Rom - Donnerstag, 17. März 2016, 10:20 Uhr.
Nur selten äußert sich der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. in der Öffentlichkeit; noch seltener spricht er dabei über seinen Nachfolger, Franziskus. Dessen pastorale Praxis sei
"ausgedrückt in der Tatsache, dass er stets von Gottes Barmherzigkeit spricht. Es ist die Barmherzigkeit, die uns zu Gott bewegt, während die Gerechtigkeit ihn uns fürchten läßt. Aus meiner Sicht weist dies darauf hin, dass unter der Oberfläche von Gewißheit seiner selbst und seiner Gerechtigkeit der heutige Mensch ein tiefes Wissen um seine Verletzungen und seiner Unwürdigkeit vor Gott verbirgt. Er wartet auf die Barmherzigkeit."
So sagte Papst emeritus Benedikt gegenüber Pater Jacques Servais; das Gespräch wurde im Rahmen einer von Jesuiten organisierten Konferenz im vergangenen Oktober aufgezeichnet. Der nun publizierte Austausch wird auch in Buchform veröffentlicht.
Barmherzigkeit und Religiosität
"Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter für die Gegenwart besonders attraktiv ist. Und das nicht nur, weil dieses stark die soziale Dimension der christlichen Existenz betont, oder weil im Gleichnis vom Samariter, der nichtreligiöse Mensch,als derjenige erscheint, der gegenüber Religionsvertretern sozusage wirklich in Übereinstimmung mit Gott handelt, während die offiziellen Religionsvertreter praktisch immun gegen Gott wurden."
Papst Franziskus handle, so der bayerische Papst emeritus, dabei in Einklang mit seinen Vorgängern - auch und gerade dem heiligen Papst Johannes Paul II. "Es ist sicherlich kein Zufall, dass sein letztes Buch, welches das Licht der Welt kurz vor seinem Tod erblickte, von Gottes Barmherzigkeit spricht".
Das weitreichende Gespräch befasste sich auch mit weiteren Glaubensfragen, der Bewertung des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie dessen Auswirkung auf die Glaubenslehre.