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UN-Blog: "Mutter Erde und ihre unterschiedlichen Betrachtungsweisen" in Genf

Erzbischof Ivan Jurkovic im EWTN-Interview mit Christian Peschken.
Ramona Duminicioiu, Vertreterin von "Via Campesina"
"Mutter Erde"-Poster bei den Vereinten Nationen
Der Konferenzraum an der UN
Erzbischof Jurkovic im EWTN-Gespräch mit Christian Peschken.
Luis Gallego

Gemäß eines Beschlusses der Vereinten Nationen wird an der UN jedes Jahr der 22. April als "Tag der Mutter Erde" begangen. Der Tag lenkt die Aufmerksamkeit auf den Planeten und fürdert so ein Bewusstsein für ihn. Die Botschaft Ecuadors und der Staat Bolivien waren dazu nun Gastgeber einer Veranstaltung bei den Vereinten Nationen in Genf rund um die Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus. Auch der Heilige Stuhl war anwesend.

Ich fragte deren Apostolischen Nuntius nach seinem Standpunkt zur Thematik auf dem Veranstaltungsplakat: "Mutter Erde und ihre unterschiedlichen Betrachtungsweisen."

Erzbischof Ivan Jurkovic, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen: Wir, der Heilige Stuhl, haben an der Veranstaltung basierend auf einem ganz einfachen Standpunkt teilgenommen.  Man könnte ihn so umschreiben: "wahre Verantwortung für die Umwelt hat fraglos eine spirituelle Dimension".

Christian Peschken: "Schon Franz von Assisi sprach von Bruder Erde und Schwester Mond."

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Das ist natürlich poetisch gemeint , ist aber akzeptabel und klingt sehr schön."

In seinen Anmerkungen zum Thema 'Laudato Si' sagte der Erzbischof während des Forums: "Die gegenwärtige Situation der Welt empfiehlt zu bedenken, dass sich verschiedene, jedoch gleich wichtige Perspektiven immer mehr gegenseitig beeinflussen und ergänzen."

Sie sprechen von verschiedenen Perspektiven und dass sie sich ergänzen. Aber wenn wir uns heute die Welt anschauen  sieht es doch so aus, als seien diese verschiedenen Perspektiven der Grund von Konflikten und Krisensituationen.

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Wenn wir über die Umwelt, über die Erde sprechen, lassen Sie es uns so formulieren, ist es sehr wichtig, dass man sich zunächst  - ich würde sagen unbedingt – an die Leute in der Wirtschaft wendet, und diejenigen, die Finanzgeschäfte machen. Es gibt kein unbegrenztes Wachstum auf begrenzten Raum. Genau das ist  unser Hauptproblem."

Der Erzbischof stellte den Anwesenden die Frage: "Zu welchem Zweck sind wir auf dieser Welt, warum sind wir hier, welches Ziel verfolgen wir mit unseren Anstrengungen und Bemühungen? Oder: was braucht die Welt von uns?"

Was braucht die Welt, oder Gott, denn von uns?

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Wissen Sie, ich denke, diese Frage ist sehr komplex und philosophisch. Wir sprechen hier nicht über menschliche Ökologie, sondern über Göttliche Ökologie. Das ist wichtig, oder? Es geht nicht nur um die Umgebung des Menschen – denn die Umwelt hat auch eine spirituelle Seite  – sie bedeutet also viel mehr. Dieses Bewusstsein muss aufrechterhalten werden, denn sonst vergessen wir die wahre Bedeutung dessen, worüber wir gerade reden. Ob realisierbar oder nicht, es reicht in Sachen Nachhaltigkeit nicht aus. Aus Sicht der Kirche ist es nicht nachhaltig, reicht nicht. Freilich ist es gut, aber es reicht nicht."

Und Gott hat uns erschaffen, damit wir mit Ihm 'zusammenarbeiten'.

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Genau. Es ist eine Kommunikation. Eine Gegenseitigkeit, die wir nicht bis ins Letzte verstehen. Man kann das nicht vereinfacht erklären. Es geht um den Menschen, der in ewigem Dialog in Verantwortung vor Gott steht – ein Dialog voller Freude. Das ist für jede Religion, würde ich sagen, äußerst wichtig, nicht nur für Christen. Auch die anderen Religionen tragen Verantwortung für das Verhalten der Menschen. Wir tragen Verantwortung."

Wenn wir also unsere Fähigkeiten einsetzen, müssen wir immer auch an die anderen denken. Wenn wir Grenzen überschreiten…

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Genau! Wissen Sie, ich würde sagen, das Problem mit dem menschlichen Verhalten ist, dass wir meistens nur unsere nähere Umgebung beurteilen. Wir kennen 'mich', 'Sie', 'jemand anderen' – und meinen, das ist die Welt. Das ist eine schlichtweg sehr alarmierende Sichtweise. Die Welt ist voller Leid, fehlender Möglichkeiten, fehlende Ressourcen. Wenn man die Welt als Ganzes im Auge behält, okay. Aber wir haben es hauptsächlich mit politischen Zielsetzungen zu tun, die nur nationale Interessen im Auge haben - was auch wichtig ist. Aber Kirchen oder religiöse Organisationen oder weltweite Organisationen können diese Sichtweise nicht akzeptieren."

Das war der erste Teil unseres Interviews. Im zweiten Teil werden wir über "ökologische Umkehr" sprechen, einen verantwortlichen Umgang mit Mutter Erde und die Bindung und das Verhältnis zu ihr, besonders im Hinblick auf ärmere Länder.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Papst Franziskus schrieb in seiner Enzyklika Laudato Si in poetischer Sprache:

"Die Sonne und der Mond, die Zeder und die kleine Blume, der Adler und der Spatz, die unendliche  Vielfalt und Verschiedenheit bedeuten, dass kein Geschöpf sich selbst genügt, dass sie nur in der gegenseitigen Angewiesenheit existieren können, sich ergänzen und einander dienen."

"Der Papst schlägt hier etwas wirklich Extremes vor," sagte Erzbischof Ivan Jurkovic, "eine ökologische Umkehr, in der der Mensch seinen wahren und angemessenen Platz findet in der Beziehung zu allem, was ihn umgibt - und anfängt, sich so zu verhalten, dass es dem Allgemeinwohl dient und mit Blick des Schöpfers übereinstimmt."

Ist es nicht ein wenig zu spät für eine ökologische Umkehr, Exzellenz? 

Erzbischof Ivan Jurkovic:"Bei dieser Thematik wiederholen wir immer wieder das Gleiche, wissen Sie, nämlich dass ein Mensch ohne spirituelles Auffassungsvermögen kein wirklich menschliches Urteil fällen kann. Man muss auch die Tendenz sehen über unmittelbare wirtschaftliche und finanzielle Konsequenzen zu sprechen. Diese wichtige Tendenz erlaubt uns zwar in relativ neutralen Kategorien zu denken – aber das genügt nicht. Genau deshalb besteht der Papst auf diesem Thema. Das Thema war in der Vergangenheit weniger vorhanden , ist heute aber sehr wichtig."

Besonders auch im Hinblick auf zukünftige Generationen… 

Erzbischof Ivan Jurkovic: "Da würde ich genau dem zustimmen, was einmal jemand gesagt hat: " Das, was wir haben , haben wir nicht von der Vergangenheit erhalten. Nein, es ist nicht das, was wir von unseren Vätern erhalten haben. Es ist das wir für die nächste Generation verantwortlich sind. Das bedeutet, dass wir nicht zurückschauen sollen. Wir sollten nach vorn schauen und erkennen, dass unser Wohlbefinden erst dann berechtigt ist, wenn die Menschen, die nach uns kommen, noch glücklicher sein werden."

Luis Gallego, ständiger Vertreter der Republik Ecuador bei den Vereinten Nationen in Genf: "Es ist wichtig und dringend nötig, dass wir das gegenseitige Verständnis zwischen den unterschiedlichen Sichtweisen stärken. Insbesondere gilt es, aus den guten Erfahrungen und dem traditionellen Wissen indigener Völker und regionaler Bevölkerungsgruppen zu lernen, wie auch dem der Kleinbauern und anderer Menschen, die sich mit Landwirtschaft, Viehzucht, Weidewirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft beschäftigen."

Bedeutet das: Zurück in die 1960er Jahre?

Erzbischof Ivan Jurkovic:"Ich würde sagen, wenn jemand im Namen der Bauern Lateinamerikas spricht, von Bauern, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben – denn das tun sie natürlich –, dann meint er damit, dass es ein Teil ihres Lebens ist, in enger Verbindung mit der Erde zu bleiben. Viele andere in anderen Teilen der Welt haben diese Sensibilität verloren. Es ist gut, dass uns jemand daran erinnert und es istgut zu wissen, dass es sehr viel wichtiger ist, sagen wir, in einer engeren Beziehung zur Erde, zur Nahrung, den Früchten der Erde zu stehen als einfach nur einkaufen zu gehen."

Ramona Duminicioiu, Vertreterin von "Via Campesina", einem Verband für Kleinbauern: Wenn man als Kleinbauer etwas anbaut und dabei mit den eigenen Händen das Land, das Wasser und den Samen von Mutter Erde benutzt, entwickelt man eine sehr persönliche Beziehung zu ihr. Und diese 'Liebe' zu Mutter Erde ist grundsätzlich unsere Beziehung zur Zukunft, zu den kommenden Generationen. Wir wünschen uns und wir brauchen eine gesunde Mutter Erde weil wir ihre Nahrung in unseren Körper aufnehmen."

Hier werden die Früchte der Erde angesprochen, weil wir letzten Endes die Früchte der Erde in unseren Körper aufnehmen. Ich denke, das kann man nicht nur rein körperlich auf die Nahrung, die die Erde gibt, beziehen, sondern auch auf die spirituellen Früchte durch soziale Medien und so weiter. Wir nehmen sie in unser Gehirn und Seele auf?

Erzbischof Ivan Jurkovic:" Wir glauben, und das ist gut so - und ich denke auch nicht, dass das gegen irgendeine Lehre verstößt -, dass eine richtige Einstellung zu einem besseren Ergebnis führt."

Es gibt die Redensart, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt.

Erzbischof Ivan Jurkovic:"Ja, was Sie sagen, klingt sogar noch besser. Genau das glauben wir, dass ein gesunder Körper, gesundes Verhalten, auch geistlich gesunde Früchte hervorbringt. Oder sagen wir, zumindest mehr Fingerspitzengefühl für das geistliche Ausmaß des menschlichen Lebens."

Mit Bezug auf Laudato Si präsentierte das Forum das Konzept "Mit der Natur in Harmonie" - eine Chance für uns alle, zu verstehen, wie der Mensch und die anderen Lebewesen auf diesem gemeinsam bewohnten Planeten voneinander abhängig sind.

Christian Peschken ist U.N. Genf-Korrespondent für EWTN. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media

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Hinweis: Beiträge der Rubrik "Meinung" spiegeln die Ansichten der Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.

  

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