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Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit

Szene der Französischen Revolution: Ausschnitt eines Gemäldes von Jean-Joseph Weerts des Jahres 1880

Papst Franziskus hat in der Enzyklika Fratelli tutti ein Kapitel unter die Überschrift „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ gestellt und sich damit auf den Slogan der Französischen Revolution von 1789 nicht nur bezogen, sondern sich diesen auch zu Eigen gemacht. Es ist die Losung, derentwillen über 200.000 Personen durch die Guillotine ihr Leben verloren haben und derentwillen gerade römisch-katholische Priester inhaftiert und getötet wurden. Durch die Enthauptungen wurden viele Märtyrer geboren – Glaubenszeugen, die für ihren Glauben an Gott den Allmächtigen ihr Leben haben opfern müssen. Durch die Französische Revolution sollte aber nicht nur die französische Elite ausgelöscht und sollte nicht nur die französische Römisch-Katholische Kirche zerstört werden, es sollte vornehmlich Gott unter der Guillotine seinen Tod finden. Im Namen des revolutionären Slogans wurde in der Pariser Kathedrale Notre Dame, der Hauptkirche Frankreichs, eine junge, hübsche Frau, die sich lasziv auf dem konsekrierten Altar rekeln durfte, als Göttin der Vernunft angebetet, um die Verachtung Gott gegenüber vor aller Welt aufzeigen zu können.

Um die Negierung Gottes nicht nur durch Gesten und Enthauptungen zu dokumentieren, wurde die Kirche auch ihres Vermögens beraubt. Sämtliche Kirchengebäude und kirchliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Altenheime wurden entschädigungslos enteignet. Bösartig könnte man aus der Enzyklika zitieren, dass ja die Güter der Reichen den Armen gehören sollen, wie es Johannes Chrysostomos und Gregor der Große proklamiert haben und was Franziskus als eigene Meinung erklärt hat. Die reiche Kirche hatte ihr Vermögen verloren und war dadurch nicht mehr reich. Es war eine politische Entscheidung, die die Kirche ihrer wirtschaftlichen Grundlage berauben sollte, um sie zu zerstören. Es ist eine Entscheidung, die der französische Staat inzwischen bereut, denn er muss jetzt über 45.000 kirchliche Gebäude, darunter 87 Kathedralen, unterhalten, obwohl der Staat das konfiszierte Vermögen der Kirche, das zur Unterhaltung der Kirchen diente, längst verbraucht hat.

In dem revolutionären Slogan von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbirgt sich eine Einstellung, die der christlichen Auffassung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit entgegengesetzt ist. Wenn Franziskus von Brüderlichkeit oder – modernistisch, entgegen der Wortwahl der Bibel – von Geschwisterlichkeit spricht, meint er, dass alle Menschen Kinder Gottes seien – alle Menschen, unabhängig von ihrem Glauben, Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, um einige Kriterien zu nennen. Allerdings: Brüderlichkeit im Sinne der Definition seitens der französischen Revolutionäre hatte mit der christlichen Bedeutung nichts zu tun, aber auch wirklich gar nichts. Unabhängig davon, dass die Enthauptung von 200.000 Personen wenig mit Brüderlichkeit zu tun hat, selbst wenn diese als Kollateralschäden abgetan werden, um die vermeintlich gute Idee durchsetzen zu können, wurde vielmehr durch den Allgemeinen Willen, die volonté générale, wie ihn Jean Jacques Rousseau gedacht hat, festgelegt, wer als Bruder eingestuft werden darf und wer deshalb das Recht hatte, nicht auf der Guillotine enthauptet zu werden. Als Bruder wurde nur derjenige angesehen, der die revolutionären Ideen teilte oder wer nicht mit falschen Anschuldigungen denunziert wurde. Enthauptet wurden die Gegner der Revolution zuerst auf der Place de la Republique. Doch der Hinrichtungsplatz wurde später auf die Place de la Concorde, auf den Platz der concordia, also auf den Platz der Eintracht, wie es verharmlosend und vor allen Dingen camouflierend heißt, verlegt, da sich die Anwohner über den Gestank verfaulten Blutes beschwert hatten. Wie die tiefgläubigen, romtreuen Katholiken aus der Vendée von den Revolutionären im Namen der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit massenhaft niedergemetzelt wurden, kann als bekannt vorausgesetzt werden.

Der Allgemeine Wille, der dann zur Grundlage eines gültigen Gesellschaftsvertrages wurde, war nicht der Wille der Allgemeinheit. Deren Wille wurde nur als die Summe von Partikularinteressen verworfen, da er nicht die Interessen des Staates und seiner Elite wiedergeben könne. Der Staat selbst müsse deshalb eben diesen Willen festlegen, der in seinem Interesse stehe, so Rousseau. Nur dem Staat, vertreten durch eine politische Elite, wurde die Fähigkeit attestiert, das Gesamtinteresse denken zu können und dann auch zu exekutieren. Nur dieser Allgemeine Wille, der heute als Political Correctness bezeichnet wird, nur er, soll angeblich den wahren und richtigen Willen des Volkes wiedergeben. Demgegenüber wurden die Geistlichkeit und viele Gegner der Revolution nicht als Teil der neuen französischen Gesellschaft, die aus der Revolution hervorgehen sollte, angesehen. So hat man ihnen kurzerhand die Brüderlichkeit abgesprochen und sie im Namen der revolutionären „Brüderlichkeit“ enthauptet.

Kommen wir nun zu den Begriffen „Freiheit“ und „Gleichheit“. Es sind zwei Begriffe, die sich gegenseitig bedingen und folglich sogar ausschließen können. Die absolute Freiheit kann nur auf Kosten der Gleichheit erreicht werden, und Gleiches gilt für das Verhältnis von Gleichheit zur Freiheit. Je mehr Gleichheit gewollt ist, desto weniger Freiheit kann eingeräumt werden. Freiheit und Gleichheit werden als Grund- und Menschenrechte angesehen. Beide stehen nebeneinander. Deshalb muss zwischen diesen beiden Rechten ein Ausgleich gefunden werden, der nach Konrad Hesse im Staats- und Verfassungsrecht als „Praktische Konkordanz“ bezeichnet wird. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Freiheit, als auch die Gleichheit eingeschränkt werden müssen, um wirken zu können. In wieweit das jeweilige Menschenrecht zu Lasten des jeweils anderen beschnitten wird, hängt von der politischen Ausrichtung der Politiker oder der Richter ab. In der Vorstellungswelt der Jünger von Karl Marx wird die Freiheit zu Gunsten der Gleichheit gekürzt, in der liberalen wird der Freiheit mehr Raum zu Lasten der Gleichheit gewährt.

In der Déclaration des Droits de l´Homme et du Citoyen von 1789, in der französischen Erklärung der Männer- und der Bürgerrechte, die dann später in die der Menschen- und Bürgerrechte uminterpretiert wurde, ist festgelegt worden, wem diese Rechte zustehen. Anfänglich standen diese Rechte, wie es die in den USA lehrende Völkerrechtlerin Rita Maron herausgearbeitet hat, nur französischen Staatsbürgern männlichen Geschlechts, die Christen und Kaukasier waren, also weißen und christlichen französischen Männern zu. Erst später wurden die Rechte auf weiße und christliche französische Frauen ausgedehnt, wobei „christlich“ nicht bedeutet, dass man im christlichen Glauben stehen müsse, sondern nur als Abgrenzung zu anderen religiösen Traditionen wie vornehmlich gegenüber dem Islam und afrikanischen Naturreligionen, da diese Religionen in den Gebieten auftraten, die in Eroberungskriegen als Kolonien annektiert worden waren.

Dadurch, dass die Rechte durch den Allgemeinen Willen und dann durch einen Gesellschaftsvertrag zugewiesen wurden, setzte sich die aus der Revolution heraus promulgierte Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 vom christlichen Begründungsmodell ab. Im Christentum verfügt jeder Mensch über die Menschen- und Bürgerrechte, sie werden als intrinsisch gedacht. Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 ist nach wie vor Teil der aktuellen Verfassung der Fünften Französischen Republik, so dass an sich auch noch heute durch den Allgemeinen Willen festgelegt werden könnte, wer Inhaber dieser Rechte sein dürfe. Allerdings wurde inzwischen die französische Rechtsbegründung durch die europäische Gesetzgebung außer Kraft gesetzt. Im französischen Algerienkrieg freilich galt noch die ursprüngliche Rechtsbegründung. Deshalb wurden die staatlicherseits angeordneten massenhaften Folterungen der muslimischen Bevölkerung sowie der vom Staat gebilligten massenhaften Vergewaltigungen von muslimischen Frauen auch nicht als Menschenrechtsverletzungen angesehen, wie es Frantz Fanon der Welt aufgegeben hat, schließlich könne keine Rechtsverletzung gegeben sein, wenn kein Recht vorliege. Allerdings: Auch in Frankreich werden inzwischen die Menschen- und Grundrechte jeder Person, ob Staatsbürger oder nicht, zugebilligt.

Wenn man sich also den historischen Hintergrund des revolutionären Slogans von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit vor Augen führt, stellt sich zwangsläufig die Frage, was Franziskus mit diesem Zitat bezweckt. Dass der Papst sich für die weltweite Geltung der Menschen- und Bürgerrechte einsetzt, ist lobesam, allerdings sogar verpflichtend, doch wird dieser Einsatz konterkariert, wenn er sich hierbei auf ein revolutionäres Diktum stützt, das ja gerade nicht die allgemeine Geltung von Menschenrechten eingefordert hat. Vielleicht gingen er und seine Mitarbeiter davon aus, dass sich kaum jemand des Ursprungs dieses Kampfbegriffes erinnert oder wollten sie sich vielleicht dem genius temporis andienen, da dieser die revolutionäre Rechtsbegründung als letztgültige Begründung der Menschenrechte vorgibt, vielleicht wollten sie aber auch dokumentieren, dass die Forderungen mit Schärfe durchgesetzt werden müssten, allerdings ohne sich der Guillotine zu bedienen. Wir wissen es nicht.

Hätte sich Franziskus aber auf den Florentiner Dominikaner-Mönch und bedeutenden Humanisten der Renaissance Giovanni Pico della Mirandola und, wie es der Staatsrechtler und ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichtes Josef Isensee herausgearbeitet hat, auf dessen erstmalige Formulierung von intrinsischen Menschenrechten bezogen, hätte er eine Rechtsbegründung zitieren können, die sich aus dem Christentum und der Bibel herleitet. In der „Rede über die Würde des Menschen“ führt Pico aus, dass Gott den Menschen von allen Einschränkungen befreit habe und dass dieser nur dem eigenen freien Willen unterworfen sei, so dass er selbst seine Natur bestimmen könne. Gott denkt somit den Menschen als Schöpfer seiner selbst. Diese Ebenbildlichkeit ist folglich – so U. di Fabio – „der nicht hintergehbare Urgrund der modernen Vorstellung von Freiheit aus der Würde des einzigen gottesebenbildlichen Geschöpfes“ und sie impliziert, dass diese Würde ausnahmslos jedem Menschen zusteht. Da alle Menschen als imago Dei, als Ebenbild Gottes, angesehen werden, können auch alle über diese Rechte verfügen – unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder Hautfarbe.

Hinweis: Dieser Essay – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – ist kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.   

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