02 Februar, 2018 / 8:01 AM
Der kurze, prägnante, reißerisch daherkommende Buchtitel ist provokativ. Hat da etwa jemand über einen Gott geschrieben, der nackt ist? Und was ist ein nackter Gott überhaupt? Am Karfreitag 2017 schreibt der deutsch-belgische Schriftsteller und Romanautor Freddy Derwahl seinen "Versuch über die Nacktheit Gottes". Und wie könnte es anders sein, nicht nur der Titel des Buches läßt irgendwie die nachkonziliare Auflösung alles Katholischen anklingen. Es wird geradezu bestätigt, wenn Derwahl schreibt: "Im Mai ’68 schien ein nackter Gott für uns Studenten ein radikal reiner Gott zu sein, der die Freiheit von allen gesellschaftlichen Zwängen liebte." Dabei wird Nacktheit als Befreiung empfunden. Der Autor entdeckt sie sowohl in der bildenden, der darstellenden Kunst, als auch bei Autoren wie Camus, sowie in geschichtlichen Ereignissen. Ja selbst in der Kirche findet er sich bestätigt. Bei Papst Johannes Paul II. findet er: "Die Nacktheit bezeichnet das ursprüngliche Gut der göttlichen Schau …"
Freddy Derwahl geht jedoch eigene Wege. Er sucht Gott in allen Phasen seines Lebens, dies bezeugt er in vielen seiner Romane und anderen Bücher. Das vorliegende Buch "Tage- und Nachtbücher über das Markusevangelium oder: Der nackte Gott", sind Gedanken zum kürzesten der vier Evangelien und entstanden im Zusammenhang mit einer langen Krankheit, die Derwahl gerade überstanden hatte. In vielen Spaziergängen erwägte er ganz untheologisch Aussagen des Evangelisten Markus. Die Tagebuchaufzeichnungen, zwischen April und September 2015 entstanden, sind Auseinandersetzung mit sich selbst in Beziehung zu Jesu Worten und dessen Geschichten, die Markus aufgeschrieben hat. Derwahl hat sie notiert nach seinen Spaziergängen, Begegnungen oder Besuchen an anderen Orten.
Die Aufzeichnungen geben einen Blick frei auf Ereignisse im Leben des Autors, die sich ohne weiteres sowohl auf die Literatur als auch den realen Kontakt beziehen können. Immer wieder wird alles bezogen auf Stellen bei Markus’ Evangelium. In einem manchmal auch amüsanten geistlichen Lesebuch lässt Derwahl den Leser Einblicke gewähren in sein Inneres und in vergangene Begegnungen, die so wichtig für ihn waren. Und immer wieder das Kreisen um den nackten Gott. Ihn findet er am Kreuz und bei der Auferstehung. Dann, so meint Freddy Derwahl, würden "wir alle verklärte Nackte sein".
Doch das Buch ist nicht blasphemisch, es ist ganz rein. Der Autor, der zeit seines Lebens immer auf der Suche war, auch auf der Suche nach dem Mönchsleben, weil er wusste, dass die Mönche näher an Gott seien, bestieg unzählige Berge, jene Orte bevorzugter Gotteserscheinungen. Er wollte immer auch selbst Gott begegnen, ihn sehen, mit ihm reden. Derwahl wird Gott erfahren haben. Er weiß es aus seiner Erfahrung und hat es aufgeschrieben: wenn es hart auf hart kommt, das ist die Stunde der Entscheidung, sind wir "nackt, weil bloßgestellt".
Freddy Derwahl, Der nackte Gott, ist im Verlag Neue Stadt erschienen und hat 128 Seiten.
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