11 November, 2020 / 6:55 AM
Dieses Buch erzählt die Geschichte einer Frau, die heute ihren 110. Geburtstag gefeiert hätte. Einer Tochter, Katholikin und Gründerfigur als "Mutter Julia", die eigentlich "keine besondere Ausbildung, keine gute Gesundheit und keine materiellen Mittel besaß. Doch in ihrem Herzen brannte ein Feuer – und die Bereitschaft, auf die Vorsehung Gottes zu vertrauen". So schreibt Pater Hermann Geißler in dieser nun erschienen Biographie über Julia Verhaeghe (1910-1997), der Gründerin der geistlichen Gemeinschaft "Das Werk".
Der Priester und Autor hat ihr Leben nicht nur studiert. Als Geistlicher und Mitglied der Familia spiritualis opus (FSO) ist Geißler auch lebendiger Teil der Geschichte der "Entfaltung der geistlichen Familie 'Das Werk'", wie diese Biographie unterschrieben ist. Der Bogen, den der Autor spannt, ist historisch: In vier Abschnitten – und mit Illustrationen bereichert – entfaltet das Buch das Leben und Wirken Verhaeghes, vom "Aufblühen der Gemeinschaft in Belgien" über die "internationale Ausbreitung" im Zug einer Schlüsselbegegnung mit dem sich entwickelnden Gedanken eines vereinten Europas sowie die "Entfaltung des Charismas" bis hin zu den letzten Lebensjahren der Gründerin und die "päpstliche Anerkennung".
In diesem weit gespannten Bogen also, vom Aufblühen in den 1950er Jahren erst als "Pia Unio" in der Diözese Tournai bis hin zu den letzten Lebensjahren Verhaeghes im Kloster Thalbach, ist für den interessierten Leser sowohl die "Innenperspektive" auf diese Gemeinschaft und ihre Gründerin zu entdecken als auch ein ganzes Sittenbild in der "Außenperspektive": Hier wird eine Zeitgeschichte europäischer, katholischer Kultur im 20. Jahrhundert pars pro toto erzählt, die vor allem Entwicklungen rund um die "Aufbrüche" der Moderne und den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils schildern – anhand des Lebens einer bemerkenswerten Frau. Dabei blendet Geißler auch nicht kritische Momente im Leben der Gründerin aus, etwa Vorwürfe und Verleumdungen gegen das "Werk" ebenso wie innerkirchliche Konflikte und die Auswirkungen gesellschaftlicher Spannungen, etwa in den 1968er Jahren.
Eine dritte Perspektive ist die Innerlichkeit, die Pater Geißler als eine Art "katholischen Horizont" entwickelt, vor dem eine Frau wie Verhaeghe ihr eigenes Gottesverhältnis sowie dann ihre Beziehung zur Gemeinschaft wie gegenüber Welt und Gesellschaft entfaltet. Er schildert immer wieder, wie die "besondere Gabe" eines durchdringenden Blicks auf "das eigene Leben sowie auf Entwicklungen um sie herum" durch Visionen als "prophetische Begabung" wie restlose Hingabe an Gott zum Ausdruck kamen. So entsteht das Bild einer Frau mit Weitblick und offenen Augen für äußere Realitäten, die immer redlich bemüht war, diese aus katholischer Sicht in ein gesundes Verhältnis zu Gott zu setzen.
Als solche schildert "Mutter Julia" im Vorwort auch Kardinal Mario Zenari, Apostolischer Nuntius in Syrien. Er schreibt über seine persönliche Begegnung mit Julia Verhaeghe im Jahr 1994: "Sie gab mir den Eindruck einer Person, die auf die Zeichen der Zeit achtete, ganz dem Herrn geweiht war und, mit besonderen Gnaden ausgestattet, als geistliche Mutter sich vorbehaltlos für die Kirche und für die Menschen hingab". Zenari wünscht den Lesern, dass "sie in Mutter Julia einer Person begegnen, die nichts anderes als Zeugin von Gottes Gnadenwirken, Tochter der Kirche und Dienerin der Einheit in der Liebe und in der Wahrheit sein wollte".
Hermann Geißler FSO, "Sie diente der Kirche" ist im Fe-Medienverlag erschienen und hat 288 Seiten.
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