Was geschah am allerersten Advent; jenen Tagen im Heiligen Land? Die Kindheitsgeschichte des Lukas erzählt es uns. Maria befand sich in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft und hatte sich zusammen mit Joseph zur Volkszählung aufgemacht. Es war eine beschwerliche, aber letztendlich auch glückliche Reise, die nach Bethlehem führte, wo Maria im Stall den Erlöser gebar: Der ewige Gott ist Mensch geworden! Freudige Erwartung und Erfüllung. 

Was geschah im Advent in den Jahrhunderten und Jahrtausenden danach? Ebenso wie die schwangere Maria die Reise nach Bethlehem, erlebten die Menschen den beginnenden Winter als beschwerliche Zeit, wo man in spärlich beheizten und beleuchteten Stuben tatenlos auf die absterbende Natur sah und wusste, dass man in den kommenden Monaten von dem leben musste, was die Ernte eingebracht und die Herrschenden übriggelassen hatten. Eine Zeit aber auch, wo man sich auf "Weihnachten" vorbereitete, jener Nacht, in der auf der gefrorenen und verschneiten Erde ein Licht erschien und seitdem auch in die dunkelsten Ecken leuchtet. Diese Vorbereitung bestand aus Besinnung, Buße und Umkehr, damit man den Herrn würdig empfangen und neu anfangen konnte. Die liturgische Farbe der Adventszeit ist deswegen violett, wie auch die Fastenzeit.

Advent heute: Was diese Zeit vor Weihnachten bedeutet, haben die meisten von uns vergessen. Wir leben im vorweihnachtlichen Konsumrausch, bedienen uns in den gefüllten Regalen der Supermärkte mit Schokolade, Lebkuchen und Gebäck und genießen Braten und Klöße. Ich nehme mich davon gar nicht aus. Es kostet schon eine gewaltige Anstrengung, im Konsum-Getriebe der schönen, neuen Welt wenigstens kurz innezuhalten und sich vorzubereiten auf die Ankunft des Herren.  

Adventus Domini! Ankunft des Herren! Was bedeutet das eigentlich für einen Christen? Hören wir dazu Papst Benedikt XVI. in seiner Predigt zur Vesper des ersten Adventssonntags 2010. Da weist uns der Papst darauf hin, dass wir nicht nur der ersten Ankunft des Herrn – seiner Menschwerdung in Bethlehem – gedenken, sondern eben auch seine zweite Ankunft am Ende der Zeiten erwarten, wo die Kirche mit der Johannesapokalypse ruft: "Komm, Herr Jesus." (22,20). Auch dieser Aspekt der Ankunft war den Menschen früherer Zeiten noch bewusst und eben auch, dass diese Ankunft jederzeit stattfinden konnte. Auch deswegen musste man sich gut vorbereiten.

Benedikt stellte in seiner Predigt dann aber die Menschwerdung Christi in den Mittelpunkt und damit die christliche Überzeugung, dass durch die Menschwerdung Gottes auch jede menschliche Person in ihrer Einzigartigkeit durch Gott hervorgehoben und gewürdigt wird. Indem Jesus in den Wochen vor seiner Geburt noch ungeborenes Leben war, das den besonderen Schutz seiner Eltern benötigte, gehört zu dieser Würde aber auch die Würde des ungeborenen Lebens. Hören wir dazu den deutschen Papst selbst:

"An Jesus Christus glauben heißt auch, einen neuen Blick auf den Menschen zu haben, einen Blick des Vertrauens, der Hoffnung. Im Übrigen bestätigen die Erfahrung und die rechte Vernunft, dass der Mensch Subjekt ist, fähig zu verstehen und zu wollen, seiner selbst bewusst und frei, unwiederholbar und unersetzlich, Höhepunkt der gesamten irdischen Wirklichkeit, der verlangt, als Wert an sich anerkannt zu werden, und der es verdient, immer mit Achtung und Liebe angenommen zu werden. Ihm steht das Recht zu, nicht behandelt zu werden wie ein Objekt, das es zu besitzen gilt, oder wie eine Sache, die man nach Belieben gebrauchen kann, nicht auf ein bloßes Mittel zugunsten anderer und ihrer Interessen reduziert zu werden. Die menschliche Person an sich ist ein Gut, und man muss sich immer um deren ganzheitliche Entfaltung bemühen. Die Liebe zu allen neigt schließlich, wenn sie echt ist, von selbst dazu, zur bevorzugten Aufmerksamkeit für die Schwächsten und Ärmsten zu werden. Auf dieser Linie ist die Sorge der Kirche für das werdende Leben zu sehen, für das verletzlichste, am meisten vom Egoismus der Erwachsenen und der Trübung der Gewissen bedrohte Leben. Die Kirche bekräftigt ohne Unterlass, was das Zweite Vatikanische Konzil gegen die Abtreibung und jede Verletzung des werdenden Lebens gesagt hat: "Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen." Und er zitiert auch Tertullian: "Was erst ein Mensch werden soll, ist schon ein Mensch."

Menschwerdung Gottes, werdendes Leben, Würdigung des Menschen, aber auch Erwartung der zweiten Ankunft, dass alles steckt in dem unscheinbaren Anfang in der Krippe von Bethlehem. Wohl auch unser neuer Anfang, möchte man anfügen, der in uns durch Besinnung und Umkehr gerade in der Adventszeit heranwachsen soll – gerade auch im Hinblick auf die letzten Dinge. Aber noch einmal, es ist so schwierig im Konsumwirbel der Adventstage, im "Jingle Bells" der Weihnachtsindustrie, jene Ruhe der Gedanken zu finden, die uns dieses Werden ermöglicht. In dieser Hinsicht hatten es unsere Vorfahren in ihren kargen Zeiten sicher leichter.

Vielleicht hilft da der Blick auf Maria, die in den hektischen Tagen der Zeitenwende auf dem Weg nach Bethlehem sicher immer wieder die Ruhe fand, den kleinen, noch ungeborenen Jesus in ihrem Leib zu streicheln und mit ihm zu sprechen, ganz leise, wie es jede Mutter tut. Jedes werdende Leben kann uns daran erinnern. Sprechen wir deswegen auch ganz leise mit Jesus, dass er zu uns kommt und uns dabei hilft, zur Ruhe zu kommen und neu anfangen zu können. Und bitten wir Maria, dass sie uns den Weg zeigt, vielleicht mit dem dritten Geheimnis des Freudenreichen Rosenkranzes, wo es heißt:  ... den Du, o Jungfrau, in Bethlehem geboren hast." Denn am Ende allen Werdens kommt Er zu uns und aus dem Warten auf Ihn wird Ewigkeit.

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