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Vatikan-Botschafter bei UN in Genf: „Die Menschheit wird nur durch unseren Herrn gerettet“

Christian Peschken (EWTN) im Gespräch mit Erzbischof Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf

Während der kürzlich zu Ende gegangenen Sitzungen des Menschenrechtsrats bei der UN in Genf war der Heilige Stuhl sehr aktiv vertreten. Wir sprechen mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls, über seine Statements während der Generaldebatte, der Sitzung über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Sitzung über das Recht auf Trinkwasser und Sanitärversorgung, und der Sitzung über das Recht auf Entwicklung.

Anfang September diesen Jahres haben Sie im Namen des Heiligen Stuhls an der Generaldebatte der 54. Sitzung des Menschenrechtsrates der UNO in Genf teilgenommen und eine Erklärung abgegeben, in der Sie daran erinnerten, dass wir Ende dieses Jahres den 75. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung über die Menschenrechte begehen werden. Angesichts des anhaltenden Wahnsinns von Kriegen, sei es in der Ukraine oder Israel und Palästina und so vielen anderen gewalttätigen Konflikten weltweit, angesichts von Hungersnöten, Vorurteilen, Diskriminierung und Unterdrückung scheint es, als sei die Allgemeine Erklärung über die Menschenrechte nicht viel wert …

Nun, ich wäre nicht so pessimistisch. Ich glaube, es ist, wie Sie sagen, oder wie Sie uns daran erinnern, eine Erklärung, aber es ist eine sehr wichtige Erklärung. Auf dieser Erklärung ist viel aufgebaut worden; sie ist ein Meilenstein in der Rechtsgeschichte der Menschheit. Sie wurde, wie wir wissen, am Ende des Zweiten Weltkriegs vereinbart, und auf dieser Erklärung beruht sehr vieles. Es gibt viele Konventionen, internationale Übereinkommen, rechtsverbindliche Verträge, die darauf fußen. Wir sollten sie also nicht unterschätzen.

Aber natürlich müssen wir realistisch sein, und wir sollten auch die Tatsache berücksichtigen, dass nichts den menschlichen Willen ersetzen kann. Die Erklärung ist ein wichtiger Meilenstein. Aber die Erklärung ist nicht genug, um die Menschheit zu retten. Die Menschheit wird nur durch unseren Herrn gerettet, und nichts und niemand sonst kann die Menschheit retten, nichts und niemand sonst kann den menschlichen Willen ersetzen, die Entschlossenheit, das umzusetzen und nicht abzuweichen oder zu korrumpieren, was in dieser Deklaration vereinbart worden ist.

In diesem Sinne sehe ich auch die Rolle der Kirche. Die Rolle der Kirche ist es, der Menschheit, den Gesetzgebern, den Regierungen zu helfen, sich an diese Erklärung zu halten, sie nicht wesentlich zu verändern, sondern sie formal aufrechtzuerhalten und zu versuchen, den Impuls und die Bereitschaft zu ihrer Umsetzung aufrechtzuerhalten, sie als Inspiration und als Grundlage für alle Gesetzgeber und alle Gesetzgebungen der Welt, bestehen zu lassen.

Während der Menschenratssitzung erinnerten Sie die Teilnehmer daran, dass die in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung verankerten Menschenrechte niemandem geschenkt werden, sondern jedem Dokument vorausgehen, also immer schon bestanden. In diesem Zusammenhang wiesen Sie auf das so genannte „Recht auf Abtreibung“ hin. Sie kamen zu dem Schluss, dass „neue Rechte“ nicht einfach dadurch legitimiert werden sollten, dass eine Mehrheit von Individuen oder Staaten sie erklärt. Sind diese Mehrheiten für diese Art von „Rechten“ nicht das Ergebnis eines Versagens insbesondere der Kirche, nämlich vor allem jungen Menschen die Heiligkeit des Lebens zu vermitteln?

Wie Sie in Ihrer Frage angedeutet haben, habe ich das Thema Abtreibung erwähnt und darauf hingewiesen, dass jedes Jahr etwa 73 Millionen Abtreibungen in der Welt vorgenommen werden. Ich meine, das ist nicht „nahezu“ ein Völkermord, sondern es „ist“ ein Völkermord, der stattfindet.

Das ist etwas sehr Trauriges, besonders Beklagenswertes und es ist inakzeptabel und kann nicht als ein „neues“ Menschenrecht getarnt anerkannt werden. Deshalb betonte ich, dass wir keine Menschenrechte schaffen dürfen, nur um unseren Egoismus zu befriedigen.

Nachdem ich dies während der UN-Sitzung gesagt hatte, und das möchte ich hier hervorheben, war ich erstaunt, so viele E-Mails zu erhalten. Unsere Genfer Mission hat E-Mails aus der ganzen Welt erhalten, in denen ihr für diesen Einsatz gedankt wird. Diese E-Mails kamen aus Asien, Singapur, Lateinamerika, Afrika und aus vielen verschiedenen Ländern in Europa und auch aus den Vereinigten Staaten. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es war, auf dieses Thema hinzuweisen, und dass die Arbeit und die Worte der Kirche weltweit beachtet werden.

Das Problem ist meiner Meinung nach, dass wir nicht Bestrebungen und Rechte verwechseln dürfen. Noch mehr, wenn die Bestrebungen nicht von der Achtung der Menschenrechte, sondern von Egoismus und reiner Bequemlichkeit geleitet werden. Das ist das eigentliche Problem.

Manchmal schieben wir die Menschenrechte als Deckmantel vor, für unsere eigenen menschlichen Schwächen, unsere menschlichen Bestrebungen, unseren eigenen menschlichen Egoismus. Das Problem ist, dass die Erklärung der Menschenrechte besagt, dass bestimmte Dinge aufgrund der Geschichte der Menschheit nie wieder geschehen sollten. Es scheint so, das wir von diesem Bewusstsein abweichen und den Bezug zur grundlegenden Achtung vor dem Menschen verlieren. Es ist eine Tatsache, dass die Basis und das Bewusstsein für die Menschenrechte auf der Grundlage eines tiefen Respekts vor dem menschlichen Wesen entstanden sind.

Es besteht eine starke Überzeugung, eine Überzeugung, dass es in unserer eigenen Natur eine Botschaft gibt, die Respekt verlangt, überall, immer, unter allen Umständen. Diese Botschaft stammt aus der Beschaffenheit unserer Natur, aus dem Gesetz unserer Natur.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen, die Kirche sollte nicht in die Falle tappen, sich selbst für alles zu beschuldigen, für alle Entgleisungen, die in der Welt passieren. Aber die Kirche sollte es ebenso vermeiden, der Welt zu folgen, einer Welt, die oft eher von Egoismus als von Respekt getrieben ist. Die Kirche sollte stattdessen immer dem folgen, was das Evangelium sagt, und zwar mit der Hilfe des Heiligen Geistes. Das ist es, was die Kirche tun soll, und sie ist aufgerufen, konsequent die Wahrheit der menschlichen Werte zu verkünden, die in Gott, dem Schöpfer, und in dem Gesetz wurzeln, das er selbst in die menschliche Natur gelegt hat.

Wenn wir uns gegen unsere menschliche Natur richten, wenden wir uns letztlich gegen Gott, der der Schöpfer unserer Natur ist. Es ist also kein Versagen der Kirche, wenn die Welt selbstsüchtig ist und das menschliche Leben bedroht oder gar auslöscht. Das wäre ein Versagen von Jesus Christus. Aber Jesus Christus gewährt Freiheit, auch wenn die Freiheit in Katastrophen führen kann, wie es bei der Abtreibung der Fall ist.

Die Kirche versagt, wenn sie nicht den Mut hat, die Heiligkeit des Lebens zu verkünden und diejenigen zu unterstützen und zu begleiten, die Schwierigkeiten haben, diejenigen die unter Versuchungen leiden, und diejenigen zu beraten, die ein Problem damit haben, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu erkennen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Das ist also meiner Meinung nach das ganze Spektrum, das wir im Auge behalten sollten, wenn wir uns mit diesem sehr wichtigen und bedeutenden Thema befassen.

Sie haben an einer der Sitzungen mit dem Sonderberichterstatter für die Menschenrechte über sicheres Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen teilgenommen. Wie wird das UN-Rechtsinstrument über das Recht auf Wasser umgesetzt? Kann es überhaupt rechtlich durchgesetzt werden?

Sie haben das eigentliche Problem benannt. Es kann leider nicht rechtlich durchgesetzt werden, denn nach internationalem Recht handelt es sich dabei um ein sogenanntes Soft Law. Grundsätzlich verstanden ist natürlich das „Recht“ auf Wasser von ausschlaggebender Bedeutung, aber dieses Recht ist mit ähnlichen Zwecken und Zielen verflochten. Es ist eine Frage der Sicherheit, eine Frage der Souveränität, eine sehr wichtige Frage, und es ist auch eine wirtschaftliche Frage. Da die Gewährleistung des Zugangs zu Wasser in der Regel nicht viel Geld einbringt, sondern eher Ausgaben verursacht, wird dies vor allem in den Entwicklungsländern, die im Allgemeinen die größte Herausforderung, haben den Zugang zu sicherem Trinkwasser zu gewährleisten, zu einem riesigen Problem.

Dieses Recht wird also als sogenanntes Soft Law anerkannt. Was jedoch im Hinblick auf die Wirksamkeit des Rechts auf Wasser fehlt, ist die Initiative der Staaten, dieses Recht durch geeignete Maßnahmen umzusetzen. Außerdem ist die Definition dieses Rechts ein wenig zu allgemein gefasst. Und dann fehlen rechtliche Mechanismen zur Durchsetzung und Einhaltung dieses Rechts. Daher denke ich, dass der Aufruf von Papst Franziskus, einen rechtsverbindlichen Vertrag oder ein Protokoll zu schaffen, um dieses wesentliche Menschenrecht mit Leben zu füllen, äußerst wichtig ist.

Sie beteiligten sich auch an dem Dialog mit dem Sonderberichterstatter für das Recht auf Entwicklung, als das Recht der Menschen auf Verbesserung, Wachstum und Entwicklung in allen Lebensbereichen. Dazu gehört auch die Religionsfreiheit. Dabei zitierten Sie aus der Enzyklika „Fratelli Tutti“ von Papst Franziskus: „Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu leben und sich ganzheitlich zu entwickeln; dieses Grundrecht kann von keinem Land verweigert werden.“ Exzellenz, kann ein Land dieses, wie Sie es in Ihrem Vortrag nannten, „menschenzentrierte Entwicklungsmodell“ umsetzen oder vorantreiben, ohne zuerst das menschenzentrierte Modell unseres Schöpfergottes anzuerkennen und zu befolgen?

Staaten können versuchen, dieses auf den Menschen ausgerichtete Entwicklungsmodell voranzutreiben, ohne zuerst Gott anzuerkennen. Das ist in der Tat der Fall. Ich persönlich glaube, dass alle Unzulänglichkeiten, alle Verzögerungen, alle Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten darauf zurückzuführen sind, dass es eben keinen auf Gott zentrierten Ansatz gibt, auch in der Frage der Entwicklung.

Wenn Gott geleugnet wird, ist der Mensch gefährdet. Das zeigt und lehrt uns leider die Geschichte. Wesentlich wäre also, Gott in den Mittelpunkt zu stellen und sich von ihm inspirieren zu lassen, einen menschenzentrierten Ansatz zu haben, der in der Tat um jeden Preis, unter allen Umständen, die Würde des Menschen achtet und schützt. Ist dieses nicht der Fall, dann war der Mensch schon immer vielen Gefahren ausgesetzt.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Laetitia Rodrigues und Alex Mur | Deutscher Sprecher: Jan Terstiege | Redaktionelle Bearbeitung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN, EWTN News und CNA Deutsch.

Hinweis: Dieser Blogpost – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – sind kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.

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