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"Gut, und jetzt hau ich ab" – Meine letzte Begegnung mit Kardinal Meisner

Kardinal Meisner im Interview
Kardinal Meisner im Gespräch mit Rudolf Gehrig

Heute vor drei Jahren starb Kardinal Joachim Meisner. CNA Deutsch veröffentlicht das Interview, das Rudolf Gehrig mit dem Erzbischof von Köln führte.

Ich gebe zu, ich war sehr aufgeregt, als ich Kardinal Meisner endlich am Telefon hatte. Es war im Mai 2016, nicht mehr lange bis zum Weltjugendtag in Krakau.

Für EWTN.TV wollten wir im Vorfeld ein paar Interviews aufzeichnen, die wir dann bei unseren Live-Sendungen in Krakau verwenden würden. Ich hatte dem Kardinal versprochen, dass wir nicht länger als eine halbe Stunde brauchen und wir seine Geduld nicht unnötig strapazieren würden. Als er mich nach einem Terminvorschlag fragte, antwortete ich zögerlich "Ich glaube…", woraufhin er mir in die Parade fuhr und sagte: "Nichts da mit 'ich glaube'! Wir glauben an den lieben Gott, aber doch nicht an Termine!" Dann war es soweit, ich hatte die Nacht davor kaum geschlafen, bin meine Fragen immer und immer wieder durchgegangen. Nun sprang die Tür auf und der Kardinal kam herein, stellte seine zwei Gehstöcke in die Ecke und blinzelte mich mit seinen listigen Augen forschend an. Die Kameras waren bereits aufgebaut.

"Kann es losgehen? Der Rudolf muss mich aber jetzt erst was fragen!"

Und dann ging es los. Wir begannen, uns über den Weltjugendtag zu unterhalten und über Johannes Paul II., den Papst, der die Weltjugendtage maßgeblich gefördert hat und der zeitlebens zu den Freunden von Kardinal Meisner gehörte. Der Kardinal geriet ins Schwärmen, als er von seinen Begegnungen mit dem mittlerweile heiliggesprochenen Papst berichtete und erzählte nicht ohne Stolz, dass die eucharistische Anbetung beim Weltjugendtag in Köln, die er als Erzbischof gegen anfängliche Bedenken seitens der Veranstalter durchsetzte, von den Teilnehmern als Höhepunkt empfunden wurde.

Dann stellte ich ihm die Frage, wie man jenen Jugendlichen Mut machen könne, die Angst davor haben, auch im Alltag zum Glauben zu stehen. Die Frage war kaum ausgesprochen, als es aus ihm herausplatzte:

"Na hören’Se mal", sagte er, "Man hat als Christ keine Angst!"

Und:

"Diese verdammte Feigheit!"

Ich kann eigentlich nicht viel über Joachim Meisner sagen. Schon als Jugendlicher habe ich seine wortgewaltigen Predigten und seine Standhaftigkeit bewundert. Kritik schien ihn nicht zu kratzen. Kurz nach dem Abitur bin ich einmal von Franken nach Köln gefahren, weil ich durch glückliche Umstände bei ihm auf einen Kaffee eingeladen war. Wir hatten ein tolles Gespräch über Glaube, Berufung und die Schwierigkeit, sich für seinen Glauben in der heutigen Zeit dauernd rechtfertigen zu müssen. Obwohl ich gewarnt wurde, der Kardinal könne in Gesprächen auch mal ruppig werden, nahm er sich über eine Stunde Zeit für mich und hörte mir bis zum Schluss aufmerksam zu. Damals hatte er mir ein Buch geschenkt, das er mit einer persönlichen Widmung versah: "Tu autem sequere me" – Du aber folge mir nach. Nachgefolgt bin ich ihm. Ein Jahr später kam ich nach Köln zu EWTN.TV und erlebte den Tag, als er in den Ruhestand trat.

Viele gehässige Dinge wurden über den Mann geschrieben, der dem Erzbistum seinen Stempel aufgedrückt hat wie nur wenige. Im locker-fröhlichen Rheinland wirkte er für viele wie der knorrige Onkel, der durch die Gardinen schielend Falschparker bei der Polizei verpetzt. Und doch tut man ihm Unrecht, wenn man ihn auf seinen Gerechtigkeitssinn reduziert. Er war ein Mann des Widerspruchs, mit Ecken und Kanten. Einer, der auf der Kanzel notfalls den Holzhammer auspackte. Jemand, der für, mit und durch die Kirche litt. Ein Mann, der sich nicht verbiegen ließ und im persönlichen Gespräch herzlicher war als es sein Ruf über ihn sagte. "Die Geduld habe ich nie verloren", sagte er einmal, "denn ich hatte sie noch nie."

Doch wenn er vor dem ausgesetzten Allerheiligsten kniete, sah man die Quelle, aus der er seine Kraft bezog. Sobald er vom Glauben sprach und seiner persönlichen Beziehung zu Gott, meinte man immer einen kleinen Jungen herauszuhören, der im kindlichen Vertrauen von der Mauer springt und genau weiß, dass der Vater ihn mit beiden Armen auffängt. Es war für mich immer faszinierend, wie Meisner, diese Urgewalt, dieser beinharte Kämpfer, vor Gott in die Knie ging. Diese ungeheuchelte Demut machte deutlich, für wen er das alles tat.

Joachim Kardinal Meisner war ein Mensch, der auf jeden Fall seine Fehler hatte. Aber selbst darin strahlte er das aus, was wir heute vielerorts vermissen: Authentizität und echte Frömmigkeit. Ausgerechnet er wurde während seines Urlaubs zu Gott heimgerufen, während er morgens im Sessel saß und sein Brevier betete – ein passenderes Finale hätte es für sein irdisches Leben nicht geben können. In unserem Interview im Mai 2016 hielt ich mich an die abgemachte Zeitangabe und begann deshalb nach etwa 25 Minuten mit der Abmoderation. "Vielen Dank für Ihre Zeit", sagte ich. Doch da hatte sich Meisner bereits von seinem Stuhl erhoben und mit den Worten "Gut, und jetzt hau ich ab" verschwand er aus dem Bild.

Er ruhe in Frieden!

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(Die Geschichte geht unten weiter)

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