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Das Christentum ist eine Herzreligion

Herz Jesu von Pompeo Batoni (1708 - 1787) in der Kirche Il Gesù in Rom

Was die Lebenskraft des Christentums betrifft, so hat sich der geniale Weltreisende und Journalist Peter Scholl-Latour gegen Ende seines Lebens skeptisch geäußert: "Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt. Es hat keine verpflichtende Sittenlehre, keine Dogmen mehr." In der Tat könnte jedem Liebhaber der göttlichen Dinge Angst und Bange werden angesichts der rationalistischen Wassersuppe, zu der das akademisch purifizierte Christentum in unseren Breitegraden herabgekocht wurde. Papst Franziskus hat sich und der ganzen Kirche eine schwerwiegende Frage gestellt: "Sind wir noch eine Kirche, die imstande ist, die Herzen zu erwärmen?"

Glücklicherweise haben eine Reihe von Elementen den Bildersturm überlebt. Es ist wahrhaft ein Wunder, dass die Lourdes-Grotte, der Barmherzigkeits-Jesus der Sr. Faustina, der Rosenkranz und die Herz-Jesu-Verehrung den Bildersturm überlebt haben. Mitten im aufgeklärten Christentum gibt es sie noch: die runde, saftige, pralle, kitschige, abstoßende, unmögliche "Religion", was selbst den Gebildeten unter ihren Verächtern langsam auffällt. Martin Mosebach hat vor nicht allzu langer Zeit eine Verteidigungsrede auf den religiösen Kitsch geschrieben und darin festgestellt, dass die ästhetisch unverfängliche Hochkunst "zu keiner Zeit eine besondere Verehrung beim gläubigen Volk genossen und auch niemals mit Gebetserhörungen und Wunderheilungen in Verbindung gebracht wurden". Sie ist einfach zu gut. Sie lenkt ab. Schließlich geht es beim echten Glauben nicht um Bilder, sondern um die Hingabe des Herzens. 

Mit sicherem Instinkt für das Wesentliche wählte der hl. John Henry Newman "Cor ad cor loquitur" - ein Wort, das nicht aus der Heiligen Schrift, sondern von Franz von Sales stammt -  zu seinem Wahlspruch. Das Christentum ist eine Herzreligion oder ist es ist gar keine. Das haben die Heiligen zu allen Zeiten gewusst. "Unser Herr", meinte die kleine Therese von Lisieux einmal, "braucht weder unsere hervorragenden Werke, noch unsere schönen Gedanken. Er sucht also weder Geist noch Begabung. Der Herr gibt sich schon mit einem Blick, einem Seufzer der Liebe zufrieden. Es ist mir klargeworden, dass es genügt, den Herrn bei seinem Herzen zu nehmen." Die heilige Mutter Teresa: "Richtet eure Augen auf Ihn, der das Licht ist; bringt eure Herzen ganz nahe zu Seinem göttlichen Herzen; bittet Ihn um die Gnade, Ihn zu erkennen, um die Liebe, Ihn zu lieben, um den Mut, Ihm zu dienen. Sucht Ihn sehnsüchtig." Und Vatican´s Next Top Saint, der radikale Wüstenmann Charles de Foucauld, reduzierte gar seine Existenz auf die Frage: "Was will das Herz Jesu?", um sich daraufhin vollends unmöglich zu machen: "Ich bin der Sklave dieses göttlichen Herzens. Das ist eine Sklaverei, die ich nicht abschaffen will ... Was das Herz Jesu will, das werde ich tun. Ihn anschauen und ihn nachahmen."

Das Herz Jesu Fest ist eine fleischgewordene Zumutung, wie schon die Inkarnation überhaupt eine Zumutung für die Weisen und Klugen der Welt war und ist. Die alten Griechen (und mit ihnen fast alle philosophischen Köpfe) versuchten "Gott" auf den Begriff zu bringen. Nur Israel entzog sich. Israel fand einen sprechenden Gott. Israel war ganz Ohr. Vor dem Denken, fand Israel zum Gebet. Statt das Feuer zu beschreiben, ließ Israel sich anstecken. Statt das Geheimnis zu begreifen, ließ Israel sich ergreifen – ergreifen von einem Gott, der sich auf unausdenkbare Weise zeigte, zuletzt in der dramatischen Existenz Jesu. 33 Jahre und eine Katastrophe verrieten alles, was wir über Gott wissen können: Gott ist Herz geworden. "Einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus" (Joh 19,34), damit "endlich, endlich ans Licht gebracht (ist), dass Gottes verborgener, immer verheimlichter Name Liebe ist." (Hans Urs von Balthasar)

Wenn alle Bosheit, alle Tücke, alle Menschenverachtung und Menschenschinderei der Welt sich im Lanzenstich von Golgotha versammelte, dann sehen wir den größten anzunehmenden Zusammenprall im ganzen Universum. In einem finalen Angriff macht das ganz Böse dem ganz Guten den Garaus. Das Böse trifft Gott ins Herz. Der Angriff scheitert auf spektakuläre Weise; der Lanzenstich bleibt ohne Erfolg: Gott ist nicht tot zu kriegen. "Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche" - Liebe und Leben für alle kommenden Generationen.

Wenn Gott uns sein Herz hinhält, sucht das die adäquate Antwort unseres Herzens. Gleich vorweg: Es gibt sie nicht. "Wir sind halbherzige Kreaturen, die mit Suff, Sex und Ehrgeiz herumspielen, wo uns gleichzeitig unendliche Freude angeboten wird." (C.S. Lewis) 

Es gibt aber die Gnade, die aus unseren stotternden Antwortversuchen einen schönen Satz macht. Die erste sinnvolle Reaktion heißt Anbetung. Das meint die demütige Anerkennung der Größe Gottes und der Schönheit seiner Liebe. ER hat Priorität. Daraus folgt der Versuch, Ordnung in unser Leben zu bringen – besser gesagt: Hinordnung auf Heiligkeit. Unser Denken ausrichten auf Wahrheit! Unser Fühlen ausrichten auf das Reine, Schöne, Erhabene! Unser Gewissen ausrichten auf die Intentionen Jesu (wenn denn jemand fragen sollte, was das denn sei, "der Wille Gottes")!

Vielleicht gibt es sie doch noch, die herzerwärmende Kraft des Glaubens, die Papst Franziskus als Erneuerung der Kirche ersehnt. Noch einmal Charles de Foucauld: "Öffne dein Herz weit, um zu empfangen, was Gott gibt!"

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