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Warum stellt das Evangelium heute Christus als Richter vor?

Ausschnitt aus der Darstellung des Jüngsten Gerichts eines anonymen Künstlers, um 1540

[Lesungen HIER]

Wir feiern heute den Christkönigs-Sonntag. Und wir können uns dabei gleich die Frage stellen: Warum stellt das Evangelium Christus als Richter vor? Ist ein König primär ein Richter? Für unsere Vorstellung hatten Könige andere Aufgaben als Richter. Könige mussten für Recht und Ordnung sorgen. Richter müssen Recht sprechen.

Jesus aber sagt: Am Ende der Zeit wird der König Recht sprechen. Denen zu seiner Rechten wird er sagen: Kommt her zu mir, denn ich war hungrig und ihr habt mich gespeist. Denen zu seiner Linken wird er sagen: Weicht von mir, denn ich war hungrig und ihr habt weggeschaut.

Warum also feiern wir heute nicht das Fest Christus der Richter?

Nun das Fest Christkönig wurde 1925 eingeführt, als in Europa die Königsthrone wankten, das Königtum abgeschafft und die Demokratie eingeführt wurde. Es war Papst Pius XI., der im Jahr 1925 im Gedenken an das Konzil von Nikea das Christkönigsfest eingeführt hat. Der Sinn war dabei: Die Christen sollten dafür kämpfen, dass Jesus Christus auch in einem säkularen Staat eine Rolle spielt. Der Wahlspruch von Papst Pius XI. lautete Pax Christi in Regno Christi. Zu Deutsch: Der Friede Christi liegt in der Herrschaft Christi. Pius XI. wollte einen Paukenschlag setzen gegen die Vorstellung, dass der Glaube an Christus nur Privatsache jedes Einzelnen sei. Nein: Christus sollte auch Staat und Gesellschaft eine Rolle spielen. Im Grunde ging es um die Frage, die uns auch heute bewegt: Kann ein europäischer Staat gelingen, wenn eine wesentliche Wurzel seiner Kultur abgeschnitten wird? Heute gilt auch: Kann eine europäische Kultur gelingen, wenn das christlicher Glaube nur für das Privatleben gilt? Der Papst sagte: Nein.

Nun aber zur Frage nach dem Richter. Ich glaube: Man kann das Gleichnis vom Richter, der beurteilt und verurteilt, auch verstehen, wenn man es so auf den Punkt bringt: Gott nimmt unsere menschliche Freiheit ernst. Wir können und müssen persönlich entscheiden, wie wir leben. Ob wir mit offenen Augen für andere Leben, oder ob sich unser Leben nur um selbst dreht.  Wir können uns um unsere Freiheit nicht herumdrücken. Zur Freiheit gehört, dass wir lieben können, dass wir Ja sagen können zum nächsten Menschen, dass wir auch Nein sagen können zum Nächsten. Wir sind uns wohl meist darüber einig, dass es gut ist, lieben zu können, geliebt zu werden und zu lieben. Liebe heißt Zuwendung zum Nächsten. Das Gegenteil ist Abwendung oder einfach das Übersehen, das Wegsehen, das Linksliegenlassen.

Ein altes Wort in deutscher Sprache lautet: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.

Gott nimmt uns Menschen ernst. Er nimmt auch unsere Einsicht ernst. Unsere Einsicht lautet ja: Liebe edelt den Menschen. Wenn wir also Menschen links liegen lassen, dann schwächen wir unser Menschsein, dann werden wir unmenschlich.

Gott beurteilt also nicht von außen, nach Maßstäben, die wir gar nicht einsehen können, sondern er beurteilt uns nach den Maßstäben, die wir auch selbst für gut und richtig halten.

Richter auf dem Thron sind also in einem gewissen Sinn wir selbst. Wir haben die Normen, die wir kannten und für gut erklärten, nicht ernst genommen. Am Ende der Zeit werden wir uns nicht mehr um unsere Selbsteinsicht herumdrücken können. Wir werden selbst erkennen, ob uns der Verhungernde egal war, oder wir das uns Mögliche getan haben für ihn oder nicht.

Das Gericht ist die Stunde der Wahrheit. Aber wir dürfen rückfragen: Ist Gott nicht unendlich barmherzig. Ist er nicht viel barmherziger als wir es sein können? Ist er so streng wie wir selbst sind? Ist er nicht weit mehr als menschliche Strenge? Kann er nicht auch dem größten Egoisten verzeihen? Fordert Jesus nicht das tausendmalige Verzeihen?

Ja, so ist es. Aber das Verzeihen kann nur bei dem ankommen, der seinen Egoismus erkennt. Wer seinen Egoismus leugnet, den Egoismus nicht erkennt und zugibt, bei dem kann Barmherzigkeit nicht ankommen. Wir stehen also vor dem Thron des barmherzigen Richters, wenn wir an unsere Brust klopfen und sagen: Herr ich bin immer noch egoistisch, ich bin daher nicht würdig, dass Du eingehst in mein Herz, aber sprich nur ein Wort so wird meine Seele gesund. Freuen wir uns auf die Begegnung mit dem barmherzigen König, der die Arme ausbreitet, um uns in seine Arme zu schließen. Amen.

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