27 Februar, 2021 / 7:00 AM
Christus berührt, aber er erregt auch in den Stunden seiner Passion Anstoß. In der „selbstlosen Hingabe“ könne auch ein Ungläubiger den Herrn entdecken und erkennen. Die „göttliche Dimension“ reiche jedoch weiter: „Das auf Golgota errichtete Kreuz, an dem Christus sein letztes Zwiegespräch mit dem Vater führt, erwächst aus dem innersten Kern jener Liebe, die dem nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen gemäß dem ewigen Plan Gottes geschenkt worden ist. … Es sind dies die Bande der Liebe, die nicht nur das Gute hervorbringt, sondern am Leben Gottes selbst, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, teilhaben läßt. Wer liebt, den drängt es ja, sich selbst zum Geschenk zu machen.“
Von der Hingabe spricht Johannes Paul II. sein ganzes Leben hindurch, bis in die Stunden seiner eigenen Passion hinein, als er sich sterbend ganz in Gottes Hand begibt. Unvergessen bleibt, wie sich der leidende Papst der Welt zeigte, als Stellvertreter Christi, als Zeuge des Herrn, von großen Schmerzen gezeichnet. Das Kreuz, so Johannes Paul II., sei eine „Einladung an den Menschen“, sich und darüber hinaus die „ganze sichtbare Welt Gott hinzugeben und so an seinem Leben teilzuhaben“. Auf dem Kalvarienberg werde der „neue und endgültige Bund“ geschlossen, der „allen und einem jeden offensteht“.
Doch verstehen wir die Botschaft des Kreuzes Christi auch heute als Zeichen von Gottes „ewiger Liebe zum Menschen“? Dieser Liebe zu seinen Geschöpfen bleibt er „unverbrüchlich treu“. Johannes Paul II. betont: „An diese Liebe glauben, heißt, an das Erbarmen glauben.“ Die Wirklichkeit des Kreuzes bezeugt auch die „Kraft des Bösen“, das dem Sohn Gottes gegenüber sich machtvoll zeigt: „Gerichtet wird auch der Tod, der sich seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte mit der Sünde verbündet hat. Er wird gerichtet im Tod dessen, der ohne Sünde war und als einziger – durch seinen Tod – dem Tod den Todesstreich versetzen konnte.
Auf diese Weise ist das Kreuz Christi, an welchem der dem Vater wesensgleiche Sohn Gott die gerechte Sühne darbringt, auch eine radikale Offenbarung des Erbarmens, das heißt der Liebe, die gegen die Wurzel allen Übels in der Geschichte des Menschen angeht – gegen Sünde und Tod.“ Liebe, so sagen auch wir, sei stärker als der Tod. Wir möchten daran glauben, so sehr. Wenn wir den Kreuzweg beten, beugen wir die Knie und bekennen: „Gekreuzigter Herr Jesus Christus, wir beten dich an und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ Wir knien in Demut und Dankbarkeit nieder, weil sich „Gott am tiefsten zum Menschen herab“ geneigt hat – erhöht am Kreuz: „Im Kreuz werden gleichsam von einem heilenden Hauch der ewigen Liebe die schmerzlichsten Wunden der irdischen Existenz des Menschen berührt.“ Das „messianische Programm“ Jesu erfahre im Kreuz die „letzte Vollendung“. Der heilige Papst zählt auf, was hierzu gehört – die barmherzige Liebe zu den Armen, zu den Kranken, zu den Unterdrückten und zu den Sündern.
Es ist die Botschaft der Barmherzigkeit: „Im Paschageheimnis wird die Schranke des vielfachen Übels, in das der Mensch in seiner irdischen Existenz verstrickt ist, überschritten: das Kreuz Christi läßt uns die tiefsten Wurzeln des Übels verstehen, die in die Sünde und den Tod hinabreichen, und wird so auch zu einem eschatologischen Zeichen. Erst in der endzeitlichen Erfüllung und in der endgültigen Erneuerung der Welt wird die Liebe in allen Auserwählten die tiefsten Quellen des Übels besiegen und als vollreife Frucht das Reich des Lebens, der Heiligkeit und der seligen Unsterblichkeit hervorbringen. Das Fundament dieser endzeitlichen Vollendung ist bereits im Kreuz Christi und in seinem Tod gelegt.“
Die Auferstehung Christi am dritten Tag sei das „endgültige Zeichen der messianischen Mission“, ja die „Krönung der ganzen Offenbarung der erbarmenden Liebe in einer vom Übel geprägten Welt“. Unser Alltag ist oft von Kleinigkeiten bestimmt, die wir für sehr groß halten. Viele vergessen das kleine Fest der Auferstehung, das wir jeden Sonntag in der heiligen Messe feiern, in der wir nach der Konsekration der Gaben von Brot und Wein beten und bekennen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Doch leben wir aus dieser eschatologischen Hoffnung? Wissen wir, was wir kniend bekunden? Johannes Paul II. schreibt: „In der endzeitlichen Vollendung wird sich das Erbarmen als Liebe offenbaren; in der Zeitlichkeit, in der menschlichen Geschichte, einer Geschichte von Sünde und Tod, muß sich die Liebe vor allem als Erbarmen offenbaren und vollziehen. Das messianische Programm Christi, sein Programm des Erbarmens, wird zum Programm seines Volkes, der Kirche. Im Mittelpunkt dieses Programms steht immer das Kreuz; denn in ihm erreicht die Offenbarung der erbarmenden Liebe ihren Höhepunkt.“
Führen wir unser Leben als Zeugen der Auferstehung des Herrn und als Boten der barmherzigen Liebe Gottes? Der Herr, so Johannes Paul II., habe in Worten und Taten Gottes Liebe und Barmherzigkeit gezeigt: „Das Paschageheimnis ist Christus am Höhepunkt der Offenbarung des unerforschlichen Geheimnisses Gottes. Gerade hier bewahrheiten sich voll und ganz die im Abendmahlssaal gesprochenen Worte: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen«. … In seiner Auferstehung hat Christus gerade insofern den Gott der erbarmenden Liebe geoffenbart, als er das Kreuz als Weg zur Auferstehung auf sich genommen hat.“ Der Sohn Gottes habe „in radikaler Weise“ das Erbarmen, also die „Liebe des Vaters, die stärker ist als der Tod“, erfahren. Christus selbst ist die „unerschöpfliche Quelle des Erbarmens, derselben Liebe, die in der weiteren Perspektive der Heilsgeschichte in der Kirche sich ständig stärker als die Sünde erweisen wird“: „Der österliche Christus ist die endgültige Inkarnation des Erbarmens, dessen lebendiges, heilsgeschichtliches und zugleich endzeitliches Zeichen.“
Vergessen wir darum nicht, unseren Glauben an die heilige katholische Kirche zu bekennen. Es ist nicht unsere Kirche, sondern wir dürfen der Kirche des Herrn angehören – und darum war, darum ist, darum bleibt die Kirche heilig, solange die Welt besteht. Die Kirche war, ist und bleibt der Ort, an dem Gottes Barmherzigkeit erfahrbar wird in dieser Welt – besonders in der Feier der heiligen Eucharistie. Leidenschaftlich appelliert der heilige Papst darum: „Die Kirche muß das göttliche Erbarmen in all seiner Wahrheit, wie sie uns die Offenbarung überliefert hat, bekennen und verkünden. … Die Kirche lebt ein authentisches Leben, wenn sie das Erbarmen bekennt und verkündet – das am meisten überraschende Attribut des Schöpfers und des Erlösers – und wenn sie die Menschen zu den Quellen des Erbarmens des Heilandes führt, welche sie hütet und aus denen sie austeilt. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der ständigen Betrachtung des Wortes Gottes zu und vor allem der bewußten, mit innerer Reife vollzogenen Feier der Eucharistie und des Sakraments der Buße oder Versöhnung. Die Eucharistie nähert uns ja immer mehr jener Liebe, die mächtiger ist als der Tod: »Sooft wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken«, verkünden wir nicht nur den Tod des Erlösers, sondern auch seine Auferstehung, »bis er kommt« in Herrlichkeit. Die gleiche Eucharistiefeier, die zum Gedächtnis dessen gefeiert wird, der uns in seiner messianischen Sendung durch sein Wort und sein Kreuz den Vater geoffenbart hat, beweist die unerschöpfliche Liebe, durch die er immer danach strebt, sich mit uns zu verbinden und mit uns eins zu werden, indem er allen Menschenherzen entgegenkommt.“
Mit einem Wort des jüdischen Rabbiners Abraham Joshua Heschel gesagt: „Gott sucht den Menschen!“ Johannes Paul II., der große Freund unserer älteren Brüder, hätte zustimmend genickt. Spüren wir Gottes barmherzige Liebe? Oder sind wir längst erkaltet und versteinert?
Die bisher bei CNA Deutsch veröffentlichten Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken von Johannes Paul II. im Überblick.
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