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Rasantes Wachstum des Christentums in China: Eine neue Studie erklärt, warum

Das rasante Wachstum der Religion in der aufstrebenden Volksrepublik beschäftigt die Religionssoziologen. Der renommierte Gesellschaftswissenschaftler Rodney Stark von der Baylor University in den USA sieht die Zahl der Christen in China in diesem Jahr voraussichtlich um die beeindruckende Rate von sieben Prozent wachsen. Gemeinsam mit Xiuhua Wang hat Professor Stark die Studie „Ein Stern im Osten: Der Aufstieg des Christentums in China” verfasst. Die beiden Wissenschaftler schreiben darin, dass die Zahl der Christen in der Volksrepublik von 10 Millionen Gläubigen im Jahr 1980 auf 60 Millionen im Jahr 2007 gestiegen sei – eine jährliche Wachstumsrate von 7 Prozent. Wenn diese Zahlen stimmen, gab es im vergangenen Jahr bereits knapp 100 Millionen Christen in China. Bei anhaltendem Tempo würde es 150 Millionen Christen in China im Jahr 2020 geben; 295 Millionen im Jahr 2030; und 579 Millionen in 2040. Natürlich könne „man nie wissen, was alles in der Zukunft passieren wird", so Religionssoziologe Stark. Das starke Wachstum in China sei jedoch voraussichtlich anhaltend.

Die Gründe sind Stark und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin zufolge auch im gesellschaftlichen Wandel des Landes zu suchen. Die aufstrebenden, immer besser ausgebildeten Chinesen erlebten, so die Studie, eine „kulturelle Inkongruenz” zwischen ihrer traditionellen asiatischen Kultur auf der einen Seite und der industriellen und technischen Moderne auf der anderen. Das Christentum biete den Menschen gerade auch in dieser Situation eine plausible Antwort. Vor allem Intellektuelle fühlten sich dadurch angesprochen, so Stark gegenüber CNA: „Sie sind überzeugt, dass sie sich dem Westen zuwenden müssen um die Welt zu verstehen, in der sie leben”; gleichzeitig würden die traditionellen östlichen Religionen als nicht vereinbar mit dieser Realität wahrgenommen. Der örtliche Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus etwa würden als rückwärtsgewandt und anti-fortschrittlich gesehen, so der Soziologe. „Bei diesen Religionen geht es um die glorreiche Vergangenheit”, so Stark, nicht um die Zukunft. Keine dieser fernöstlichen Religionen könne zugestehen, so Stark, „dass wir in der Lage sind, etwas über das Universum zu verstehen lernen, was wir dann auch kontemplativ betrachten können, genau so, wie es durch Physiker erforscht und durchdacht wird”.

Bei aller wissenschaftlicher Erkenntnis bleibe ja die wesentliche Frage unbeantwortet: Was die Welt bedeute und wie wir in ihr leben sollten. Die Fähigkeit des Christentums, Glaube und Vernunft, vor allem auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu vereinbaren, sei somit ein wichtiger Motor für die Christianisierung Chinas, so Stark, „und das erklärt, warum es ist die am besten ausgebildeten Chinesen sind, die sich am ehesten zum Christentum bekehren".

Familie und Freunde sind die Apostel

Die Ausbreitung des Christentums in China, so die Analyse der Soziologen, habe bereits „während der schlimmsten Zeit der chinesischen Verfolgung" des Glaubens begonnen: In der Zeit der Kulturrevolution der 1960er und 70er Jahre. Allerdings sei diese Christianisierung erst einmal weitgehend unsichtbar geblieben für den kommunistischen Machtapparat: Laut Stark findet die religiöse Bekehrung damals wie heute vor allem über das unmittelbare soziale Umfeld statt, vorbei an Regierungsbeamten und Aufpassern. Daher, so Stark und Wang, bekehrten sich auch Chinesen in ländlichen Gebieten eher als Stadtbewohner, weil auf dem Land die sozialen Bindungen auch in der Volksrepublik stärker seien. Die Evangelisierung finde auch in China nicht etwa durch Zusammenkünfte, Zeltlager oder andere besondere Events statt, sondern durch das zwischenmenschliche Miteinander, über Familien, Freunde und Bekannte.

Schon seit Jahrhunderten gibt es katholische Missionare in China; besonders prominent war etwa der Einsatz der Jesuiten und anderer Orden im 16. Jahrhundert. Als im Jahr 1949 die Kommunisten die Herrschaft über das gesamte chinesische Festland errangen, gab es zu diesem Zeitpunkt rund 5.700 katholische Missionare in China – und rund 3,3 Millionen Katholiken. Die Kommunisten vertrieben jedoch die ausländischen Missionare und gründeten später die „Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung", eine von der Regierung sanktionierte Kirche, die sich freilich vom Heiligen Vater in Rom lossagte und unter anderem Abtreibungen und künstliche Verhütung nichts öffentlich äußerte. Gleichzeitig lebte im Untergrund eine freie, von der Kommunistischen Partei verfolgte Kirche weiter, die bis heute nicht anerkannt ist, aber treu zum Papst und Rom steht. Dementsprechend schwierig sind auch die Beziehungen zum Vatikan.

Annäherungsversuche zwischen Vatikan und Regierung

Als eine Annäherung werden Versuche interpretiert, Bischöfe zu finden, die sowohl die Zustimmung der Regierung in Beijing als auch des Papstes haben. Dabei kam es 2012 freilich zu einem Skandal, als der von beiden Seiten akzeptierte neue Weihischof in Shanghai, Thaddeus Ma Daquin, mit der Weihe auch seinen Austritt aus der „katholisch-patriotischen Vereinigung” öffentlich bekannt gab. Seitdem ist er in Hausarrest in einem Kloster. Im August diesen Jahres gab es nun einen neuen Anlauf: In der Kathedrale Anyang (Provinz Henan) wurde der 44 Jahre alte Joseph Zhang Yinlin zum neuen Weihbischof von Weihui geweiht. Seiner Person wurde sowohl von der chinesischen Regierung als auch vom Heiligen Stuhl zugestimmt. Einige Beobachter, darunter Rodney Stark, sehen darin ein Zeichen, dass sich die kommunistische Regierung Chinas mit der Realität des rasanten Aufstiegs der christlichen Religion in ihrem Lande zu arrangieren versucht.

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