06 Juni, 2017 / 7:55 AM
Als in der Messfeier am Mittwoch der Karwoche die Heiligen Öle geweiht wurden, waren im Münchner Liebfrauendom auch zahlreiche Jugendliche anwesend, die sich auf ihre Firmung vorbereiten. Sie werden mit dem Chrisam gesalbt werden – "gesalbt und nicht angeschmiert", wie es der frühere Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, einmal unnachahmlich auf den Punkt brachte.
Oft wird von der Firmung als dem "Sakrament der Mündigkeit" gesprochen: als wäre sie so etwas wie eine christliche Jugendweihe, die den Gefirmten das Recht des Mitredens gibt, vielleicht auch des Aufbegehrens gegen Obrigkeiten, die ihnen den Mund verbieten wollen.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir richtig liegen, wenn wir der Firmung als dem Sakrament des Heiligen Geistes einen ausgesprochen politischen Charakter zusprechen. Denn das eigentliche Sakrament unserer Zugehörigkeit zum Volk Gottes, mit allen Mitspracherechten und Solidaritätspflichten, ist die Taufe. Die Firmung vollendet zwar diese Taufwirklichkeit, gibt ihr jedoch nicht einen zusätzlichen Status vermeintlicher Volljährigkeit dazu. "Mündig" sind wir seit unserer ersten Salbung mit Chrisam, seit der Taufe.
Ich möchte die "Mündigkeit" der neugefirmten Jugendlichen in einer anderen Weise deuten. Nämlich dass sie den Mund aufmachen, wo sie Zeugen von Unrecht und Lüge werden: beim Mobbing auf dem Schulhof, beim Beobachten von zwielichtigen Geschäften in ihrer unmittelbaren Umgebung, beim wachsamen Blick auf Strukturen des Unmenschlichen und des Bösen. Für Christen geht es nicht zuerst darum, dass wir unsere eigenen Rechte einklagen und vehement verteidigen, sondern dass wir auf unsere Umgebung schauen und uns überall dort engagieren, wo Dinge in Unordnung sind, wo es an Menschlichkeit fehlt. Junge Menschen, mit ihrem unverbrauchten Idealismus und Altruismus, können uns hierbei den Weg weisen.
Das bekannte Gleichnis Jesu, vom Barmherzigen Samariter, lehrt uns, dass es vor allem darauf ankommt, uns für die unter die Räuber Gefallenen einzusetzen: denen, die keine Stimme haben, mit unserem Mund und in unserem Tun beizustehen. Die provozierende Frage des Pharisäers "Wer ist denn mein Nächster?" kehrt Jesus um: nicht ich bestimme, wer mein Nächster ist, sondern ich bin gerufen, dem anderen zum Nächsten zu werden, durch aktiven Einsatz und auch mit aller denkbaren Phantasie.
Mündigkeit als Geschenk des Heiligen Geistes heißt gerade nicht, dass wir in einer Zuschauerrolle verharren und uns nur dann zu Wort melden, wenn wir unsere eigenen Interessen gefährdet sehen. Nein, die gefirmte Mündigkeit erhebt die Stimme – bis hin zum Aufschrei! -, um in uneigennütziger Weise Licht zu bringen in das Dunkel dieser Zeit.
Dies ist mit dem Psalmwort gemeint "Sende aus Deinen Geist, und Du wirst das Antlitz der Erde erneuern".
Monsignore Wolfgang Sauer ist Ehrendomkapitular der Erzdiözese München und Freising und war u. a. langjähriger Geistlicher Direktor des Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuches (IFP), Missionsdirektor der Erzdiözese Freiburg und Mitglied verschiedener Gremien und Verwaltungsräte katholischer Hilfswerke.
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