Hier in Genf tagte zum 36. Mal der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Aus diesem Anlass organisierten die Dominikaner für Gerechtigkeit und Frieden eine Nebenveranstaltung zum Thema "KI - Künstliche Intelligenz, Gerechtigkeit und Menschenrechte."

Für die Delegation des Heiligen Stuhls in Genf gehört diese Thematik zu den besonders wichtigen.  

In seinen einführenden Bemerkungen ermutigte der Apostolische Nuntius alle Katholiken, sich im Zeitalter von KI näher damit zu beschäftigen, wie dramatisch diese sich auf Fragen rund um die Würde des Menschen auswirke. Auswirkungen auf unsere Würde habe.

Erzbischof Ivan Jurkovič, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, sagte:

"Wir glauben, dass wir vom ersten Augenblick unserer Empfängnis an bis zum letzten Moment unseres Lebens mit menschlicher Würde ausgestattet sind. Es ist ein Teil der Rechte und Pflichten, die die Gesellschaft Allen garantieren muss. Unsere Würde wird uns nicht von der Gesellschaft verliehen, sondern ist ein essentieller Teil unseres Seins von Anbeginn unseres Lebens."

Schwerpunkt der Veranstaltung war künstliche Intelligenz im Bereich des Justizsystems. Wie der Dominikaner-Pater Eric Salobir, Vorsitzender von OPTIC (Predigerorden für Technologie, Information und Kommunikation) betonte:

"Künstliche Intelligenz wird zunehmend im juristischen Bereich eingesetzt, um den Richtet bei seiner Entscheidung zu unterstützen oder sogar selbst manche Entscheidung zu treffen, z.B. einen Verurteilten auf Bewährung freizulassen oder nicht, oder diejenigen Fälle auszuwählen, in denen ein Gericht überhaupt Recht sprechen kann oder nicht. Das wirft eine Reihe neuer Fragen auf, denn es bedeutet, dass die Menschen nicht nur nach ihren eigenen Aussagen beurteilt werden, sondern aufgrund einer riesigen Datenmenge, der Datenmenge, mit der die künstliche Intelligenz gefüttert wird – denn die künstliche Intelligenz braucht für ihre Arbeit sehr viele Daten."

Obwohl es heute noch unklar ist, wie verbreitet solche von Algorithmen und künstlicher Intelligenz getroffenen Entscheidungen im Strafjustizsystem tatsächlich sind – allein die Möglichkeit ihres Einsatzes lässt Bedenken hinsichtlich des Prinzips der Waffengleichheit aufkommen, wie es vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verankert ist. Hierzu gehört das Recht auf eine gerechte Verhandlung, insbesondere auch das Recht auf Annahme der Unschuld bis zum Beweis der Schuld, das Recht, umgehend über den Grund und die Art der Anklage informiert zu werden und das im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerte Recht, sich selbst zu verteidigen.

Während also die zunehmende Nutzung von Algorithmen das Leben heute leichter macht, wirft die Automatisierung in verschiedenen Bereichen eine Menge Fragen auf.

Lorna McGregor, Professorin und Direktorin des Menschenrechtszentrums der Universität Essex, sagte:

"Wir müssen auch die Risiken bedenken, die die KI in Sachen Menschenrechte mit sich bringt. Nicht nur beim Datenschutz, sondern im ganzen Bereich des materiellen Arbeitsrechts. Wir denken zum Beispiel an Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, und den lähmenden Effekt, den künstliche Intelligenz möglicherweise darauf hat. Was wir in der Präventionsphase tun können, ist sicherzustellen, dass die Menschenrechte völlig eingebettet werden. Wie garantieren wir ansonsten bei der Nutzung von KI den Überblick zu behalten?"  

Die Gelehrte warf auch die Frage auf: Könnte eine aufgrund der Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit verursachte Wahrnehmungsverzerrung durch KI zur Norm werden und weniger als bei einer menschlichen Entscheidung als rassistisch motiviert in Frage gestellt werden?

Der Bereich der KI stützt sich auf die Computerwissenschaft, Mathematik, Psychologie und vieles andere. Hier stellt sich die philosophische Frage nach der Natur des Geistes und der Ethik der Erschaffung künstlicher Wesen, die mit einer menschenähnlichen Intelligenz ausgestattet sind.

Der Dominikanerpater Eric Salobir sagte dazu:

"Das alles also, und die Fragen nach Transparenz und Rechenschaft sind Schlüsselinhalte, um sicher sein zu können, dass wir etwas Gutes tun. Dass wir zum Allgemeinwohl arbeiten, wenn wir KI als Hilfe einsetzen oder im System sogar Menschen ersetzen, zum Beispiel Richter."

Menschenrechte für Künstliche Intelligenz?

Hat nicht-menschliche Intelligenz einen Anspruch auf Menschenrechte? Das sei allein schon ein Problem der Begrifflichkeiten, sagte mir Erzbischof Ivan Jurkovič, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf.

"Was Sie ansprechen macht uns Sorgen, und es gibt hier keine schnelle Lösungen. Ich denke, es ist immer noch ein Problem der Terminologie. Es handelt sich zwar um Intelligenz, aber menschlicher Art. Intelligenz die künstlich geschaffen würde und daher zu künstlicher Intelligenz wurde. Sie muss jedoch in jedem Fall immer dazu verwendet werden, bessere menschlichen Entscheidungen zu treffen und helfen, die Lebensqualität für den Menschen zu verbessern."

Pater Salobir sieht hier weitere Herausforderungen auf die Gesellschaft zukommen: "Ich denke, künstliche Intelligenz kann (durchaus) als Lebewesen (Kreatur) betrachtet werden, wenn sie eine Art Selbständigkeit und Ichbewusstsein hat. Davon sind wir aber bis jetzt noch ziemlich weit entfernt."

Doch geht es nicht nur um die Frage der Künstlichen Intelligenz an sich, sondern auch, wie diese den Blick auf den Menschen ändert, auch und gerade, was die geistliche Dimension des Lebens betrifft, ganz zu schweigen von der Privatsphäre, meint Erzbischof Ivan Jurkovič.

"Wir alle, und auch die Katholische Kirche erkennen sehr deutlich die Konsequenz, nämlich dass künstliche Intelligenz uns auch zukünftig begleiten wird. Was wir jetzt tun können, ist das Potential künstlicher Intelligenz zu erkennen, das zum Großteil absolut positiv ist. Abe wir müssen auch darauf achten, besonders den Menschen und die menschliche Persönlichkeit im Bereich der Privatsphäre zu schützen und vor allem auch die Heiligkeit der geistlichen Dimension menschlichen Lebens."

Die Diskussionsrunde war darauf ausgerichtet, einen ethischen Zugang in die Debatte zu ermöglichen und Impulse zum Für und Wider der Anwendung künstlicher Intelligenz im Bereich von Justiz und Menschenrechten in den Raum zu stellen. Außerdem sollte die Debatte das Thema in die UN-Kreise einbringen, weil es ein zentrales Thema ist für die Zukunft der Justiz und der Menschenrechte.

Dieser Beitrag wurde von unserem U.N.-Korrespondenten Christian Peschken in Genf verfasst. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media

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