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Ein Gott- und Menschensucher zugleich

Ulrich Winkler vor dem Studienhaus "Beit Josef" des Theologischen Studienjahrs in Jerusalem.
Professor Ulrich Winkler (links) und Pater Nikodemus Schnabel vor dem Theologischen Studienjahr Jerusalem
Das Haus in Jerusalem
Die Dormitio Abtei auf dem Gipfel des Zion, neben und über dem "Coenaculum", dem Abendmahlssaal Christi

Ulrich Winkler war eine Ausnahmeerscheinung: ein Gelehrter und wahrhafter Gott- und Menschensucher zugleich. Selten habe ich einen Menschen mit so viel Leidenschaft und fast unerschöpflicher Energie erlebt, wenn es darum ging, sich in eine Sache einzuarbeiten, die er für essentiell erachtete – und selten habe ich einen Menschen erlebt, der sich so viele Gedanken gemacht hat, was seine Gottesbeziehung und die Beziehung zu seinen Mitmenschen betrifft. Ich kannte Ulrich ausschließlich als einen unermüdlich Ringenden und Nachdenkenden, dem nichts und vor allem niemand egal war. Er schien mir wie ein Mensch, der ohne schützenden Panzer durchs Leben ging: Dadurch war es leider leicht, ihn zu verletzen, aber dadurch war er aber auch hochsensibel für Spannungen und Fragen, die im Raum lagen. Seien es seine Vorlesungen oder Vorträge, seine Publikationen oder Notizen oder seien es die Begegnungen und Gespräche mit ihm: Alles war immer intensiv und mit viel Herzblut, niemals einfach nur lieblos erledigt. Mit ihm zu tun zu haben, bedeutete echte Begegnung.

Unserer Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg und dem Theologischen Studienjahr Jerusalem war er fast vier Jahrzehnte verbunden. 1982 führte ihn sein Weg zum ersten Mal in die Heilige Stadt, und zwar als Student unseres Studienjahrs – wie auch seine spätere Frau Ute, welche als evangelische Theologiestudentin im selben Studienjahr war. Die beiden lernten sich in Jerusalem lieben und legten dort den Grundstein für ihre langjährige konfessionsverbindende Beziehung und Ehe. Als er von 2016 bis 2019 zum Dekan des Theologischen Studienjahrs berufen wurde und damit auch zugleich Inhaber des Laurentius-Klein-Lehrstuhls für Biblische und Ökumenische Theologie wurde, war dies für ihn und seine Familie ein "back to the roots". Achtend und aufbauend auf dem Bewährten dachte er unser Programm weiter: Sein großes Ziel war es, die Studierenden des Studienjahrs möglichst vielseitig sprachfähig zu machen und sie dabei zu unterstützen, nicht nur theologisch-intellektuell zu wachsen, sondern auch spirituell-menschlich zu reifen. Und wenn er für diese Zielsetzung etwas als wichtig erachtete, so konnte er hierfür kämpfen wie ein Löwe: Genannt seien nur sein Einsatz, den Studierenden erstmals auch die Auseinandersetzung mit Dozierenden aus nicht-europäischen Ländern zu ermöglichen oder die Weitung der vormaligen Kreuzfahrerexkursion hin zu einer muslimisch-christlichen Mittelalterexkursion oder auch seine generellen, bewundernswerten Fähigkeiten als Fundraiser für unser Studienprogramm. 

Ein wichtiges Charakteristikum, was all sein Arbeiten und Tun prägte, war seine Liebe zum Dialog: Sei es als Theologe, den sowohl eine "Theologie der Religionen" als auch die Ökumenische Theologie intensiv beschäftigte, den interkulturelle Fragestellungen genauso umtrieben wie das Zueinander von Politik und Religion. Sei es aber auch im Zwischenmenschlichen: Unvergesslich wird bleiben, wie er aktiv das Gespräch mit der Nachbarschaft suchte, die unserer Abtei misstrauisch bis feindselig gegenüberstand. Überhaupt war er ein begnadeter Brückenbauer zu den verschiedensten Menschen im Heiligen Land, zu Juden, Christen und Muslimen, zu Israelis und Palästinensern. Er glaubte an den Dialog und konnte es nur schwer ertragen, wenn jemand den Dialog verweigerte. Diese klare aufrechte Haltung machte ihm nicht nur Freunde, zeugte aber von seiner menschlichen Größe und letztlich auch von seinem tiefen Glauben und Gottvertrauen, dass Versöhnung und Neuanfang immer möglich seien. Ich weiß von nicht wenigen der über 60 Studierenden, die Ulrich in seinen drei Studienjahren als Dekan begleiten durfte, dass sie nach ihrem Studienjahr genau das an Ulrich am meisten geschätzt haben. Ähnliches weiß ich auch von unserem Pater Simeon, der Ulrich in seinen drei Dekansjahren als Studienpräfekt unterstützt hat.

Als Ulrich im Sommer 2019 seine Zeit als Dekan beendet hatte, ließ unser Abt Bernhard Maria für ihn eine Replik von einem der Engel aus der Grabkammer der Grabes- und Auferstehungskirche anfertigen. Als Delegierter der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo Rom und unserer Abtei durfte ich sie ihm damals als Erinnerung übergeben. Ich konnte da noch nicht wissen, dass ich ihm damals einen Begleiter für seinen beginnenden letzten Weg überreicht habe. Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, lieber Ulrich, und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem!     

Pater Dr. Nikodemus C. Schnabel OSB für die Dormitio-Abtei, Jerusalem

 

 

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