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Die Endzeit der Kirche: Die "Papst-Prophezeiung des Heiligen Malachias"

Päpste bei der Anbetung des Lammes (Teilansicht des Genter Altars von Jan van Eyck)

In letzter Zeit verdichten sich immer mehr die Gerüchte und die Gesundheit des Heiligen Vaters, um einen möglichen Rücktritt und insbesondere darum, wer als nächster Papst in Frage kommen könnte. Die jüngste Ernennung neuer Kardinäle hat die Spekulationen nun zusätzlich entfacht.

In diesem Zusammenhang hat die mittelalterliche Papstprophezeiung des heiligen Malachias bis heute nie an Aufmerksamkeit verloren. Bedenkt man, dass sie seit Jahrhunderten als Fälschung gilt, ist dies allerdings ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass weder eine Papstwahl noch ein Pontifikat vergehen, ohne dass auf diese Prophezeiung hingewiesen würde. Nicht wenige Päpste haben das - freilich inoffiziell - sogar selbst getan.

Wer aber war Malachias überhaupt und was hat es mit seiner Prophezeiung auf sich? Historisch gesichert ist, dass Malachias (gestorben am 2.11.1148) Abt des irischen Klosters Bangor und später Erzbischof von Armagh war. Die ihm zugeschriebene Prophetie umfasst 112 enigmatische Sinnsprüche über die kommenden Päpste, die jedoch nicht mit ihrem Namen genannt werden. Mit dem letzten Sinnspruch beginnt der Prophezeiung nach das letzte Pontifikat, dann naht das Jüngste Gericht. - Was heute einigermaßen unwahrscheinlich klingt, gilt nicht erst in unseren Tagen als Fälschung aus dem 16. Jahrhundert. Dabei wurde nicht selten eine mögliche Autorschaft des Heiligen Philipp Neri (1515-1595) ins Spiel gebracht.

Die geläufige Fälschungsthese allerdings hat der Bayreuther Historiker Hermann Hiery inzwischen überzeugend erschüttert. Dass die Prophezeiung tatsächlich aus dem Mittelalter stammt, ist Hierys Untersuchungen nach nicht mehr unwahrscheinlich. Hinzu kommt: Duccio di Buoninsegna hat Malachias mit der Liste seiner Sinnsprüche bereits rund 200 Jahre vor Philipp Neri auf der Maestà des Sieneser Doms dargestellt, nämlich zwischen 1308 und 1311. Damit aber nicht genug. Hiery konnte überdies die traditionelle Zuordnung der einzelnen Pontifikate zu den Sinnsprüchen korrigieren: Wäre in der bisherigen Lesart nämlich Franziskus der letzte Papst gewesen, hat Hiery etliche Gegenpäpste herausgenommen, die man in der Abfolge der Sinnsprüche fälschlich berücksichtigt hatte.

Durch die neue Zählung ergibt sich jetzt ein völlig anderes Bild: Auf Franziskus würden nun noch drei weitere Päpste folgen. Das heißt aber auch: Spätestens mit Franziskus hätte die Endzeit begonnen. Auf ihn folgen die Päpste mit den Sinnsprüchen „de labore solis“ („vom Wirken der Sonne“) und „gloria olivae“ („der Ruhm des Ölbaums“). Der Deutungstradition nach soll unter dem nächsten Papst womöglich eine kosmische Katastrophe eintreten, während der vorletzte Papst aus dem Judentum stammen könnte, für das im Römerbrief bekanntlich die Metapher des Ölbaums steht. Auf ihn folgt der Prophezeiung nach der letzte Papst: „Petrus Romanus“. Unter ihm soll es zu einer großen Verfolgungszeit der Kirche und schließlich zur Zerstörung Roms kommen, ehe Christus wiederkehrt.

Mindestens ebenso interessant wie die Zukunft ist jedoch auch die neue Zuordnung der Sinnsprüche zu den vergangenen Pontifikaten. Auf Johannes Paul II. trifft jetzt „pastor et nauta“ („Hirte und Seemann“), was offensichtlich darauf anspielt, dass er als erster Papst über hundert Pastoralreisen in die ganze Welt unternommen hat. Ebenso passt auf Benedikt XVI. nun „flos florum“ („Blume der Blumen“) - ein klarer Hinweis auf den bedeutendsten Theologen auf dem Thron der Päpste seit Gregor dem Großen.

Der dunkelste Sinnspruch der gesamten Prophezeiung aber - und das ist vielleicht das Interessanteste überhaupt - steht nun über dem Pontifikat von Franziskus: „De medietate lunae.“ - Begreiflicherweise ist über diesen Sinnspruch am meisten gerätselt worden und natürlich ist es nicht einfach, eine Interpretation zu wagen, solange dieses Pontifikat nicht abgeschlossen ist.

Gewöhnlich wurde der Sinnspruch bisher so gedeutet, dass das Pontifikat unter dem Einfluss des Halbmondes stehen würde. Hier an den Islam oder die Flüchtlingskrise zu denken, was häufig geschehen ist, greift sicher zu kurz. Auch ein „gespaltenes“ Pontifikat mit einem amtierenden und einem emeritierten Papst kommt als Deutung nicht in Frage: Der Mond ist erstens keine überkommene Chiffre für die Päpste als solche und es gibt zweitens immer nur einen Papst. Von einem „halben“ Pontifikat zu sprechen, wäre schon deshalb ebenso falsch, wie Benedikt zu einer Art „Gegenpapst“ zu stilisieren.

„De medietate lunae“ aber heißt im Lateinischen nicht nur „von der Hälfte“, sondern auch „von der Mitte des Mondes“. So gesehen könnte es sich um ein Pontifikat handeln, das ganz unter dem Zeichen des Mondes steht, ein Pontifikat, das gleichsam in der Mitte des Mondes angekommen ist.

Was aber bedeutet es wiederum, wenn man im Mittelalter vom Mond spricht? Leider ist auch diese Frage kaum leichter zu beantworten als der Sinnspruch selbst, denn die symbolische Bedeutung des Mondes ist insbesondere im Mittelalter durchaus schwankend. So kann der Mond für die Jungfrau Maria ebenso stehen wie für die Eucharistie, er kann aber auch einen negativen oder sogar dämonischen Symbolgehalt haben. Betrachtet man den Sinnspruch deshalb im Zusammenhang der gesamten Prophezeiung, folgt auf den Mond die Sonne („de labore solis“), auf die Nacht der Tag. Dies würde eindeutig für einen negativen Symbolgehalt des Mondsymbols sprechen, der schon insofern besser in den Gesamtkontext der Prophezeiung passt, als dort insgesamt negative Symbolgehalte dominieren. Dass ausgerechnet der dunkelste Sinnspruch positiv gemeint sein könnte, darf so kaum angenommen werden.

Hier gilt es allerdings eine ganz klare Einschränkung zu machen: Gerade die Mond- Prophezeiung beurteilt natürlich nicht die Person des einzelnen Papstes, sondern die Zeit seines Pontifikates. Es geht damit nicht um die simple Kategorisierung „guter Papst“ oder „schlechter Papst“, sondern gleichsam um ein „Etikett“ für den Zustand der Kirche und der Welt während des jeweiligen Pontifikates. Eine vergleichbares Beispiel wäre Pius XII., auf den in der neuen Zuordnung der Sinnspruch „ignis ardens“ („brennendes Feuer“) trifft. Dass hiermit der Holocaust und wohl auch Hiroshima gemeint sind, darf als einigermaßen sicher gelten und ergibt sich schon aus der verwandten Wortbedeutung: „Holocaust“ heißt bekanntlich „vollständiges Verbrennen“. Pius selbst jedoch als „Papst des Holocausts“ oder als „Papst der Atombombe“ zu verstehen, wäre nicht nur falsch, sondern völlig absurd. Allerdings haben der Holocaust wie Hiroshima die Zeit seines Pontifikates natürlich dramatisch überschattet. „Ignis ardens“ ist damit eine recht klare Aussage über den zeitgeschichtlichen Kontext, nicht aber über Pius XII. selbst.

Natürlich finden sich unter den Sinnsprüchen auch solche, die einen engeren Personenbezug haben. In der jüngeren Zeit wäre das außer bei „pastor et nauta“ und „flos florum“ auch bei „pastor angelicus“ der Fall: der „engelgleiche Hirte“. In der neuen Zählung wird dieser Sinnspruch Johannes Paul I. zugeordnet, der mit dem charismatischen Lächeln eines Engels die Menschen begeisterte wie keiner seiner Vorgänger. Allerdings kann man den Sinnspruch auch anders deuten: Nur 33 Tage nach seiner Wahl haben die Engel den Papst ins Paradies begleitet: „in paradisum te deducant angeli - ins Paradies mögen die Engel dich begleiten“, heißt es in der Antiphon aus der Feier der Exequien.

Was aber könnte der sehr Sinnspruch über das gegenwärtige Pontifikat aussagen?

Geht man davon aus, dass der Mond hier aufgrund des Kontextes eine negative Konnotation hat, so parallelisiert die Prophezeiung motivisch das Wort Pauls VI., der 1972 davon sprach, dass der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen sei. Vermutlich geht „de mediate lunae“ inhaltlich in diese Richtung und deutet auf einen eher dämonischen Einfluss hin - nota bene: nicht auf den Papst persönlich, sondern auf die Kirche, vielleicht auf die ganze Welt. Und tatsächlich erleben wir derzeit ohne Frage eines der schwierigsten Pontifikate der letzten Jahrhunderte, während dem in der Kirche vieles in jene Unordnung zu kommen scheint, die der „Diabolos“ als der „Durcheinanderbringer“ gern verursacht. Dazu gehört an erster Stelle sicher die Missbrauchskrise. Dazu gehört aber auch, dass in Deutschland ein Schisma beginnt. Allerorten ruft man nach Reformen, ob sie mit der Lehre der Kirche vereinbar sind oder nicht. Die Lehre von der Heiligsten Eucharistie wird von deutschen Bischöfen inzwischen öffentlich in Frage gestellt und droht die Kirche ebenso auseinanderzureißen wie die immer wieder vorgebrachte Forderung nach der Frauenweihe. Das Priestertum und mit ihm die sakramentale Struktur der Kirche sind unter den schwersten Beschuss in der Kirchengeschichte geraten, vom priesterlichen Zölibat ganz zu schweigen.

Ob nach der „Mondzeit“ der Kirche mit dem nächsten Pontifikat („de labore solis“) eine neue Epoche beginnt, bleibt abzuwarten. Ob sich dieser Sinnspruch jedoch wirklich auf ein kosmisches Ereignis - etwa auf einen Asteroid - bezieht, darf bezweifelt werden. Im Kontext der Prophezeiung wäre auch eine andere Lesart möglich, nämlich die, dass sich die Situation der Kirche dann aufhellt, wenigstens solange, bis nach „gloria olivae“ mit „Petrus Romanus“ der letzte Papst auf dem Stuhl Petri sitzen wird.

Bei aller Spekulation wird man jedoch eines ganz sicher sagen können: Die Prophezeiung des Malachias ist eine nicht uninteressante Deutungsmöglichkeit der Papstgeschichte - und sie ist vielleicht auch ein Blick in die Zukunft der Kirche. In jedem Fall aber ist sie ein dringender Aufruf zum Gebet für den gegenwärtigen Papst und seinen Nachfolger. Darauf kommt es viel mehr an, als einen recht ungewissen Blick in die Zukunft zu werfen.

Der Verfasser, Dr. Joachim Heimerl, ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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