11 April, 2023 / 1:00 AM
In seiner Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps betonte Papst Franziskus im Januar, dass der Frieden auch die allgemeine Anerkennung der Religionsfreiheit erfordere. Es sei besorgniserregend, sagte der Papst, dass es Menschen gebe, die verfolgt werden, nur weil sie sich öffentlich zu ihrem Glauben bekennen. Es gebe viele Länder, in denen die Religionsfreiheit eingeschränkt sei. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung, erinnerte Papst Franziskus, lebt in diesem Zustand. Neben der fehlenden Religionsfreiheit gibt es auch eine Verfolgung aus religiösen Gründen. Er könne nicht umhin zu erwähnen, dass, wie einige Statistiken zeigen, jeder siebte Christ verfolgt wird, so der Papst weiter.
Das Thema Religionsfreiheit war auch in Genf bei der UN während der 52. Tagung des Menschenrechtsrates ein wichtiger Diskussionsgegenstand. Bei einer Veranstaltung mit dem Motto „‚Schwer zu glauben‘: Trends bei den Beschränkungen der religiösen Bekehrung“, nahm auch der Heilige Stuhl teil.
Ist das Verbot, wie in England, selbst in Gedanken zu beten, eine ernsthafte Verletzung der Menschenrechte? Könnte das Predigen von Bibelbotschaften in Zukunft als Hassrede ausgelegt werden? Ist es Aufgabe des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf, andere Diplomaten daran zu erinnern, die Überzeugungen eines Menschen, die Menschenwürde und das Gemeinwohl zu schätzen?
Wir sprachen mit dem Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf, Erzbischof Fortunatus Nwachukwu, der ja bereits am 15. März zum Sekretär der Sektion für die erste Evangelisierung und die neuen Teilkirchen des Dikasteriums für die Evangelisierung ernannt wurde, aber noch nicht im Amt ist.
Exzellenz, der Titel der Veranstaltung, an der Sie teilnahmen, bezieht sich zwar auf die Bekehrung, aber es ging um das ganze Spektrum der Religions- und Glaubensfreiheit, nicht wahr?
Ich muss vielleicht noch präzisieren, dass die Veranstaltung von den Delegationen Polens und Ungarns in Zusammenarbeit mit ADF International, also der Allianz zur internationalen Verteidigung von Freiheiten, organisiert wurde. Es gab auch Mit-Veranstalter wie den Malteserorden und andere. Ziel war es, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass es immer noch Orte und Regionen auf der Welt gibt, in denen Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit eingeschränkt oder sogar bestraft werden. Es ist also nicht nur eine Frage der Bekehrung, sondern eine Frage der freien Religionswahl.
Natürlich gehört zu jeder Religion eine Bekehrung, denn man muss hineinwachsen, also von dem, was man vorher war, zu etwas Neuem übergehen. Aber hier ging es nicht um das, was wir als Bekehrung innerhalb einer Religion bezeichnen, sondern um die Freiheit, seine Religion zu wählen, was in einigen Teilen der Welt eingeschränkt oder sogar bestraft wird.
In einer Ansprache im Jahr 2019, sagte der UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor der UN in New York, an den damaligen US-Präsident Donald Trump gerichtet: „Zunächst möchte ich Sie, Herr Präsident, dafür loben, dass Sie die Religionsfreiheit in den Mittelpunkt gestellt haben, ein dringendes globales Thema, das auch mir sehr am Herzen liegt. Im Jahr 2001 hat mein Land auf meine Initiative als Ministerpräsident Portugals die Religionsfreiheit im Gesetz verankert, um die Vorteile, die die katholische Kirche in Portugal traditionell genießt, auszugleichen und auf alle Religionen im Land auszuweiten. Die Maßnahme besagt, dass niemand aufgrund seiner Religion privilegiert oder verfolgt werden darf und dass der Staat keine Religionsgemeinschaft gegenüber anderen diskriminieren darf.
Wenn wir uns in der Welt umsehen, wissen wir tragischerweise, dass dies für Millionen von Menschen nicht die Realität ist. Es ist völlig inakzeptabel im 21. Jahrhundert, dass Menschen wegen ihrer Überzeugungen diskriminiert und eingeschüchtert werden. Und die Verfolgung religiöser Minderheiten ist völlig inakzeptabel.“
Die Vereinten Nationen scheinen sich also für eine weltweite Religionsfreiheit einzusetzen. Allerdings halten sich offensichtlich nicht alle Mitgliedstaaten daran. Ein aktueller, skandalöser Fall fand kürzlich vor den Toren der EU statt, in Großbritannien. Am 6. Dezember 2022 stellte sich die Ko-Direktorin des Marsch für das Leben in Großbritannien in besinnlicher, vertiefter Haltung vor eine Abtreibungsklinik in Birmingham. Wenige Minuten später wurde sie unter dem „Verdacht“ festgenommen, dass sie „geistig bete“. Zwei Monate später ließ das Gericht die Anklage zwar fallen und stellte fest, das stilles Gebet kein Vergehen sei. Jedoch stimmte am 7. März 2023 das britische Unterhaus dafür, das alle Formen der „Beeinflussung“ in der Nähe, in der sogenannten Pufferzone vor Abtreibungseinrichtungen in England und Wales, zu kriminalisieren seien, wozu auch das stille Gebet gehöre.
Doch die Absurdität endete damit nicht, denn nur wenige Wochen später wurde die gleiche junge Frau, die zuvor für „nicht schuldig“ befunden worden war, erneut, versunken in ein stilles Gebet vor der gleichen Abtreibungsklinik, von der Polizei verhaftet.
Exzellenz, die Freiheit des Denkens scheint in Gefahr zu sein. Unter Verwendung des Titels der UN-Veranstaltung, über die wir gerade sprechen, ist es in der Tat „schwer zu glauben“, dass ein solches Gesetz im Vereinigten Königreich überhaupt existiert, und jemand sogar dafür von der Polizei verhaftet wurde. Geht das nicht entschieden zu weit – der Versuch, per Gesetz die Gedanken der Menschen zu kontrollieren, zum Beispiel das stille Gebet? Die Frage, die sich aufdrängt: Ist dies nicht ein schwerer Verstoß gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die auch das Vereinigte Königreich bereits 1948 mit verabschiedet hat?
Es ist, wie Sie sagten, schwer zu glauben, aber erlauben Sie mir, das noch etwas näher zu erläutern, zu präzisieren. Zunächst einmal ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kein verbindliches Rechtsinstrument. Wir können also nicht wirklich von einem Verstoß gegen ein vorhandenes Rechtsinstrument sprechen. Was jedoch ein verbindliches Rechtsinstrument ist, ist die Internationale Konvention über bürgerliche und politische Rechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der, ich glaube, 1976 in Kraft getreten ist und dem das Vereinigte Königreich beigetreten ist.
Das Vereinigte Königreich ist einer der mehr als 170 Staaten, die dieser Konvention beigetreten sind. Und diese Konvention schützt in Artikel 18, wie auch der Artikel 18 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, die Religionsfreiheit, die Glaubensfreiheit. Es ist also völlig überraschend und inakzeptabel, dass ein Vertragsstaat solche Maßnahmen ergreift, denn es ist in Bezug auf die Menschenrechte vereinbart, dass das Recht einer Person dort aufhört, wo das Recht einer anderen Person beginnt, oder dass ein Recht dort aufhört, wo das andere Recht beginnt.
Sie versuchen also, die Rechte von Menschen zu schützen, die Mord begehen wollen, also, wie wir die Abtreibung sehen, denn entweder erkennt man das ungeborene Kind als menschliches Wesen an oder nicht. Für diejenigen, die das ungeborene Kind als menschliches Wesen anerkennen, ist die Abtreibung ein Mord.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Wenn man also einer Person das Recht zugestehen will, einen Mord zu begehen, dann müssen wir doch zumindest auch das Recht einer Person respektieren, ihre Meinung frei zu äußern. Und was unglaublich ist, ist die Tatsache, dass es sich in dem von Ihnen erwähnten Fall sogar um ein stilles Gebet handelte.
Nun, ich will Ihnen mal etwas sagen. Ich bin in einem Land aufgewachsen, das eine britische Kolonie war, und wir sind damit aufgewachsen, und haben zum Vereinigten Königreich als ein Vorbild aufgeschaut, wenn es um, sagen wir mal, die Prinzipien des richtigen Handelns ging. Und ich muss Ihnen sagen, das basierend auf den Grundsätzen, die ich von den britischen Kolonialherren gelernt habe, der Erziehung, die sie uns gegeben haben, und basierend auf den Grundsätzen, die ich von den westlichen Missionaren gelernt habe, sehr enttäuscht bin, wenn so etwas geschieht.
Sie erlauben also einer Person nicht, ihr Recht zu gebrauchen, auch ohne etwas zu sagen, ein stilles Gebet zu sprechen, Sie verbieten ihr das. Das ist unfassbar.
Bewegen wir uns nicht auf eine Situation zu, in der das Zitieren des eigenen religiösen Glaubens in der Öffentlichkeit, einschließlich der sozialen Medien, und sogar die Predigt in der Kirche als Hassrede strafrechtlich verfolgt wird?
Was mich beunruhigt ist die unterschiedliche Art und Weise, in der sie diese Grundsätze anwenden. Ich komme auf das zurück, was ich vorher gesagt habe. Ich bin mit der Kultur aufgewachsen, die wir von der westlichen Welt gelernt haben, und dazu gehören auch die nördlichen Länder Europas. Die Kultur, die wir von ihnen als das Ideal gelernt haben. Und es ist unglaublich was wir jetzt erleben. Ich gebe Ihnen ein Beispiel.
Im Westen sehen wir Menschen, die den Zigarettenherstellern erlauben, oder sie sogar dazu zwingen, sehr aggressive Begriffe auf die Packungen zu drucken. Jedoch kann die Person, die raucht, sagen, sie habe das Recht zu wählen, ob sie raucht oder nicht. Das wird nicht als Verletzung der Freiheit dieser Person angesehen.
Aber eine Person, die in ihrer Kirche in der Bibel liest oder in ihrer Kirche predigt, wird als Verletzung der Freiheit der anderen Person angesehen? Was ist das für ein zerstückelte Anwendung der Menschenrechte? Das ist, gelinde gesagt, absurd. Und wir erwarten von Europa und dem Westen, dass sie die Führung übernehmen und diese Menschenrechte richtig auslegen.
Viele Menschen meinen, dass die Vereinten Nationen keine Gesetze machen, sie können nur Vorschläge machen. Exzellenz, gehört es nicht auch zu Ihrem Auftrag als Diplomat des Heiligen Stuhls bei der UNO in Genf, den Ihnen der Papst selbst erteilt hat, mit anderen Diplomaten und Botschaftern Gespräche zu führen und Gedanken und Überzeugungen auszutauschen, um deren Regierungen dabei zu unterstützen, Lösungen zu finden, die in Gesetze umgesetzt werden, Gesetze, die den Glauben der Menschen, die Menschenwürde und das Gemeinwohl verteidigen?
Wenn Sie mir gestatten, möchte ich auf das, was Sie gesagt haben, hier noch etwas präziser eingehen. Sie sagten, die Vereinten Nationen machen keine Gesetze. Doch sie machen sehr wohl Gesetze. Eigentlich kommt es darauf an, wie man die Vereinten Nationen versteht. Wenn wir über die administrative Organisation der Vereinten Nationen sprechen, dann ja, sie macht keine Gesetze. Sie erleichtert die Zusammenkunft zwischen Staaten. Aber wenn wir die Vereinten Nationen als eine Versammlung verschiedener Nationen betrachten, dann ist diese Versammlung dazu da, Gesetze zu erlassen, denn sie kommen zusammen, um die Grundsätze des Zusammenlebens zwischen den verschiedenen Nationen der Welt zu diskutieren und zu vereinbaren. Aus diesem Grund haben wir Konventionen. Eigentlich sind Konventionen internationale Gesetze. Und dann gibt es normalerweise auch sogenannte weiche Gesetze und sogar zivile und politische Gesetze auf internationaler Ebene in den Konventionen.
Daher heißt es: Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten. Wenn also ein Staat diese internationalen Konventionen unterzeichnet, ist er verpflichtet, diese Konventionen in seine nationale Gesetzgebung zu übernehmen und umzusetzen. Also, ja, als eine Versammlung von Nationen machen die Vereinten Nationen Gesetze, weil sie Konventionen schaffen, sie schaffen auch internationale humanitäre Gesetze.
Und warum ist der Heilige Stuhl dann dort? Die Position des Heiligen Stuhls dort ist sehr wichtig, weil die beteiligten Staaten ihre nationalen Interessen verteidigen wollen, und die Gefahr besteht, die universelle Dimension, die universelle Perspektive aus den Augen zu verlieren. Wenn der Heilige Stuhl also an diesen Konferenzen teilnimmt, bringt er die katholische Dimension ein. Nun, ich sage katholisch, nicht aus dem Blickwinkel der Religion, sondern katholisch unter dem Gesichtspunkt der Universalität. Wir bringen also nicht den Standpunkt einer nationalen Ideologie oder eines nationalen Interesses mit, sondern wir bringen die Dinge auf den Tisch, die jeden Menschen betreffen. Unser Ziel ist es also, bei allen Diskussionen den Menschen, die menschliche Person, in den Vordergrund zu stellen.
Und deshalb läuft die Diplomatie, das diplomatische Engagement des Heiligen Stuhls, in der Regel auf diese drei Prinzipien hinaus: menschliches Leben, Menschenwürde, Gemeinwohl. Und dies sind die drei Prinzipien, die der katholischen, der universellen Dimension der Mitwirkung des Heiligen Stuhls zugrunde liegen.
Der Papst und der Heilige Stuhl halten die Vereinten Nationen für das am besten geeignete internationale Forum, um eine Annäherung der verschiedenen Themen und Interessen zu erreichen. Im Dezember 2019 bekräftigten der Papst und UN-Generalsekretär António Guterres in einer gemeinsamen Videobotschaft, dass „das Vertrauen in den Dialog zwischen den Menschen und zwischen den Nationen, in den Multilateralismus, in die Rolle der internationalen Organisationen und in die Diplomatie als Instrument der Wertschätzung und des Verständnisses unabdingbar für den Aufbau einer friedlichen Welt ist“.
Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Alex Mur | Deutsche Sprecher: Vanessa Weisbrod, Jan Terstiege, Matthias Ubert | Redaktionelle Bearbeitung, Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN und CNA Deutsch.
Hinweis: Dieser Blogpost – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – sind kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.
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