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"Nur der Glaube leuchtet" – Joseph Ratzingers "Predigten"

Papst Benedikt XVI. am 28. August 2010

Joseph Ratzinger strebte nie danach, eine neue, persönlich kolorierte Theologie vorzulegen. Auch ein Prediger, der das Wort Gottes besonders zeitgemäß und zielgruppengerecht auslegen und verkünden möchte, mag trotz bester Absichten und allem guten Willen vollständig mit seinen ziselierten, emphatischen oder feierlichen Darlegungen den Schrifttext verfehlen, wenn er eine Homilie vorträgt. Der Theologe Ratzinger hat behutsam und mitunter deutlich an den so oft vergessenen oder ignorierten inneren Zusammenhang von Exegese und Systematischer Theologie erinnert. Wer die Schrift auslegt, sollte das bedenken. Für Gelehrte gilt dasselbe. Von welcher Hermeneutik wir inwendig geleitet sind, daran denken wir zumeist nicht. Wir kennen alle möglichen Predigt- und Verkündigungsstile. Eine Theorie der Homiletik hat der emeritierte Papst nie vorgelegt. Gleichwohl könnte seine Art, das Wort Gottes auszulegen, wenn nicht nachahmenswert, so doch in positivem Sinne beispielhaft sein und als Orientierung dienen.

Seit einigen Tagen liegen drei neue Bände der "Gesammelten Schriften" von Joseph Ratzinger auf meinem Schreibtisch. Leichtes Gepäck sind die freundlich drei "Teilbände" genannten Werke nicht. Wir wissen natürlich seit langer Zeit: Joseph Ratzingers – Benedikts XVI. Wort hatte und hat Gewicht. Bislang blätterte ich nachdenklich, versonnen und dankbar in den Büchern, die von den Mitarbeitern des Regensburger Instituts Papst Benedikt XVI. akkurat, sorgfältig und auch liebevoll, in dankbarer, treuer Verbundenheit zu unserem emeritierten Papst, ediert wurden. Die hier zusammengestellten Texte, deren geistlicher Charakter spürbar ist, wecken Erinnerungen an die Jahre des Pontifikats. Mit leiser Stimme hat Benedikt XVI. im Dienst der Verkündigung gestanden, demütig und scheu, aufmerksam und achtsam, stets bestrebt, die Schrift sorgfältig auszulegen, so dass nicht die Weisheit des Predigers, sondern die Wahrheit und mit ihr zugleich die Schönheit des Glaubens aufstrahlen kann. Wir alle machen oft viele Worte, Kleriker wie Weltchristen, Gelehrte wie einfach gläubige Christen. Der Schriftsteller Heinrich Böll sprach davon, dass Worte heilen, aber auch töten können. Oft verkennen wir, dass das Wort verletzen, versehren und verwunden kann, und müssen uns daran erinnern, stets in der Hoffnung, dass auch uns einmal Nachsicht und Vergebung zuteil werden mag für unbedachte, boshafte und verletzende Worte. Wir können auch die Sicht auf das Wort, das wir auslegen, durch unsere Person verstellen. Der Prediger Joseph Ratzinger lässt – und in diesem Punkt wage ich zu sagen: wie niemand sonst – in leuchtender Klarheit und Einfachheit durch alle Worte, die er wählt, den "lógos", der Mensch geworden ist, hindurchscheinen, jenes Wort, das keines unserer eigenen Worte je fassen und halten könnte.

Kardinal Ratzinger wirbt dafür, "dass Gott gegenwärtig bleibt in unserer Welt". Wir sollen ihn weder "in den Kirchenräumen" noch "in unserer privaten Frömmigkeit verstecken". Auf unsere Zeit gewendet: Wir dürfen, wir sollen von Gott sprechen, auch in der Öffentlichkeit, freundlich und liebevoll, nicht anmaßend und selbstgerecht:

"Gott gegenwärtig halten – das schließt vor allen Dingen die Notwendigkeit des Betens ein. Beten bedeutet, dass wir unsere Nöte in Gottes Hände legen, dass wir uns anerkennen als das, was wir sind, abhängig von seiner größeren Macht, die Macht der Liebe ist."

Diese Liebe scheint auf in der Lichtspur des Glaubens, in den Heiligen. Viele dieser Predigten in diesen Bänden machen den Leser vertraut mit den Lebensgeschichten und Wegen unserer Weggefährten im Glauben. Wenn Kardinal Ratzinger am 18. November 1978 über den heiligen Korbinian in Freising spricht, so können wir diese Worte auch als Wegweisung für uns heute lesen: "Nur der Glaube leuchtet." Ratzinger erinnert an die irrtümlichen Meinungen der Moderne, die in der Abwendung von Gott eine Befreiung des Menschen zu sich selbst zu erkennen meinen: "Freiheit besteht nicht in Beliebigkeit." So versinke der Mensch in einer "bleiernen Leere eines glanzlosen, selbstischen Daseins". Der Münchner Erzbischof fährt fort: "Glaube ist unbequem, ja, aber gerade dadurch, dass er uns fordert, dass er uns nötigt, uns führen zu lassen, wohin wir nicht wollen, macht er uns reich und tut er uns die Tür des wirklichen Lebens auf." Die Verkündigung sei im Übrigen kein "Flirt mit dem, was die Leute gerade hören" möchten. Auch die volkstümliche verständliche Klarheit von Ratzingers Predigten wird deutlich, wenn er sagt: "Wo wir uns am Glauben vorbeimogeln, da verfehlen wir das Wesentliche." Ja, das ist einfach gesagt – und einfach richtig. Diese drei kostbaren Bände ermuntern zu geistlicher Vertiefung und meditativer Lektüre. So schenken sie uns neue Freude am Glauben.

Benedikt XVI. wurde im Pontifikat mitunter ironisch als "Professor Papst" be- und verzeichnet. Lobenswert sind seine tiefgründigen, verständlich formulierten Predigten in jeder Weise – und lobenswert ist auch das große Engagement aller Mitarbeiter des Regensburger Institutes Papst Benedikt XVI., dem wir es verdanken, dass wir heute diese Predigten neu studieren und mit Gewinn lesen können. Der Prediger Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. spricht nicht von sich selbst und seinen Ideen, einzig von dem, auf den alles ankommt und von dem alles abhängt – die Herzmitte seiner Verkündigung ist der lebendige Gott. Zur Freundschaft mit Christus laden Joseph Ratzingers Predigten ein.

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