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Wirrwarr in der Heiligen Woche: Wie ein deutscher Pilger Ostern in Jerusalem erlebte

Die Grabeskirche in Jerusalem
Heilige Woche in Jerusalem: Pilger vor der Grabeskirche
Osterfeuer in der Abtei Dormitio
"...irgendwie scheint das Miteinander in Jerusalem so zu funktionieren. Man verhält sich ruhig, macht sein Ding, und hofft, dass die Touristen ordentlich Geld in die Stadt bringen."

Es sind knapp 150.000 Menschen, die in den vergangenen Tagen als Pilger nach Jerusalem gereist sind. Juden zum Pessachfest, und westliche wie orthodoxe Christen zum Osterfest. Getrübt wurden die Feierlichkeiten durch den Mord an einer jungen Britin am Karfreitag.

"Es ist die Zeit des Jahres, wo die Christen in Jerusalem mal so richtig präsent sind auf den Straßen," sagt der Benediktinerpater Nikodemus Schnabel, Prior-Administrator der deutschen Dormitio-Abtei in Jerusalem. Er greift den großen Palmwedel auf mittlerer Höhe und wechselt ihn von der rechten zur linken Hand, während er gemeinsam mit 15.000 anderen Pilgern vom Ölberg in die Altstadt von Jerusalem wandert. Es ist Palmsonntag, der Tag an dem die Heilige Woche beginnt, aber auch der Tag an dem die christliche Präsenz am deutlichsten wird. Während an Gründonnerstag, Karfreitag oder Ostermontag in den Kirchen gefeiert wird, zeigen sich die Christen eine Woche vorher auf der Straße. Dabei herrscht mehr Volksfeststimmung als Andacht, die Menschen tanzen, singen und beten, jeder auf seine eigene Weise.

Angespannte Stimmung und Soldaten mit Maschinengewehr

Nicht zu verleugnen ist aber auch an diesem Tag der politische Konflikt zwischen Israel und Palästina. Da die Palmsonntags-Prozession auf dem Ölberg beginnt, der im palästinensischen Ostjerusalem liegt, ziehen viele Pilger auch mit Palästina-Fahnen los. Diese müssen sie aber vor der Altstadt ablegen. Es gibt eine nicht zu verachtende Zahl christlicher Palästinenser, die diese Prozession nutzen, um ihren Glauben wie ihre politische Überzeugung zu zeigen. Auch die Präsenz von Militär und Polizei ist nicht zu ignorieren. Über den Pilgern kreist ein Hubschrauber, hinter der Gruppe laufen Soldaten mit Maschinengewehr.

Generell ist die Stimmung angespannt in diesen Tagen in Jerusalem. Mehrere Messerattacken zwischen Israelis und Palästinensern haben die Behörden in Alarmbereitschaft versetzt. Gerade jetzt, da knapp 150.000 christliche und jüdische Pilger in die Stadt kommen. Straßensperrungen sind dabei schon fast Alltag, gerade rund um die Klagemauer an den ersten Tagen des Pessach-Festes. Die Menschen, die in der Stadt leben, haben sich an den Zustand gewöhnt. "Wenn ich Bus fahren muss, fahre ich Bus. Ich werde nicht drei Stunden zu Fuß laufen, nur weil mir das Auswärtige Amt das anrät." Das sagt Annika Zöll, die 20-jährige Studentin lebt seit acht Monaten in Jerusalem. "Die ersten Monate fährt man schon noch mit einem mulmigen Gefühl, bis man merkt, dass das für die Leute hier ganz normal zum Alltag gehört."

Attentat am Karfreitag

Gerade an Karfreitag tritt dieser Jerusalemer Alltag wieder weltweit in die Schlagzeilen. Ein 57 jähriger Palästinenser hat eine junge Frau aus England in der Straßenbahn erstochen. Der Mann war wohl geistig verwirrt und hatte anscheinend kein politisches Motiv. Trotzdem schrillen in den Nachrichtenredaktionen sofort alle Alarmglocken, wenn es heißt "Attentat in Karfreitag in Jerusalem."

Obwohl die Jerusalemer sich davon nicht verunsichern lassen, tun es die vielen Touristen in der Stadt. Der Karfreitag, der sonst zu den Tagen zählt, an denen die Innenstadt am vollsten ist, wirkt am Nachmittag menschenleer. Die Touristen sind alle zurück in die Hotels. Pilger kommen trotzdem. Juden zu Pessach, und Christen zum Karfreitag.

Ziel der christlichen Pilger ist die Via Dolorosa, wo seit Jahrhunderten dem Leidensweg Christi gedacht wird. Viele einheimische Christen schauen sich das gar nicht erst an. "Für mich ist das nur Spektakel", sagt Pater Nikodemus. "Palmsonntag ist zwar auch ausgelassen, aber das ist authentischer, wirkliche Freude. Während es an Karfreitag auf der Via Dolorosa nur um Show geht." Viele Pilger tragen lebensgroße Kreuze den die Basarstraße entlang, während sie selbst bei der Prozession links und rechts von Händlern angesprochen werden, die ihnen Kreuze oder Rosenkränze verkaufen wollen. Einige Gruppen arbeiten sogar mit künstlichem Blut, was aber von vielen einheimischen Christen eher verwundert betrachtet wird.

Die Feier der Osternacht wird in der Grabeskirche schon in der Nacht auf Samstag gefeiert. Das hat historische Gründe, an denen heute nichts mehr verändert werden darf. In der deutschen Dormitio-Abtei wird die Osternacht ausführlich gefeiert, am Sonntagmorgen zwischen drei und sieben Uhr. Nachdem die Osterkerze am Osterfeuer entzündet ist, wird die Flamme in der dunklen Kirche von Person zu Person weiter gegeben, bis das Kirchenschiff nur durch Kerzen erleuchtet wird. So wird dann in den Ostermorgen hinein gefeiert, während draußen die Sonne aufgeht. Christus ist auferstanden. Diese Erkenntnis geht den Menschen im Gottesdienst nahe. Viele haben gegen Ende Tränen in den Augen, fallen sich in die Arme und wünschen sich ein frohes Osterfest.

In der Grabeskirche ist es verhältnismäßig ruhig am Ostermorgen. Einzelne Pilger und Gruppen aus aller Welt strömen zum Grab, um auf ihre ganz eigene Art und Weise zu beten und zu gedenken. Einige sitzen still in der Ecke, andere singen und tanzen. Eine Gruppe von orthodoxen Pilgern hat sich vor dem Grab versammelt und stimmt gemeinsam in lautem Ton Kirchenlieder an.

"Atheisten können einem hier leid tun" 

Jerusalem ist eine faszinierende Stadt, alleine schon wenn man versucht die Mentalität ihrer Bewohner zu verstehen. Die Selbstverständlichkeit des politischen Konfliktes, der regelmäßig Tote fordert, ist gepaart mit einer tiefen religiösen Überzeugung von Christen, Juden und Muslimen. Was natürlich auch wieder Konflikte am laufenden Band mit sich bringt. Aber irgendwie scheint das Miteinander in Jerusalem so zu funktionieren. Man verhält sich ruhig, macht sein Ding, und hofft, dass die Touristen ordentlich Geld in die Stadt bringen.

"Wer mir in dieser Stadt wirklich leid tut, sind die Atheisten," gesteht Pater Nikodemus Schnabel. "Die müssen sich vollkommen verwirrt und verloren vorkommen bei all dem Wirrwarr der Religionen in dieser Stadt."

Renardo Schlegelmilch ist Moderator bei www.domradio.de und freier Journalist für Kirche und Gesellschaft. Erstveröffentlichung 17. April 2017.

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