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Zum Rücktritt von Pater Hermann Geißler

Die Glaubenskongregation

Auf den ersten Blick scheint der Fall klar: Ein Priester wird des Fehlverhaltens gegenüber einer Frau beschuldigt und tritt von seinem Amt im Vatikan zurück.

Doch hinter dieser Nachricht von der Mitteilung des Heiligen Stuhls vom Rücktritt, dass Pater Hermann Geißler auf eigenen Wunsch seinen Dienst beendet hat, steckt mehr (CNA Deutsch berichtete).

"Mit Datum vom 28. Januar 2019 hat P. Hermann Geißler den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre darum gebeten, seinen Dienst zu beenden. Der Präfekt hat dieser Bitte entsprochen. Pater Geißler hat sich zu diesem Schritt entschlossen, um weiteren Schaden von der Glaubenskongregation und von seiner Gemeinschaft abzuwenden. Er bekräftigt, dass die gegen ihn vorgebrachte Beschuldigung unwahr ist. Er legt Wert auf eine Fortsetzung des bereits eingeleiteten kirchenrechtlichen Verfahrens. Darüber hinaus behält er sich rechtliche Schritte vor."

Diese Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre über einen Amtsträger, der seit 25 Jahren bei der Glaubenskongregation im Dienst dreier Päpste arbeitete - von Johannes Paul II. bis zu Papst Franziskus - ist Folge von Vorwürfen von Doris Wagner, einer ehemaligen Ordensfrau. Sie hat mittlerweile aus ihrem Leben einen Feldzug der Kritik gegen das gemacht, was sie an der Kirche und gottgeweihten Kongregationen für falsch hält.

Sie selbst beschreibt es so: Bei den normalen Katholiken tue sich was. Sie habe selbst an drei theologischen Fakultäten studiert. Bei den Studenten sei es normal, Sex vor der Ehe zu haben, Kinder vor der Hochzeit, homosexuelle Partnerschaften, und Verhütung werde nicht als Sünde gesehen. Das sei kein Thema mehr. Die Sexualmoral der Kirche sei absurd. Aber die Bischöfe würden sich in ihrer Einstellung zu diesen Fragen wohl nicht ändern. Da habe sie wenig Hoffnung. Das Problem sei die Struktur der Kirche. Die müsste man abschaffen, aber das würde der Papst wohl nicht tun. Sie glaube, man steure auf einen Zusammenbruch der kirchlichen Strukturen hin, oder darauf, dass sich der aus ihrer Sicht "extreme" Katholizismus abspalten werde.

Das sagt die ehemalige Schwester in einem am 19. November 2018 veröffentlichten Video der Sendung "SRF Kultur".

Im vergangenen Herbst hat Wagner im Film "Female Pleasure" – zu deutsch: "Weibliche Lust" - mitgewirkt und begann Bücher zu schreiben und an Konferenzen teilzunehmen, wie etwa den "Voices of Faith", wo sie ihre Geschichte erzählt.

Doris Wagner sagt im Film "Female Pleasure" geradeheraus, "jetzt ist die Kirche für mich die Räuberhöhle, von der Jesus im Evangelium spricht. Ein Ort, von dem man sich besser fernhält".

Wagner zufolge werden alle Religionen dazu benutzt, die bestehenden Machtverhältnisse zu legitimieren. Ohne öffentlichen Druck werde die Kirche nie etwas unternehmen.

In der Folge haben verschiedene Zeitungen, besonders "La Croix International", über sexuellen Missbrauch durch zwei Priester berichtet, und es taucht der Name von Pater Geißler auf, den Wagner beschuldigt, er habe nach einer Beichte Annäherungsversuche unternommen.

Doris Wagner-Reisinger lebt heute in Deutschland zusammen mit einem ehemaligen Mitbruder, einem "a divinis" suspendierten Priester, den sie zivil geheiratet hat und von dem sie einen Sohn hat.

(Der Begriff "a divinis" entstammt dem katholischen Kirchenrecht und bezieht sich auf eine Strafe für Kleriker. Sie beinhaltet den Ausschluss – die Suspension – von allen oder einigen Akten seines Amtes, etwa das Verbot, die Eucharistie zu feiern oder andere Sakramente zu spenden).

Ihre Geschichte beginnt 2008: Da hat sie - noch als Schwester - eine kurze sexuelle Beziehung mit einem Mitbruder. Im Oktober 2011 trennt sie sich - freundschaftlich - von der Gemeinschaft.

Alles ändert sich offenbar im Jahr 2012, insofern die ehemalige Schwester beginnt, unter der Perspektive des Missbrauchs, der Gewalt, der Manipulation, alles neu zu deuten. Und sie lernt ihren gegenwärtigen Partner kennen. Doris Wagner beginnt einen medialen und rechtlichen Kreuzzug.

2012 und 2013 erstattet sie gegen den Priester Anzeige, mit dem sie 2008 eine Beziehung gehabt hatte, wegen sexueller Gewalt. Aber sowohl in Deutschland als auch in Österreich entscheiden die Staatsanwaltschaften, dass der Vorwurf  unbegründet sei: Es habe sich um eine einvernehmliche Beziehung gehandelt.

In verschiedenen Beiträgen in der weltlichen Presse in Deutschland schildert Doris Wagner weiter ihre Geschichte - die "Zeit" etwa widmet ihr viel Platz. Aus der ehemaligen Ordensfrau wird eine Kämpferin zur Verteidigung von Frauen und Schwestern, die Missbrauch erleiden.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Angela Ambrogetti ist Chefredakteurin von ACI Stampa, der italienischsprachigen Schwesteragentur von CNA Deutsch.

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