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Bergkarabach "ist wichtig für die gesamte christliche Welt": Staatsminister fordert Dialog

Der armenische Politiker Ruben Wardanjan (54) ist seit November 2022 Staatsminister der international nicht anerkannten Republik Arzach.

Papst Franziskus sagte kurz vor Weihnachten, er sei "besorgt über die Situation, die im Latschin-Korridor im Südkaukasus entstanden ist". Rund 120.000 Armenier, darunter 30.000 Kinder, leben in der von ihnen als Republik Arzach bezeichneten Enklave Bergkarabach, die von Aserbaidschan seit dem 12. Dezember blockiert wird: Von der Außenwelt abgeschnitten, fehlen den Menschen Lebensmittel, Medikamente und andere lebensnotwendige Güter.

"Ich bin besorgt über die prekären humanitären Bedingungen der Menschen, die sich während der Wintersaison weiter zu verschlechtern drohen", sagte Papst Franziskus am 18. Dezember. 

In einem schriftlich und auf Englisch kurz vor Weihnachten geführten Interview bestätigt Staatsminister Ruben Wardanjan, der in Bergkarabach mit seiner Familie lebt, die Blockade — und fordert gegenüber CNA Deutsch unter anderem einen Friedensdialog.

Herr Wardanjan, Sie haben bestätigt, dass Aserbaidschans Blockade von Arzach in gewissem Umfang fortbesteht und noch lange nicht gelöst ist. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Wie Sie wissen, hat Aserbaidschan seit dem 12. Dezember den Latschin-Korridor blockiert, der die einzige Straße zwischen Bergkarabach und der Außenwelt darstellt. Wir haben mehrere Vorschläge gemacht, um zu verhandeln und eine Lösung zu finden, ohne 120.000 Menschen als Geiseln zu halten, aber leider will Aserbaidschan eine humanitäre Katastrophe in Arzach heraufbeschwören, die ein zusätzliches Mittel sein wird, um die Armenier zu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass diese Art von Aktionen Teil der aserbaidschanischen Staatspolitik der ethnischen Säuberung der Armenier ist. Und das ist einer der wichtigsten Akte des Völkermordes, wie er in der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert ist. Derzeit ist die Situation schwierig, aber wir versuchen, sie unter Kontrolle zu halten, stark zu bleiben und durchzuhalten, solange es möglich ist, bis internationale Aufrufe und Druck greifbare Ergebnisse bringen, die Aserbaidschan zwingen, seine Verpflichtungen umzusetzen, die in internationalen Konventionen und der trilateralen Erklärung vom 9. November 2020 festgelegt sind.

Aserbaidschan hat die Pflicht, keine Hindernisse für die Verbindung zwischen Arzach und Armenien zu schaffen, aber es denkt wahrscheinlich, dass die Normen des internationalen Rechts ignoriert werden können. Aserbaidschan wurde nie mit den Konsequenzen eines Angriffskrieges gegen Arzach im Jahr 2020 konfrontiert und ist daher der Meinung, dass es unter eklatanter Verletzung der UN-Charta mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt seine Ziele erreichen kann. Mit der Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft müssen wir mehr Druck auf Aserbaidschan ausüben, denn wir können nicht das Leben von 120.000 Menschen in Gefahr bringen. In Arzach leben 30.000 Kinder, die das Recht auf ein normales, friedliches Leben haben.

Würden Sie bitte die derzeitige Situation der Menschen in Arzach beschreiben - auch für Sie selbst, Ihre Frau und Ihre Kinder.

Vor kurzem habe ich in einer meiner öffentlichen Erklärungen gesagt, dass ich der glücklichste Mann der Welt bin. Das empfinde ich wirklich so. Es mag seltsam klingen, vor allem in dieser komplizierten Situation, aber als jemand, der es geschafft hat, alles zu haben, ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein glücklicher Ehemann und Vater von vier Kindern im Alter von 54 Jahren zu sein, habe ich das Gefühl, etwas Wichtiges für mein Volk, für Arzach zu tun. Ich fühle mich durch den starken Willen des Volkes gestärkt und tue wirklich mein Bestes, um diesen Staat aus der Sackgasse herauszuführen. Die Menschen, die hier leben, verdienen eine friedliche und sichere Zukunft, und wenn es mir gelingt, dazu beizutragen, wäre das die größte Errungenschaft in meinem Leben. Trotz der Schwierigkeiten unterstützt mich meine Familie voll und ganz, und ich bin dankbar für ihr Verständnis, das mich viel stärker und entschlossener macht.

Papst Franziskus, der Generalsekretär der Vereinten Nationen und eine Reihe einzelner Staaten haben die Blockade durch Aserbaidschan verurteilt. Glauben Sie, dass dies Auswirkungen haben wird?

Arzach ist nicht nur für das armenische Volk wichtig. Es ist ein wichtiger Ort für die gesamte christliche Welt. Arzach birgt ein 1700-jähriges christliches Erbe. Wir sind all jenen dankbar, die Aserbaidschan aufgefordert haben, den Korridor freizugeben, der für 120.000 Menschen wirklich eine Lebensader darstellt.
Wenn der Latschin-Korridor in den nächsten Tagen nicht freigegeben wird, sollten Staaten und internationale Organisationen damit beginnen, Flüge nach Arzach zu organisieren, um über einen humanitären Luftkorridor nach Stepanakert zu gelangen. Dies wird mit Sicherheit eine humanitäre Katastrophe in Arzach verhindern.

Im Westen ist man besorgt über die Rolle Russlands als Friedenswächter in der Region. Sehen Sie, dass der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Spannungen - kurzfristig - die Situation in Arzach und die Rolle Russlands beeinflussen?

Die geopolitische Lage in der ganzen Welt ist sehr kompliziert, aber die Frage von Arzach muss Teil der internationalen Agenda sein. Über drei Jahrzehnte lang vermittelten die Kovorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE, Russland, Frankreich und die USA, einen friedlichen Verhandlungsprozess, um eine Lösung für den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Arzach zu finden. Der Meilenstein dieser Lösungen war die Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts des Volkes von Arzach. Aserbaidschan war der Meinung, dass eine militärische Lösung das Recht des Volkes, über seine Zukunft zu entscheiden, entwerten kann. Aber das ist nicht wahr. Nur die Entscheidung über den Status von Arzach, die von den hier lebenden Menschen getroffen und von den Parteien und der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird, kann einen langfristigen und nachhaltigen Frieden in der Region garantieren. Ich bin mir sicher, dass sowohl das armenische als auch das aserbaidschanische Volk eine friedliche Zukunft auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und Verständnis verdient haben. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Krieg und Aggression niemals eine Lösung sein können.

Abschließend: Was glauben Sie, was jetzt im Hinblick auf einen längerfristigen Frieden geschehen muss?

Aserbaidschan sollte die Blockade des Latschin-Korridors aufheben. Wenn dann bestimmte internationale Mechanismen eingerichtet werden, sind wir zu einem Dialog mit Baku bereit. Wir ziehen immer Verhandlungen und Gespräche vor. Die Zwangsmaßnahmen, mit denen Aserbaidschan tagtäglich psychischen und physischen Druck auf die Menschen ausübt, um sie zum Verlassen von Arzach zu zwingen, werden scheitern. Die Menschen hier sind willensstark und hartnäckig; sie werden sich niemals unter Druck setzen lassen. Die Weihnachtsfeiertage stehen vor der Tür, und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Welt alles tut, damit die Kinder, die jetzt von ihren Eltern getrennt sind, sie erreichen und gemeinsam die Geburt Christi feiern können.

 

 

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