi verehrt hat, dann war es auch die natürliche Grabbeigabe der Apostel für die Gottesmutter – quasi als himmlisch-materielle Klammer der Auferstehung Christi mit der letzten am 1. November 1950 unter Pius XII erklärten Glaubenswahrheit der katholischen Kirche von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.

Das ist eigentlich zu schön, um wahr zu sein – und entspricht damit doch fast vollkommen der unglaublichen Schönheit des Evangeliums von der Menschwerdung Gottes im Leib der Jungfrau und Gottesgebärerin.

Was geschah aber danach mit dem Tuch? Der Transitus berichtet, dass die Apostel es im leeren Mariengrab belassen wollten (Kapitel 92). Lange wird es dort kaum geblieben sein. Denn wenn wir Mariens Tod mit vielen guten Gründen um das Apostelkonzil 50 nach Christus ansetzen, so ist auch sicher, dass sehr schnell danach eine noch schärfere Verfolgung der Urgemeinde durch den hohen Rat und die Hohepriester begann. Ein Tuchbild des Herrn im Mariengrab hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichtet.

Wir dürfen also vermuten, dass der Überlieferung zu trauen ist, der zufolge der Apostel Judas Thaddäus den heiligen Schleier als Verwandter und Erbe Marias bald nach deren Tod nach Edessa in Sicherheit brachte, wo er mit dem Grabtuch Christi zusammen erstmals seit den Tagen der Urgemeinde bezeugt wurde: als ein nicht von Menschenhand gemachtes Bild vom Antlitz des Herrn. Doch erst heute wissen wir, dass es in Muschelseide eingeprägt war, in einem Material, das sich gar nicht bemalen lässt.

Es ist ein gewaltiger Bilderschatz, den uns der altgeorgische Transitus-Text überliefert. Sehr wahrscheinlich gibt es noch weitere Entdeckungen in altgeorgischen Handschriften zu machen, die dafür aber erstmals aus dem Original ins Deutsche übersetzt werden müssten: Translators to the front!

Erstveröffentlichung im VATICAN Magazin. Erschienen bei CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung.

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