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"Zum Altare Gottes will ich treten..."

Das Petrusgrab liegt unterhalb des Papstaltars des Petersdoms in den Vatikanischen Grotten
Alte Altarplatte uber dem Sarkophag des heiligen Apostels Paulus
St. Paul vor den Mauern
Der lichtdurchflutete Petersdom mit Reliquien zahlreicher Heiligen am Hochfest Allerheiligen, 1. November 2020.

Ausgerechnet am 12. März, dem traditionellen Gedenktag des heiligen Papstes und Kirchenlehrers Gregor des Großen, wurden durch einen kurialen Verwaltungsakt die individuell zelebrierten Messen im Petersdom abgeschafft. Stattdessen werden künftig nur Konzelebrationen an drei ausgewählten „Volksaltären“ möglich sein. Damit bricht die vatikanische Administration mit einer fast zweitausendjährigen Tradition, die für die Stadt Rom charakteristisch war und ihre Bedeutung als höchstrangige Pilgerstätte der Christenheit begründete, nämlich die Zelebration der heiligen Messe auf den Gräbern der Apostel, der heiligen Päpste und der Glaubenszeugen aller Jahrhunderte.

Schon um 400 nach Christus regte sich Widerstand gegen diesen Brauch, als ein gewisser Priester Vigilantius Anstoß daran nahm, die heilige Messe, die ja den Weg zum Leben bereiten sollte, auf den Leichen von Verstorbenen zu feiern. Kein Geringerer als der heilige Hieronymus wies den Kritiker in die Schranken, indem er ihn daran erinnerte, dass selbst die Päpste die Gräber der Apostel Petrus und Paulus seit je als Altar für die heilige Messe verwendeten. Etwa um die gleiche Zeit erklärte der heilige Paulinus von Nola seinem Freund Sulpicius Severus, der sich mit der Bitte um Ratschläge für den Bau einer Kirche an ihn gewandt hatte, dass die heiligen Gebeine unter dem Altar gleichsam einen Duft der Seele des Heiligen ausströmen, der sich mit dem göttlichen Opfer verbindet, das in den reinen Gaben gottesfürchtig auf dem Altar dargebracht wird. Die Gebete am Altar werden sozusagen von einer doppelten Gnade geheiligt, die unten von dem Märtyrer im Grab und oben von den heiligen Worten und Handlungen des Priesters ausgeht.

Mit der Möglichkeit der freien Religionsausübung unter Kaiser Konstantin festigte sich in Rom der schon vorher praktizierte Brauch der Prozessionen zu den Grabstätten der Apostel und Blutzeugen im Umland. Aus diesen regelmäßigen Wallfahrten entwickelten sich später die Stationsgottesdienste, bei denen der Papst vor allem während der Fastenzeit von Kirche zu Kirche zog, um die heilige Messe täglich irgendwo anders zu zelebrieren. Wegen der zunehmenden feindlichen Angriffe auf die Stadt fanden diese Umzüge mehr und mehr innerhalb der Stadtmauern statt und wurden in den Stadtkirchen sowie meist auf Sarkophag-Altären gefeiert. Der Beginn des österlichen Zyklus der Stationsgottesdienste scheint noch auf die Ursprünge dieser Gewohnheit hinzudeuten, wenn die Vorfastenzeit am Sonntag Septuagesima in Sankt Laurentius vor den Mauern eröffnet wird, dann in Sankt Paul vor den Mauern und in Sankt Peter – also bei den drei Stadtpatronen Roms: Petrus, Paulus und Laurentius – Halt macht und schließlich zum ersten Fastensonntag in der Laterankathedrale Einzug hält. Im 6. Jahrhundert wurde zur Errichtung der Laurentius-Basilika ein Teil der Katakombe abgetragen, in der sich das Grab des Heiligen befand; so konnte der Hauptaltar dem heiligen Erzmärtyrer Laurentius möglichst nahe sein. Eine Muster-Stationskirche stellte aber wohl Sankt Paul vor den Mauern dar. Hier wurde, wie der Archäologe Giorgio Filippi durch Grabungen vor etwa zwanzig Jahren nachweisen konnte, das Messopfer ursprünglich direkt auf dem Sarkophag gefeiert. Die gewaltige Basilika wurde sozusagen um den zentralen Grabaltar herum errichtet. Einen Hinweis auf diese zentrale Bedeutung des Altars in Sankt Paul gibt auch die alte Stationsliturgie für den Sonntag Sexagesima, wenn sie im Kommunionvers den Psalm 43,4 zitiert: „Zum Altare Gottes will ich treten; zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf“. In neuerer Zeit wurde vor dem höher liegenden Papstaltar mit seinem mittelalterlichen Baldachin in der Confessio ein kleinerer Altar errichtet, der dem antiken Sarkophag näher war. Leider wurde dieser speziell für die Einzelzelebration pilgernder Priester vorgesehene Altar nach der Liturgiereform beseitigt.

Der Priester Hans Steffens beschreibt den Eindruck, den dieser Altar machte, in seinem Buch „An liturgischen Quellen – eine Wallfahrt durch die Stationskirchen“ (1952): „Ich zelebriere in der Confessio vor dem Grab des Apostels. Hier muss man heute [am Sonntag Sexagesima] stehen. Die Texte der heiligen Messe sind zusammengestellt wie zu einer Festmesse des Apostels. … Andere Märtyrer- und Apostelgräber der Heiligen Stadt liegen in dunkel-engen Nischen, in tiefen matt-schattigen Krypten, in Unterkirchen von geheimnisvollem Halbdunkel. Das Grab in Sankt Paul hat offene Weite, teilnehmend an der Raumweite der ganzen Basilika … Den Geist des Paulus kann man nicht einfassen und einengen“.

Was an Sankt Paul vor den Mauern besonders deutlich wird, ist allerdings auch in den Basiliken von Sankt Peter und Sankt Laurentius sichtbar: die Nähe des Altars zum Grab. Es ist, als wollte man die Gemeinschaft der Heiligen mit den die heilige Messe feiernden Priestern und Gläubigen unterstreichen. Wenn wir beten, und besonders, wenn wir die heilige Messe feiern, sind wir eingetaucht in den Strom der heiligen Beter, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für die Anliegen der Einzelnen wie der ganzen Welt eintreten und so die Gemeinschaft des mystischen Leibs Christi bilden. Und die Verehrung der Heiligen, auch gerade im Rahmen der heiligen Messe, zieht uns näher zu Christus, den einzigen Mittler zwischen den Menschen und Gott. Dieser heilige Brauch sollte in Rom weiterhin möglich sein! 

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des VATICAN-MAGAZINS.

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Hinweis: Dieser Meinungsbeitrag – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – sind kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.   

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