02 April, 2021 / 8:02 AM
Die Sonne leuchtete in den letzten Tagen frühlingshaft. Doch wir leben in einer Zeit der Finsternis, in der nebulöse Meinungen gläubige Menschen verunsichern und Suchende irritieren. Wir sehr wünschten wir uns, in dieser Nacht der Weltenzeit mehr Licht von droben sehen zu können. Dies sind die Tage, an denen wir den Kreuzweg meditieren und besonders teilhaben an der Passionsgemeinschaft mit dem Herrn. Ist uns das bewusst? Spüren wir die Nähe des Herrn? Sträuben wir uns gegen das Kreuz, das auf unsere Schultern gelegt ist? Oder brechen wir kraftlos, zermürbt und müde unter dem Kreuz zusammen?
Der hl. Johannes Paul II. hatte den Kardinaldekan Joseph Ratzinger beauftragt, die Betrachtungen für den Kreuzweg zu verfassen, dem am Karfreitag 2005 in Rom der Papst selbst vorstehen sollte. In den Stunden seines Leidens folgte der todkranke Johannes Paul II., zitternd ein Kreuz umklammernd, vor dem Bildschirm in seiner Privatkapelle dem Kreuzweg und vernahm die Texte, die sein späterer Nachfolger verfasst hatte. An die Meditation zur neunten Station möchte ich erinnern: „Was kann uns der dritte Fall Jesu unter dem Kreuz sagen? Wir haben an den Sturz des Menschen insgesamt gedacht, an den Abfall so vieler von Christus in einen gottlosen Säkularismus hinein. Müssen wir nicht auch daran denken, wie viel Christus in seiner Kirche selbst erleiden muß? Wie oft wird das heilige Sakrament seiner Gegenwart mißbraucht, in welche Leere und Bosheit des Herzens tritt er da oft hinein? Wie oft feiern wir nur uns selbst und nehmen ihn gar nicht wahr? Wie oft wird sein Wort verdreht und mißbraucht? Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wie viel leeres Gerede gibt es? Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muß doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns (vgl. Mt 8, 25).“ Wir bezeugen die Herrschaft des Säkularismus und auch die geschmeidigen Formen der Verweltlichung. Wir denken an den empörenden Skandal des sexuellen Missbrauchs und dessen Vertuschung, der Christen beschämt, bekümmert und ratlos macht. Wir denken an die verstörende Berichterstattung über Kardinal Rainer Maria Woelki vor einiger Zeit. Wir denken an die verfolgten Christen in aller Welt. Wir denken daran, dass der Botschaft des Herrn und der Lehre der Kirche mitten in ihr mit Geringschätzung und Feindseligkeit begegnet wird. Wir denken an Bischöfe, die den Katechismus umschreiben wollen. Wir denken an Priester, die Manifeste wider die Kirche Gottes unterzeichnen. Wir denken an die einfachen Gläubigen, die mitten in der Kirche wegen ihrer unverbrüchlichen Treue zum Credo der Kirche ausgelacht und verspottet werden. Wir denken an uns selbst und unser eigenes Ungenügen, unsere Schwächen, unsere Sünden.
Wie 2005 können auch wir heute mit Kardinal Ratzingers Worten beten: „Herr, oft erscheint uns deine Kirche wie ein sinkendes Boot, das schon voll Wasser gelaufen und ganz und gar leck ist. Und auf deinem Ackerfeld sehen wir mehr Unkraut als Weizen. Das verschmutzte Gewand und Gesicht deiner Kirche erschüttert uns. Aber wir selber sind es doch, die sie verschmutzen. Wir selber verraten dich immer wieder nach allen großen Worten und Gebärden. Erbarme dich deiner Kirche: Auch mitten in ihr fällt Adam immer wieder. Wir ziehen dich mit unserem Fall zu Boden, und Satan lacht, weil er hofft, daß du von diesem Fall nicht wieder aufstehen kannst, daß du in den Fall deiner Kirche hineingezogen selber als Besiegter am Boden bleibst. Und doch wirst du aufstehen. Du bist aufgestanden – auferstanden und du kannst auch uns wieder aufrichten. Heile und heilige deine Kirche. Heile und heilige uns.“ Ja, Satan lacht – aber er hat nicht das letzte Wort. Das wissen wir auch am Karfreitag und in den düstersten Stunden dieser Welt- und Kirchenzeit. Wir können darauf vertrauen. Wir dürfen daran glauben. Wir sind dazu berufen, durch das Zeugnis unseres Lebens davon zu erzählen. Tun wir, wozu wir bestellt sind? Stehen wir treu zum Herrn und zu Seiner Kirche? Wir sehen die Kreuze vor uns, auf uns und um uns. Was können wir tun? Vielleicht dies: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“
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