Gott allein! – So lautet der Titel eines neuen Buches über die Spiritualität der Kartäuser. Eigentlich ist es kein Lese-, sondern ein Gebet- und Betrachtungsbuch, das große Texte des Ordens, der wegen seiner Strenge nie reformiert werden musste, vorstellt. Hans Jakob Bürger, der Herausgeber, hat mit Bedacht eine Überschrift gewählt, die wie kaum ein anderes Wort die Seiten seiner Schrift zusammenfasst.

Spontan mag einem der bekannte Wahlspruch der hl. Teresa von Avila einfallen: "Solo Dios. Basta" – "Gott allein genügt!". Er passt zweifellos zu den Mönchen, die nicht nur auf Familie und privates Eigentum verzichtet haben wie alle anderen Ordensleute, sondern als Einsiedler in Gemeinschaft weitgehend auch auf den Trost menschlicher Nähe und die Erholung durch gute Gespräche. Der Film "Die große Stille" hat das beeindruckende Leben dieser vor den Menschen schweigender und nur vor Gott singender Mönche auf die Leinwand gebracht und die ungetrübte Faszination dieses Ordens gezeigt.

Solo Dios. Basta!

Der Titel des Buches "Gott allein" erinnert aber auch an den Wahlspruch des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort, der vor 300 Jahren verstorben ist: Soli Deo – Allein (für) Gott. Hans Jakob Bürger zitiert es – wie der Heilige am Ende seiner Schrift "Das Geheimnis Mariens" – auf der letzten Seite. Ludwig Maria Grignon gilt neben Maximilian Kolbe als einer der größten Marienverehrer der Neuzeit, der mit seinen Schrift wie kaum ein anderer die Weihe an die Mutter Gottes propagiert hat. Sein Motto "Gott allein" macht deutlich, dass alles im christlichen Leben Gott gehören soll – dies aber immer durch Maria. Diese marianische Gesinnung ist zutiefst theozentrisch – und, für manche vielleicht überraschend, der bis heute unversehrt bewahrter Kern der Kartäuserspiritualität.

Im ersten Teil seines Buches präsentiert Hans Jakob Bürger den vollständigen Text des Marianischen Offiziums, also des Stundengebets zu Ehren der Mutter Gottes. Neben den lateinischen Gebeten und Psalmen, die der Struktur des Göttlichen Offiziums, also jenes offiziellen und verpflichtenden Gebetes aller Kleriker und Mönche folgen, findet sich eine schöne deutsche Übersetzung, die es jedem leicht macht, die "Tagzeiten Unserer lieben Frau" zum persönlichen Gebet werden zu lassen. Kartäuser beten – salopp gesagt! – doppelt so viel wie alle anderen. Neben den kanonischen Horen, die sie im Chor gemeinsam singen, beten sie in ihren Zellen das Marianische Offizium. Es ist das liebevolle Gebet zur Mutter – der Orden nennt sie "Mater singolaris", einzigartige Mutter – in der Intimität der kleinen Wohnung, die an Nazareth erinnern mag, mit der der Tag beginnt und endet. Daneben steht der feierliche Kult aller Mönche, die ihrem göttlichen Sohn erwiesen wird.

Mönche, die zwei Stundenbücher haben

Bedauerlicherweise sind die "Kleinen Tagzeiten Unserer lieben Frau", die bis zu den Reformen des Konzils von Trient auch Pflichtgebet der Weltpriester waren, danach vor allem von Laien und Ordensleuten gepflegt wurden, fast vollständig aus der Frömmigkeit verschwunden. Umso dankbarer muss man Hans Jakob Bürger sein, dass er uns diesen wunderbaren Text zur Verfügung stellt, der vielleicht wenigstens an jedem Samstag Teil unserer regelmäßigen Gebete werden könnte. Gerade uns Priester ist der Blick auf die "doppelt betenden" Mönche Ansporn und Ermutigung, das Breviergebet weniger als Last, denn als heilige Pflicht zu sehen, deren Erfüllung Freude schenkt. Göttliches und Marianisches Offizium sind, so kann man diese Begriffe übersetzen, Dienst vor Gott und seiner heiligen Mutter. Genau diesem Dienst in seiner doppelten Gestalt haben sich die Mönche des heiligen Bruno verschrieben.

Es ist erfreulich, dass Hans Jakob Bürger, die ausdruckstarke Geste "veniam nehmen" (von lat. venia, Willfährigkeit) erklärt und, in angemessener Weise, auch den privat betenden Laien und Weltpriestern empfiehlt. Bei bestimmten Worten des Offiziums, kniet der Mönch nieder und küsst den Boden oder den Knieschemel. Er tut dies zum Beispiel immer am Ende des Salve Regina, dem großen Gesang auf die Königin des Himmels, um sich erneut dem Herrn und der Herrin, Jesus und Maria, zur Verfügung zu stellen.

In Gott ruhen

Der zweite Teil in Hans Jakob Bürgers Buch stellt Texte, Gebete und Gedichte des Ordens vor, die in bewegender Weise vom Leben "allein für Gott" sprechen. Die Kartäuser kennen keine besondere Betrachtungstechnik, aber die langen Zeiten der Gebete und des Schweigens führen den Mönch zum inneren Verweilen bei Gott. Das Offizium und das einsame Schweigen sind vielleicht wie zwei Leitplanken links und rechts am Straßenrand, die den Weg anzeigen. Auf diesem Pfad eilt der Kartäuser Gott entgegen. Grund und Ziel dafür ist allein die Liebe. "Von ganzem Herzen an Gott glauben und sich Ihm vorbehaltlos übergeben, das ist das Geheimnis der Liebe. Eine solche Liebe ist nicht selbstsüchtige Sentimentalität, sondern Teilnahme an der unendlichen Liebe Gottes", so ein namentlich nicht genannter Kartäuser, der mit seinen bewegenden, für "Christen in der Welt" verfassten Gedanken, in Bürgers Buch zu Wort kommt. Die von Gebet und Schweigen gefasste Straße, auf der der  Mönch mit schnellem Schritt zu Jesus laufen will, ist Maria. Von ihr sagt ein anderer Kartäuser im Gedicht:

O Maria, liebend brenne

Deine Liebe nun in mir,

dass entflammt ich Jesus kenne,

wie er zärtlich wohnt in Dir.

Je marianischer, umso christlicher

Das Leben der Kartause, deren einziges Ziel es ist, Heilige für den Himmel heranwachsen zu lassen, zeigt die Wahrheit des Wortes "Per Mariam ad Jesum"  -"Durch Maria zu Jesus". Je gottverbundener – Gott allein! – umso marianischer ist das christliche Leben. Nicht mit Worten, sondern mit ihrem stillen Beispiel lehren uns das die Mönche des hl. Bruno.

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Der Wecker der Mönche

Dem wertvollen Buch "Gott allein" von Hans Jakob Bürger ist weiteste Verbreitung zu wünschen; nicht nur unter interessierten Laien, sondern vor allem unter Priestern und Ordensleuten, die in den Herausforderungen des Alltags oft vergessen, was wirklich zählt: schweigend, hörend bei Gott zu sein und seine Gegenwart leidenschaftlich zu lieben, ja zu genießen. Trockenheit im geistlichen Leben ist notwendig, um zu wachsen und zu reifen. Auch Kartäuser kennen sie. Weil sie aber auch wissen, dass Gott – das höchste Gut – es wohl wert ist, glühenden Herzens gesucht zu werden, stehen sie schon vor Mitternacht auf, um bis in die Morgenstunden zu beten. "Gott allein", erschienen im Fe-Verlag, kann für uns geistliche Langschläfer ein nützlicher Wecker sein.

 

Gedicht eines Kartäusers aus dem Buch "Gott allein":

Jesus, bitte sei mein Leben,

all mein Fühlen und mein Streben,

all mein Denken und mein Tun.

 

Durch der Liebe Strom gereinigt,

sei ich ganz mit Dir vereinigt,

immer will ich in Dir ruhn.

 

Jesus, Deines Geistes Gluten,

mögen mich nun ganz durchfluten,

dass ich nichts mehr weiß als Dich.

 

Nichts mehr möge mich betören,

möge unsre Liebe stören,

tief im Grunde ewiglich.

 

Liebster Jesus, meine Sonne,

leuchtend, strahlend, voller Wonne

komm, Geliebter, komme ganz.

 

Lebe noch einmal Dein Leben,

ganz dem Vater hingegeben,

tief in mir durch Gottes Glanz.

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