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"Auf den geliebten Sohn hören"

Die Verklärung von Giovanni Bellini (ca. 1490)

[Lesungen HIER]

Liebe Schwester und Brüder

Was will uns das heutige Evangelium von der Verklärung Christi sagen? Was sollen wir daraus für unser Leben mitnehmen?

Ich glaube, es geht nicht primär um das, was auf dem Berg in und mit Jesus geschehen ist. Sondern es geht darum, was die drei Jünger erlebt haben. Durch das, was Petrus, Jakobus und Johannes erlebt haben, sollen und können sie etwas für ihr Leben mitnehmen. Und auch wir sollen etwas mitnehmen. Es wäre also falsch zu fragen: Was hat Jesus erlebt. Denn das ist und bleibt wohl ein Geheimnis. Romano Guardini schreibt immer wieder: Mit Psychologie kommen wir nicht an Jesus heran.

Was haben die Jünger erlebt? Zunächst: Sie haben erlebt, dass Jesus sie mitnahm zum Gebet. Jesus hat Petrus, Jakobus und Johannes ausgewählt, mitzukommen auf den Berg, wo er beten wollte. Das ist erstaunlich, denn normalerweise war Jesus zum Beten immer alleine. Dieses Alleinsein Jesu zum Gebet ist eine Tatsache, das wir uns merken sollten. Und dann hat er eben nicht alle zwölf Jünger mitgenommen, sondern nur die drei – ich möchte sagen – die drei Herausragenden. Es ist schon erstaunlich, dass Jesus offenbar Unterschiede macht in seinem Jüngerkreis. Er nimmt die drei auch dann an den Ölberg mit am Abend vor seiner Hinrichtung. Ob die anderen gemurrt haben über Jesu Verhalten? Jesus entscheidet souverän. Offenbar dürfen die Jünger auch nicht entscheiden, wer wann wo mitgehen darf. Die Idee der Demokratie scheint sehr ferne.

Während Jesu Beten auf dem Berg wurde er – wie es ausdrücklich heißt - vor ihren Augen verwandelt. Wichtig scheint mir das Wort „Vor ihren Augen“. Sie sahen sein Gesicht wie die Sonne und seine Kleider weiß wie Licht. Dann erschienen ihren Augen Moses und Elias. Zweimal werden ihre Augen genannt. Es geht also nicht direkt um Jesus selbst. Er bleibt ein Mysterium. Es geht um ihr Sehen. Und aufgrund dieses Sehens kommt der vorschnelle Petrus dann ruckzuck auf die Idee, drei Hütten anzubieten – eine für Jesus, eine für Moses, eine für Elias. Ich glaube wir stoßen hier auf ein typisches Phänomen. Es ist typisch für das Verhältnis von Mensch und Gott. Einerseits ist die Begegnung von Gott und Mensch ein Geheimnis, das der Mensch selbst nicht verstehen kann und erst recht nicht weitergeben kann. Auf der anderen Seite ist das Verhalten des Petrus eben typisch menschlich. Dies zeigt sich in seinem Vorschlag, drei Hütten zu bauen. Jesus geht gar nicht darauf ein. Das zeigt die Fremdheit zwischen Göttlichem und Menschlichem. Und dann heißt es, dass eine Wolke ihren Schatten auf die Jünger geworfen hat. Wolke ist Symbol Gottes. Gott verbirgt sich in einer Wolke. Und aus der Wolke ertönen die entscheidenden Worte: Er ist mein Sohn, auf ihn sollt ihr hören.

Und hier kommt eine Reaktion der Jünger, die die Distanz zwischen dem Menschen und Gott noch einmal zeigt. Denn auf das Wort, sie sollten Jesus hören, fallen die drei Jünger nieder und bekommen große Angst. Doch Jesus tritt zu ihnen, stellt sie auf die Beine und sagt: Habt keine Angst. Und dann gehen sie den Berg wieder hinunter. Und Jesus sagt ihnen: Schweigt über das, was ihr gesehen und gehört habt. Sprecht erst darüber, wenn der Menschensohn von den Toten auferstanden sein wird. Die Jünger ahnen wohl nur, wen er mit dem Menschensohn meint.

Das Entscheidende an diesem ganzen Vorgang ist das Erleben und Hören der Jünger. Sie erleben, dass ihr bestaunter Meister mit Moses und Elias zusammentrifft, und sie mit ihm sprechen, und er mit ihnen spricht, dass er auf der Höhe der Großen des Volkes Israel ist. Und sie hören aus der Stimme in der Wolke: Auf ihn sollt ihr hören. Die drei Jünger werden in das Geheimnis Jesu eingeführt. Sie sollen ihn tiefer kennen lernen. Und genau diese drei werden ihn dann im Ölgarten erleben. Sie werden erleben, wie Jesus mit dem Willen des Vaters ringt. Sie werden Jesus nicht mehr als stark, sondern als schwach erleben, als ein Mensch, der mit der Versuchung ringt, vor der Hinrichtung zu fliehen, vor der Geißelung, vor der Dornenkrönung, vor dem Kreuztragen. Sie werden ihn erleben nicht mehr in souveräner Stärke, sondern im Weinen. Nicht aber sie werden ihn trösten, sondern ein Engel. Denn sie sind eingeschlafen. Vielleicht war der Engel Maria, seine Mutter, die immer auf Jesu Spuren gewesen war und in ihrem Herzen wußte, wie Jesus schon vor dem Leiden litt und rang.

Was will uns das Evangelium sagen? Ich glaube, es fordert uns auf, Jesus besser kennen zu lernen, er steht auf den Schultern von Moses und Elias. Er wird angesprochen als „der geliebte Sohn“. Die Szene auf dem Berg fordert uns auf, auf ihn zu hören. Vielleicht will es uns auch einfach nur sagen: Sucht und ringt weiter um Jesus. Es ist kein Wunder, dass ihr manchmal mit Jesus ringen müsst, dass er für Euch ein Geheimnis bleibt. Er war es auch für die Jünger. Er war ihnen ein Geheimnis bei diesem Beten auf dem Berg und dann am Ölberg, als sie ihn nicht souverän erlebten, sondern zitternd und schwach und ringend. Kein Wunder also, wenn auch wir mit Jesus ringen und manchmal fragen: Wo bist du Herr?  Und manchmal schreien: Herr, zeig dich mir! Amen

Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Redaktionsleiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan.

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