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Kardinal Müller: Synodaler Weg steht „im Gegensatz zur definierten dogmatischen Lehre“

Kardinal Gerhard Müller

Kardinal Gerhard Müller war Präfekt der Glaubenskongregation, nachdem er zuvor als Bischof von Regensburg und lange Jahre als Professor für Dogmatik in München gewirkt hatte. Im Nachgang zur vierten Synodalversammlung des deutschen Synodalen Wegs Anfang September ordnete Müller gegenüber CNA Deutsch die Ereignisse ein.

Sie haben lange „Dogmatik und ökumenische Theologie“ gelehrt und später die Glaubenskongregation geleitet. Erklären Sie uns, was die Einheit des Weihesakraments für die Forderung nach weiblichen Diakonen bedeutet?

Das Sakrament der Weihe ist eines von den sieben Sakramenten der Kirche, wie es das Konzil von Trient dogmatisch definiert hat. Es besteht in den drei Stufen von Bischof, Priester/Presbyter und Diakon. Diese Terminologie, welche die drei Stufen klar unterscheidet, hat sich im 1. Jahrhundert herausgebildet und ist seit dem 2. Jahrhundert normativ geworden.

Die um 200 n. Chr. erschienene Traditio Apostolica des Hippolyt von Rom fasst die bisherige Entwicklung zusammen und bezeugt die innere Einheit des dreigliedrigen Weiheamtes, das (je nach Weihegrad) an der Vollmacht der Apostel teilhat und ihre Sendung fortsetzt (vgl. Lumen gentium 28). Es ergibt sich aus der Natur des Weihesakramentes mit der Repräsentation Christi als Haupt und Bräutigam in der Relation zur Kirche als seines Leibes oder seiner Braut, dass nur ein Christ männlichen Geschlechtes – bei vorliegender persönlicher Berufung und moralischer und intellektueller Eignung – die natürliche Symbolik mitbringt, um aufgrund der Weihe diese – unumkehrbare – Relation Christi zu seiner Kirche darzustellen.

Eindeutig gilt dies für den Rang des Bischofs und des Priesters und in Abhängigkeit vom Bischof auch von den Diakonen (vgl. schon Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesier 6,1: „Der Bischof führt an Gottes Stelle in der Kirche den Vorsitz, das Presbyterium an Stelle der Ratsversammlung“, während – in dem einen Amt verbunden mit ihnen – die „Diakone mit dem Dienst Jesu Christi betraut“ sind.). Diese Regelung folgt wegen der inneren Einheit des Weihesakraments analog also auch für den Diakon, wenn auch in abgestufter Weise.

Frauen können aber alle nichtsakramentalen Ämter – gestützt auf das Sakrament der Taufe, verbunden mit einem persönlichen Charisma und erworbenen beruflichen Fähigkeiten – genauso wie Männer aufgrund einer Beauftragung durch den Bischof ausüben (vgl. Traditio Apostolica 10). Auch repräsentieren alle Getauften als Glieder des Leibes Christi Christus in der Welt, aber eben nicht Christus, insofern er das Haupt der Kirche ist, die er durch die geweihten Bischöfe, Priester und Diakone lehrt, heiligt und leitet (vgl. dazu meine Sammlung aller relevanten Texte in: Priestertum und Diakonat. Der Empfänger des Weihesakramentes in schöpfungstheologischer und christologischer Perspektive, Würzburg 1999. Ich habe dort alle relevanten theologischen Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakrament zu spenden, aufgeführt.).

Bischof Franz-Josef Bode sagte in der Pressekonferenz zum Abschluss der vierten Synodalversammlung, auch wenn Rom demnächst erneut sagen würde, die Frauenordination ist unmöglich, so sei eine solche Entscheidung doch „in der Geschichte gefällt“ und damit auch grundsätzlich revidierbar. Was sagen Sie zu dieser Ansicht?

Die Offenbarung Gottes hat sich geschichtlich ereignet. Sie ist vollendet und unüberbietbar in Christus, dem Fleisch gewordenen Wort (Logos), das bei Gott war und (als Sohn des Vaters) Gott ist. Sie bleibt aber in der „Lehre der Apostel“ (Apg 2, 42) oder dem Glaubensbekenntnis der Kirche (ihrem Dogma) gegenwärtig. Man braucht nicht alle Einzelelemente des Dogmas positivistisch aus der Heiligen Schrift abzuleiten, so als ob sie nicht das lebendige Zeugnis des Wortes Gottes, sondern nur ein davon abgeleitetes systematisches Lehrbuch sei.

Wem das Studium der ausgearbeiteten Theorien zur Dogmen-Geschichte bei Newman, Blondel oder Rahner zu aufwendig ist, der müsste doch wenigstens – zumal als Bischof – vertraut sein mit der Lehre des Zweiten Vatikanums über die Weitergabe der ein für alle Mal ergangenen Offenbarung, wie sie in der Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung Dei verbum (Art. 7-10) klar und bündig dargestellt ist.

Die Tragik dieses Ungetüms, das sich als „deutsche Nationalkirche“ geriert, besteht doch darin, dass ihre Wortführer den katholischen Glauben mit Einwänden der altliberal-protestantischen Theologie aus den Angeln heben wollen. Es ist klar: Wenn man die theologischen Erkenntnisprinzipien der katholischen Kirche nicht mehr kennt oder sogar explizit leugnet, dann kommt man beim liberalen Protestantismus an.

Man darf aber nicht vergessen, dass der Kulturprotestantismus, der das Christentum auf eine Humanitätsreligion reduziert, sich erheblich von der alten Reformation unterscheidet, die noch an der Tatsache der Offenbarung und der göttlichen Autorität der Bibel (sola- scriptura-Prinzip) festgehalten hatte. Diese arroganten und präpotenten „erwachsenen Katholiken“ und Pseudo-Reformer wähnen sich – erleichtert von dem „endlosen Widerstreit mit der Moderne“ – als den Teil der deutschen Nation, der die Emanzipation der Reformatoren von „Rom“ und dem „Mittelalter“ nun endlich im 21. Jahrhundert nachholt, um sich harmonisch in den Gleichschritt mit allen fortschrittlichen Kräften von heute einzuordnen.

Mitunter wurde betont, man solle anderen das Katholisch-Sein nicht absprechen. Aber irgendwann ist man nicht mehr katholisch, wenn man reihenweise den überlieferten Glauben für falsch hält und ihn ändern will. Welchen Maßstab muss man hier anlegen – wann ist jemand (auch ein Bischof) definitiv nicht mehr katholisch?

Das Katholisch-Sein hängt nicht davon ab, ob jemand aus subjektiven Gründen dem andern etwas zugesteht oder streitig macht. Es gibt objektive Kriterien. Das Zweite Vatikanum hat sowohl definiert, was die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ist, als auch, dass man sie daran erkennt, dass sie vom Papst in Rom und den übrigen Bischöfen in Einheit mit ihm in der Nachfolge der Apostel (Lumen gentium 8; 18; 23) geleitet wird. Das Konzil spricht auch von der Heilsnotwendigkeit der katholischen Kirche für alle, die ihre Autorität und Sendung von Christus her kennen. Demnach kann sich Katholik nur derjenige nennen, der der Kirche sakramental eingegliedert ist, ihr Glaubensbekenntnis innerlich bejaht und nach außen kundtut sowie ihre sakramental-hierarchische, also bischöfliche Verfassung anerkennt (Lumen gentium 14; 18-29).

Viele Gläubige sehen nun schwarz auf weiß: Mein Bischof teilt nicht mehr den Glauben, den ich im Katechismus finde und den ich gemein habe mit allen Katholiken der letzten zwei Jahrtausende. Was raten Sie als Seelsorger diesen Gläubigen?

Einem häretischen und schismatischen Bischof können und dürfen wir nicht gehorsam sein. Wir brauchen auch nicht auf „Rom“ und die „Weltkirche“ zu warten, denn die Thesen des „Synodalen Weges“ stehen evident im Gegensatz zur definierten dogmatischen Lehre der Kirche in Glaubens- und Sittenfragen, wie sie jedem Katholiken vom Ökumenischen Konzil des Zweiten Vatikanums mit höchster Autorität zu glauben vorgelegt sind. Im Übrigen hat dieses Konzil keine neuen Dogmen im Sinne einer Definition vorgelegt, sondern nur die immer gültige Lehre der Kirche mit Rückgriff auf die Heilige Schrift, die Kirchenväter und die großen Kirchenlehrer sowie die ökumenischen Konzilien wie diejenigen von Nizäa, Chalkedon, Trient, Vatikanum I für die Gläubigen von heute erklärt.

Bischof Rudolf Voderholzer hat gesagt, die Aufgabe eines Bischofs sei, „den Glauben der Kirche zu lehren, zu erschließen, zu begründen – so die Menschen im Glauben zu heiligen und das Bistum in der Einheit dieses Glaubens auch mit der Weltkirche zu leiten und in Bezug auf diese Lehre die Rezeption sozusagen zu fördern“. Das leuchtet eigentlich ein. Warum sucht die Mehrheit der Bischöfe das Heil in der Neuerung?

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Das Wort von der Neuerung ist zweideutig. Neuerung kann sowohl den Widerspruch zur immer gültigen Lehre der Kirche bedeuten als auch das Aufwärmen alter Häresien.

Die sogenannte „Homosexualität“ – das penetrant und präpotent propagierte Leib- und Magenthema unserer „Reformer“ – war als „widernatürlicher Geschlechtsverkehr“ (Röm 1,26f) und ebenso wie die Pädophilie in der alten heidnischen Kultur geduldet und verbreitet. Die Kirche hat aber mit dem Evangelium das Neue gebracht und das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe vom ursprünglichen Schöpferwillen her erneuert und damit die Menschen von der Versklavung an die ungeordneten Triebe und Neigungen befreit (Mt 19,4-6).

Der Arianismus z. B. war eine „Neuerung“ gegenüber der Apostolischen Tradition, aber ein Rückschritt hinter die Wahrheit, dass in Christus die unüberbietbare „Neuheit“ der Gotteserkenntnis und der Erlösung in die Welt gekommen ist (Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien IV, 34, 1).

Was sollte Papst Franziskus jetzt tun, um auf die eindeutigen Abweichungen von der überlieferten Lehre zu reagieren? Müsste er nicht letztlich sogar diejenigen Bischöfe ihres Amtes entheben, die nicht bereit sind, einzulenken?

Die Pflicht des Papstes, die Brüder im Glauben an Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, worin alle Wahrheiten enthalten sind (Lk 22,32; Mt 16,16-18; Joh 21,15-17), zu stärken, ergibt sich unmittelbar aus seinem Auftrag, den er von Christus erhalten hat und vor dem er sich in seinem Gewissen und dann im persönlichen Gericht zu verantworten hat. Den größten Schaden, den Bischöfe anrichten können, ist der Abfall vom Glauben, sind die Irrlehren in der Verkündigung und ist die schismatische Trennung von der Einheit der Kirche und der Wahrheit des Evangeliums.

Unser aller Aufgabe ist es, für den Heiligen Vater zu beten. Die Kardinäle haben überdies die Gewissens-Pflicht, dem Papst bei der Regierung der Kirche mit Rat und Tat freimütig beizustehen, wobei sie sich auch sachlich kompetent und kritisch-unterscheidend äußern müssen. Der bedeutende Theologe Melchior Cano hat mitten in der größten Krise der abendländischen Christenheit aufgrund der protestantischen Abspaltung in seiner „Theologischen Erkenntnislehre“ aus dem Jahr 1563 geschrieben: „Petrus ist nicht auf unsere Lügen und Schmeicheleien angewiesen. Gerade diejenigen, die jede Entscheidung des Papstes blind und unkritisch verteidigen, tragen am meisten dazu bei, dass die Autorität des Heiligen Stuhles untergraben wird. Sie stärken seine Fundamente nicht, sondern zerstören sie.“ (Vgl. mein Buch beim Herder-Verlag: Der Papst. Sendung und Auftrag, Freiburg/Brg. 2017, 132.)

Und abschließend: Wenn man sich die Synodalversammlung im Livestream anschaut, sieht man bei vielen Synodalen eklatante Mängel in der Kenntnis des Glaubens, in der Theologie, ja sogar in der Logik. Wie soll man überhaupt anfangen, die Ruinen der Christenheit in Deutschland wieder aufzubauen, wenn es in weiten Teilen gar kein Fundament mehr zu geben scheint?

All das erinnert an eine Versammlung auf der „Animal Farm“, so wie George Orwell die Manipulationen der Delegierten mit Propaganda, Sozialdruck, Mainstreaming und „Neusprech“, also Beseitigung der Denkfreiheit durch Uniformierung der Sprachmöglichkeiten, und „Doppeldenk“, also die Fähigkeit, diametral sich widersprechende Positionen zugleich als wahr zu akzeptieren, beschrieben hat. Der Katholik unterscheidet sich von den Tätern und Opfern totalitärer Systeme durch das freudige Hören des Wortes Gottes und die opferbereite Nachfolge Christi sowie die Freiheit des Glaubens im Heiligen Geist. Wie die Verbesserung der gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse misslingt, können wir im Roman „1984“ des gleichen Autors glänzend studieren.

Wie aber die Erneuerung unseres Denkens und Handelns in Christus zum Segen für die ganze Kirche wird, können wir vom Wort des Apostels Christi lernen: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch reformieren im Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, das Wohlgefällige und Vollkommene“ (Röm 12,2).

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