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Im Wortlaut: Stellungnahme von Kardinal Pietro Parolin zum McCarrick-Report

Kardinal Pietro Parolin am 6. Januar 2015.

Heute wird der Bericht über das institutionelle Wissen und den Entscheidungsprozess des Heiligen Stuhls in Bezug auf den ehemaligen Kardinal Theodore Edgar McCarrick (Zeitraum von 1930 bis 2017) veröffentlicht, den das Staatssekretariat im Auftrag des Heiligen Vaters erarbeitet hat. Es handelt sich um einen umfangreichen Text, der die sorgfältige Überprüfung aller relevanten Unterlagen in den Archiven des Heiligen Stuhls, der Nuntiatur in Washington und der in verschiedener Weise beteiligten Diözesen in den Vereinigten Staaten verarbeitet hat. Die umfassende Untersuchung wurde darüber hinaus um Informationen ergänzt, die in Gesprächen mit Zeugen und über die Fakten unterrichteten Personen gewonnen wurden, um ein möglichst vollständiges Bild und ein detaillierteres und genaueres Wissen über die relevanten Informationen zu erhalten.

Wir veröffentlichen diesen Bericht mit großem Schmerz über die Wunden, die diese Geschichte den Opfern, ihren Angehörigen, der Kirche in den Vereinigten Staaten und der Universalkirche zugefügt hat. Wie der Papst, so habe auch ich die Zeugenaussagen der Opfer einsehen können, die in den Acta enthalten sind, auf die sich dieser Bericht stützt und die in den Archiven des Heiligen Stuhls hinterlegt sind.

Ihr Beitrag war wesentlich. Über den Missbrauch von Minderjährigen sagt Papst Franziskus im Schreiben an das Volk Gottes vom August 2018: „Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen, und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte."

Wie aus dem Umfang des Berichts und aus der Anzahl der darin enthaltenen Unterlagen und Informationen hervorgeht, suchte man der Wahrheit auf den Grund zu gehen und zugleich Material zusammenzustellen, das nützlich sein kann, um auf die von der genannten Situation aufgeworfenen Fragen Antworten zu finden. Die Untersuchung hat sich bekannterweise über zwei Jahre hingezogen und nun, bei der Veröffentlichung des Textes, wird man wohl den Grund für diese nicht so kurze Zeit verstehen. Ich erlaube mir, jeden, der Antworten sucht, einzuladen, das Dokument ganz zu lesen und nicht zu meinen, die Wahrheit nur in dem einen oder dem anderen Abschnitt zu finden. Nur mit einem vollständigen Überblick und einer Gesamtkenntnis der rekonstruierten Entscheidungsprozesse hinsichtlich des ehemaligen Kardinals McCarrick wird man verstehen können, was geschehen ist.

In den vergangenen zwei Jahren, während die diesem Bericht zugrundeliegende Untersuchung durchgeführt wurde, haben wir bedeutende Schritte unternommen, um eine größere Aufmerksamkeit auf den Schutz von Minderjährigen zu richten und ein wirkungsvolleres Eingreifen zu gewährleisten, damit sich bestimmte Entscheidungen der Vergangenheit nicht wiederholen mögen. Die kanonischen Bestimmungen wurden um das Motu proprio Vos estis lux mundi ergänzt, welches die Einrichtung stabiler Mechanismen hinsichtlich der Entgegennahme der Meldungen von Missbräuchen vorsieht und eine klare Verfahrensweise bezüglich der Untersuchung von Anzeigen gegen Bischöfe, die Verbrechen begangen oder Täter geschützt haben, festlegt.

Zu diesem Motu proprio kommen die Instrumente hinzu, die im Anschluss an das Treffen über den Schutz von Minderjährigen im Februar 2019 entwickelt wurden. Ich denke zum Beispiel an die Maßnahme vom vergangenen Dezember hinsichtlich des Päpstlichen Geheimnisses in Bezug auf Anzeigen, Verfahren und Entscheidungen bei Fällen von Missbrauch an Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen; wie auch in Bezug auf Fälle der unterbliebenen Meldung oder der Deckung von Missbrauchstätern. Ebenso denke ich an das Vademecum über die Verfahren in der Behandlung von Fällen von Missbrauch an Minderjährigen, das im vergangenen Juli von der Glaubenskongregation herausgegeben worden ist.

„Wenn wir auf die Vergangenheit blicken, ist es nie genug, was wir tun, wenn wir um Verzeihung bitten und versuchen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen" – so sagt der Heilige Vater in seinem Schreiben an das Volk Gottes und fährt fort: „Schauen wir in die Zukunft, so wird es nie zu wenig sein, was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten. Der Schmerz der Opfer und ihrer Familien ist auch unser Schmerz; deshalb müssen wir dringend noch einmal unsere Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten".

Aus der Lektüre des Berichts wird hervorgehen, dass alle Verfahren, einschließlich der Ernennung von Bischöfen, vom Einsatz und der Ehrlichkeit der betreffenden Personen abhängen. Kein Verfahren, mag es auch noch so ausgefeilt sein, ist frei von Fehlern, weil daran Männer und Frauen mit ihrem Gewissen und ihren Entscheidungen beteiligt sind. Dieser Bericht wird sich aber auch dahingehend auswirken, dass sich alle an derartigen Entscheidungsprozessen Beteiligten über das Ausmaß ihres Urteils oder ihrer Unterlassungen stärker bewusstwerden. Diese Seiten drängen uns dazu, eingehend darüber nachzudenken und uns zu fragen, was wir in Zukunft noch mehr tun können, während wir aus den schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit lernen.

Abschließend möchte ich sagen, dass sich zum Schmerz ein hoffnungsvoller Blick gesellt. Damit sich dieses Phänomen nicht wiederholt, ist neben wirksameren Normen eine Umkehr der Herzen notwendig. Wir brauchen Hirten, die glaubwürdig das Evangelium verkünden, und wir müssen uns alle bewusst sein, dass dies nur mit der Gnade des Heiligen Geistes möglich ist und im Vertrauen auf Jesu Wort: „Getrennt von mir könnt ihr nichts tun" (Joh 15,5).

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