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"Lebendiges Licht": Die Engel und Hildegard von Bingen

Angel Peak in Neu Mexiko.
Engel. Ausschnitt des berühmten von Hubert und Jan van Eyck, fertiggestellt 1432.
St. Hildegard von Bingen (1098-1179): Liniengravur von W. Marshall.
Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn. (Joh 1, 51)

»Als Gott sprach, ›es werde Licht‹, entstand das geistige Licht, das sind die Engel!« (Hl. Hildegard von Bingen)

„Wenn man heute Engel ins Gespräch bringt, sind es zwei Reaktionen, die fast immer sofort zu spüren sind: vorsichtige Distanz und sehnsuchtsvolle Nähe.“ In ihrem neuen Buch „Lebendiges Licht“ befasst sich Dr. Barbara Stühlmeyer mit Engeln. Genauer beschreibt ihre Arbeit der Untertitel: „Die Engel als Wegweiser zum Sinn in der Schau Hildegards von Bingen“. 

Der September gilt in der katholischen Kirche seit jeher als der Engel- oder Schutzengelmonat. Nach dem derzeitigen Heiligenkalender begeht sie am 29. September das Fest der drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael. Bistümer und Kirchengemeinden feiern eigene Gedenktage zu Ehren der Engel. Am 2. Oktober folgt noch ein eigenes Schutzengelfest.

Engel sind die Boten Gottes für die Menschen. Sie sind Schutzengel und von Gott dazu beauftragt, sie vor Unheil zu bewahren. Jeder Mensch erfährt durch seinen Schutzengel Gottes Segen, er ist sein Begleiter am Tag und in der Nacht und wird niemals von ihm verlassen.

Aber kennen wir unseren Schutzengel und kennen wir die Engel? Sind sie uns schon einmal begegnet? „Einen Engel wahrzunehmen ist eine besondere Erfahrung“.

Stühlmeyer beschreibt mit der hl. Hildegard sicher nicht jene „niedlichen, bisweilen süßlichen“ Bilder oder Figuren, die in verschiedensten Läden, sogar in Klosterbuchhandlungen, zu finden sind. Vielmehr identifiziert sie sich mit der hl. Hildegard, für die Engel ein „Schlüssel zum Verständnis der Schöpfung“ sind. „Engel lassen uns begreifen, was die Welt im Innersten zusammenhält.“

Für Hildegard sind Engel „keine Kopfsache“, sondern wirkliche Wesen, die die Menschen begleiten. In ihrer Existenz gelten sie ihr als „Brüder“, denen sie durch einen gemeinsamen Vater verbunden ist. Im Bewusstsein dieser Wirklichkeit, gibt es eine lebendige Beziehung, die Auswirkungen hat, wie Hildegard selbst lebt, ihre Aufgaben als Äbtissin ausübt und die Welt sieht.

Hildegard gilt sowohl als Seherin als auch als Universalgelehrte. Während Esoteriker ihr in vielen Ansichten folgen, sind Christen zurückhaltend, besonders wenn es um etwas geht, das sie nicht greifen und verstehen können. Dennoch ist die schauende Heilige eine Kirchenlehrerin. Auch für sie sind die Engel „von Natur aus unsichtbar“. Doch manchmal sah sie die Engel „in ihrer lichten Gestalt“: 

»Ich aber sah während dieser Tage in einer wahrhaften Schau eine große, nach menschlichem Ermessen unzählbare Schar von Engeln aus der Heerschar des heiligen Michael, die mit dem alten Drachen gekämpft hatten.«

Der vertraute Umgang mit den Engeln, insbesondere mit dem je eigenen Schutzengel, war bis vor 50, 60 Jahren nicht ungewöhnlich für Katholiken. Sowohl Päpste, die oft über Engel gesprochen haben, als auch zahlreiche Heilige kommen erklärend und aufmunternd in dem Buch zu Wort.

»Mit den Engeln musst Du ganz besonders vertraut sein. Betrachte sie oft, wie sie in deinem Leben unsichtbar zur Seite stehen! Liebe und verehre den Schutzengel deines Bistums, die Schutzengel der Menschen, mit denen du zusammenlebst, besonders aber deinen eigenen! Bete oft zu ihnen, preise sie, nimm ihren Beistand in Anspruch in deinen geistlichen und zeitlichen Anliegen, damit sie nach deinen Wünschen mit dir wirken!« (Franz von Sales, Philothea) 

Die Autorin gibt neben dem Einblick in die Engellehre Hildegards auch einen Überblick über die Geschichte der Angelologie. Sie erklärt, „warum die Engel nach und nach aus der Mitte des theologischen Denkens an dessen Rand gedrängt wurden“. Aber nicht nur die lichten Kräfte werden heute oft verschwiegen, auch die teuflischen und dämonischen Kräfte. Es sind die „bösen Geister auf den Himmelshöhen“, die ins Chaos führen. 

„Wer kein Gespür für die geistige Welt hat, nicht daran glaubt, dass es eine andere als die sicht- und greifbare Wirklichkeit gibt, wird sich auf diesem Acker zu Beginn schwertun, eine Perle zu finden. Dies gilt umso mehr, als eine lebendige Beziehung zu Engeln und Heiligen hierzulande auch in der Kirche zu wenig gepflegt und vermittelt wird. Der Mangel an Erfahrung ist groß. Ebenso groß wie die Sehnsucht nach diesem Erleben der anderen Wirklichkeit. Aber genau so, wie es zu Gott von jedem Punkt der Welt aus gleich weit ist, sind uns auch die Engel und Heiligen ganz nah. Sie bieten uns ihre Hilfe an, um uns auf unserem Lebensweg zu begleiten. Wir brauchen ihre ausgestreckten Hände nur zu ergreifen.“

Nach Stühlmeyer wirft die heilige Hildegard „mit dem, was sie schaut und durchlebt“, „ein helles Licht auf Zusammenhänge“, die auch moderne Menschen betreffen und ihr Leben erhellen können. 

Es sind „Engel-Kräfte, die Hildegard in ihren Visionen schaut. Diese Kräfte zeigen in ihrer äußeren Erscheinung ihr Wesen als: Engel der Demut, Engel der Liebe, Engel des Gehorsams, Engel des Glaubens, Engel der Hoffnung, Engel der Keuschheit.

Die Engel lehren die glaubenden Menschen, dass die „innere Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen, die ihre Kraft aus dem Schauen auf Jesus Christus schöpft“, das Kennzeichen einer Grundhaltung ist, „deren glühender Kern jede Lebensform zu durchflammen und licht werden zu lassen vermag“.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Mit einem Zitat des großen deutschen Dichters Reinhold Schneider möchte Barbara Stühlmeyer die Leser des Buches einladen „zur Wahrnehmung, ja zur innigen Verehrung der Engel“:

»je mehr eine Zeit die Farbe des Abgrunds annimmt und Wesen und Kräften den Raum des Handelns gewährt, die das entsetzliche Siegel der Zerstörung tragen, umso gewisser ist es, dass die Stunde der Engel gekommen ist und die Heerschar des Feindes allein aus der Höhe überwältigt werden kann. Es ist die dringendste Aufgabe eines angefochtenen Geschlechts, die Engel herabzuflehen, sich mit ihnen auf das Innigste zu verbinden und damit die himmlische Heerschar auf eine ganz neue Art mit der Erde zu verbünden … Das Geschlecht, das von der Macht der Engel weiß und sich ihnen anbefiehlt, kann nicht verloren gehen«.

 

Barbara Stühlmeyer, "Lebendiges Licht: Die Engel als Wegweiser zum Sinn in der Schau Hildegards von Bingen. Mit einem Vorwort von Karl Braun, Erzbischof em. von Bamberg" ist in der Verlagsbuchhandlung Sabat erschienen und hat 192 Seiten.

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