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Die staade Zeit – Eine adventliche Betrachtung

Advent

Mundartlich-bayerisch gesprochen befinden wir uns alle, Gläubige, Suchende und auch jene, die vom Geheimnis des Glaubens noch unberührt sind oder zu sein scheinen, in der stillen, "staaden Zeit". Adventlich geschmückt sind Schaufenster der Geschäfte. Aber früher war die stille Zeit einfacher stiller. Früher rieselten mehr Schneeflocken. Früher haben wir mehr gesungen. Früher haben mir mehr gebetet. Und überhaupt: früher waren wir alle, besonders die Priester so viel frommer. Ach ja, früher … Dafür seufzen, jammern und stöhnen wir heute mehr, finden Sie nicht auch?

Der Advent ist eine schöne, frohe, stille, also eine staade Zeit – und wird das auch immer bleiben. Ich erinnere mich gern daran, wie ich als kleiner Junge in trüben, grauen Dezembertagen versonnen aus dem Fenster schaute. Am 5. Dezember stellte ich abends den Nikolausstiefel vor die Tür. Am nächsten Morgen holte ich diesen, wunderbar gefüllt, mit leuchtenden Augen staunend hinein. Mir ist gegenwärtig, wie ich an der Hand meiner Mutter, meiner lieben Mama durch die festlich dekorierten Geschäfte in der Stadt spazierte und besonders die Spielzeugabteilungen freudig betrachtete. Die eine oder andere schöne Kleinigkeit durfte ich mir dann aussuchen. Wie wunderschön waren diese adventlichen Nachmittage doch. Mit dankbarer Freude erfüllen mich diese Erinnerungen daran noch heute. Mehrmals in der Woche erklang die Antiphon "Rorate caeli" in der nur von Kerzenlicht erhellten Kirche. Auf den Adventsmärkten lag der Duft von gebrannten Mandeln in der Luft. Kleine Schnitzereien wurden angeboten. Besonders liebte ich mit Puderzucker bestreute Schmalzkuchen. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Die so ungesunden Süßigkeiten schmeckten eben besonders köstlich. Zimtsterne mochte ich, und in späteren Jahren wuchs mir der Apfelstrudel sehr ans Herz. Ich verfasste, so wie viele andere Kinder auch, einen Wunschzettel ans Christkind. Ja, die Adventszeit besaß ihren leisen, stillen Zauber. Der Advent ist eine besonders schöne Zeit – und jedes Kind Gottes freut sich darüber, Jung und Alt.

Mit den Jahren zeichnet sich auch in die Vorfreude aufs Fest eine Wehmut ein, weil in diese Tage so viele Erinnerungen eingewebt sind. Vor wenigen Jahren stattete ich meinem Doktorvater einen leisen, letzten Besuch ab. Zum Abschied sagte ich zu ihm: "Wir sehen uns wieder." Wenig später, am Tag vor dem Heiligen Abend, ging er für immer nach Hause. Der Herr hatte ihm das letzte Amen zugesprochen. Wir alle erfahren und erleben die Stille, die "staade Zeit", auf sehr eigene Weise. Wir dürfen dankbar sein für die Stunden, die wir mit unseren Lieben verbringen können. Nicht weniger dürfen wir aber auch voll Sehnsucht und Dankbarkeit versonnen nach Oben schauen. Manchmal fürchten wir uns auch vor der Stille. Wir decken sie dann mit vielen Worten zu. Zuweilen haben wir auch verlernt oder vergessen, uns mitzufreuen, wenn andere sich freuen oder auf je eigene Weise in froher Erwartung sind. Vielleicht wäre es eine schöne adventliche Erfahrung, wenn jeder von uns noch einmal wie in der Kindheit einen Wunschzettel, einen Brief ans Christkind schreiben würde. Welche Wünsche würden Sie notieren? Sicherlich wäre auch der eine oder andere Wunsch darauf verzeichnet, der auf Erden unerfüllt bleiben muss und unerfüllt bleiben darf. Warum eigentlich? Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hatte eine schöne Antwort darauf. Ich werde nie vergessen, wie er am Ende einer Predigt einmal sagte: "Das Beste kommt noch."

Ja, die Hoffnung auf solch himmlische Aussichten ist in der "staaden Zeit" erlaubt. Wir leben alle von der Hoffnung auf Freude und Güte, von der Hoffnung, die über diese Welt hinausreicht. Jedes Licht am Adventskranz erzählt uns davon. Vielleicht kann es uns allen gelingen, neu mit wahrhaft kindlicher Freude auf diese Welt zu schauen. Manchmal aber scheint es, so schrieb vor fast fünfzig Jahren in "Die Hoffnung des Senfkorns" der Regensburger Theologieprofessor Joseph Ratzinger, als würde auch der Christ in der Welt von heute auf nichts mehr warten, als sei die christliche Hoffnung zu einem leeren Wort geworden. Er fragte auch: "Dürfen wir uns freuen? Ja, wir dürfen es. … Die Welt lebt davon, daß es in ihr Freude gibt – daß sie nicht erstickt, im Genuß, im düsteren Ernst der Ideologie." Darum dürfen wir am nächsten Sonntag schon rosarot sehen, wenn es im Advent heißen wird: "Gaudete", freut euch!

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