San Francisco, 23 März, 2016 / 9:09 AM
Vor einigen Jahren entdeckte ein evangelischer Theologe und früherer Zeitungskorrespondent in Japan ein ungewöhnliches Phänomen. Ausgerechnet in diesem weltlichen Land waren viele Menschen begeisterte Anhänger eines christlichen Komponisten klassischer Musik: Johann Sebastian Bach. Ihr Lieblingsstück? Die Matthäuspassion.
CNA-Redakteurin Mary Rezac sprach mit dem Theologen Uwe Siemon-Netto über seine Entdeckung und welche Auswirkungen dies auf die Evangelisierung der fernöstlichen Nation haben könnte.
Wie erfuhren Sie zuerst von der Liebe der Japaner zur Musik Bachs?
Ich komme aus Leipzig in Deutschland, und ich sah dort immer eine Menge Japaner, und den Regionalbischof, und er erzählte mir über japanische Bach-Professoren, die nach Leipzig kommen, um über das Alltagslektionar der Kompositionen Bachs zu forschen. Dann war ich eine Zeit lang Fernostkorrespondent einer Zeitung in Deutschland und bereiste natürlich den Fernen Osten, und dabei entdeckte ich die Liebe der Japaner zur Musik Bachs, und das verblüffte mich.
Ich komme aus der westlichen Kultur, ich wuchs mit den Klängen Bachs, Beethovens und Mozarts auf, und wenn Sie es so wollen, Unterhaltungsmusik und Jazz, aber japanische Musik begeisterte mich nie. Ich fand sie nett und schön, aber woher kommt es, dass sie Bach so anziehend finden?
Wer trug dazu bei, dass die Musik Bachs in Japan so populär wurde?
Während einer meiner vielen Besuche in Japan fand ich heraus, dass dort ein sehr berühmter Bach-Gelehrter lebt. Er war es, der das ganze im 20. Jahrhundert ins Rollen brachte. Sein Name ist Suzuki, und ich suchte ihn auf, und er war Christ, eigentlich Presbyterianer, und Organist seiner Kirchengemeinde. Ich traf ihn für zahlreiche Interviews und ging mit ihm zu zahlreichen Konzerten.
Er war Student bei Tom Koopman, und er erklärte mir, das Interessante sei, dass die Japaner (nach der Aufführung von Bachs Matthäuspassion, für welche sie mehr als 1.000 Dollar pro Karte bezahlt hatten, das war eine Menge Geld, und das war in den 1990er Jahren), den Text im Programm auf Deutsch und Japanisch verfolgten, und dass es bestimmte Worte gibt, die sie nicht verstehen oder für die keine japanische Übersetzung existiert – eines dieser Worte war "Hoffnung". Sie standen nach dem Konzert um ihn herum und baten ihn, die Bedeutung dieser Worte zu erklären.
In Japan leben heute nicht viele Christen. Warum genießen sie Bachs christliche Musik so sehr?
Bachs Musik war sogar in Deutschland fast vergessen — bis Mendelssohn ihn Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckte. Dann kamen kurz danach Teile der Musik nach Japan, wahrscheinlich von einem deutschen Musiker oder Dirigenten, und das mit großem Erfolg.
Danach enträtselten japanische Musikgelehrte langsam die Frage: „Was ist dieses Phänomen?" Die selbe Frage stellte ich als Journalist; das Phänomen, dass die Japaner irgendwie auf diesen sehr westlichen klang barocker Musik stehen – in diesem besonderen Fall auf die Musik Bachs.
Die Musikgelehrten fanden heraus, dass dies bis auf das 16. Jahrhundert zurückgeht, als die Jesuiten und die Franziskaner nach Südjapan kamen und die Region christianisierten. In Bachs Musik herrscht ein starkes mathematisches Element vor, so wird die Schönheit Gottes im All widergespiegelt, sie wird in deiner Umgebung widergespiegelt... und natürlich in der Musik, durch die der Glaube den Menschen gebracht wird.
Etwa ein Drittel der Bevölkerung und des gesamten Adels Südjapans nahm den christlichen Glauben an. In den Augen der Südjapaner war es modern, Kruzifixe auf der Brust zutragen, Bibelstudien zu besuchen und so weiter.
Die Franziskaner brachten Orgelbauer nach Japan und bauten auch Orgeln, besonders in Nagasaki, das im späten 16. Jahrhundert als das Vatikan des Christentums in Japan galt. Sie brachten Prinzen und Adeligen das Orgelspielen bei. Sie waren so hervorragend, dass sie nach Portugal und Madrid sowie in den Vatikan gebracht wurden und vor dem Papst sowie vor Königen spielten.
Dann rotteten die Schogune Anfang des 17. Jahrhunderts das Christentums durch Martyrien aus: sie verbrannten Christen, die mit dem Kopf nach unten hingen. Ihre Münder hingen über Jauchengruben; sie kreuzigten sie mit dem Kopf nach unten.
Das Christentum wurde im Süden Japans vernichtet – einige abgelegene Fischerinseln ausgenommen, dort findet man christliche Fischergemeinschaften. Aber das Einzige, was vom Christentum bis zur Ankunft der neuen Welle von Missionaren sichtbar übrig blieb, war der Sinn für Musik, für westliche Musik, und in diesem Fall steht der gregorianische Gesang mit dem japanischen Sinn für Musik in Einklang.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Was sagt dieses Phänomen über die Hoffnung auf Rückkehr des Christentums nach Japan aus?
Für mich als christlichen Theologen zeigt sich hier sehr offensichtlich das Wirken des HeiIigen Geistes. Wie die Heilige Schrift sagt: Für Gott ist ein Tag wie tausend Jahre. Er lenkt offensichtlich die Geschichte, greift zu Gunsten Seiner Kirche in die Geschichte ein. Und das ist für mich so absolut aufregend. Der Gedanke, dass im 16 Jahrhundert eine Handvoll Missionare nach Japan kommt, und dann das Christentum ausgelöscht wird, aber was bleibt — und sich auf die Religiosität der Japaner auswirkt — ist der musikalische Teil davon.
Ich behaupte nicht, dass Musik den Glauben erzeugt, aber die Musik erzeugt eine Neugier für den Glauben … und natürlich würde Bach als strenggläubiger Lutheraner antworten, wenn er gefragt würde: "Was ich tue, ist die Umsetzung des Wortes Gottes in Musik."
Die Japaner heute sind dem Christentum gegenüber nicht vollständig resistent, ganz im Gegenteil, sie sind für das Christentum offen. Wie erwähnt, Suzuki wurde vom Publikum in Tokio gebeten, ihnen die christlichen Begriffe und Ideen, die Bedeutung von Hoffnung, Liebe und Frieden und all das zu erklären, und daher ist es da..
Der Heilige Geist arbeitet über Jahrhunderte und über Generationen hinweg, daher wäre ich nicht überrascht, wenn wir sagen wir mal in den nächsten 200 Jahren eine christliche Erweckung in Japan erleben.
Warum öffnet die Schönheit, so wie in der Musik Bachs, die Seelen und die Herzen für Gott?
Von allen Wissenschaftlern neigen die Mathematiker vielleicht am ehesten dazu, gläubig zu sein, und das liegt an der Schönheit der Mathematik. Dies führt uns zu Bach, denn in der Musik Bachs findet sich ein starkes mathematisches Element, da spiegelt sich die Schönheit Gottes in der Welt wider, sie spiegelt sich in der Umgebung des Einzelnen wider … und natürlich in der Musik, durch welche der Glaube den Menschen vermittelt wird.
Einer der Gründe, warum ich so vehement gegen moderne liturgische Formen oder nicht-liturgische Andachten bin, ist, dass bei modernen liturgischen Formen diese unsinnigen idiotischen Geräusche vorherrschen, die gemacht werden, und der Altar wird durch einen Satz Trommeln ersetzt, und die Menschen schreien herum und rufen den selben Quatsch, in dem sie einfach das selbe wiederholen. Das hat nichts mit Schönheit zu tun, und ich glaube, dass das theologisch kontraproduktiv ist – das ist meine persönliche Meinung.
Ich setze mich nachdrücklich für für eine vollständige Liturgie ein, die uns durch die alte Kirche überliefert wurde. Sie ist der Schlüssel, durch den sich Gott uns zeigt. Für mich ist es unverständlich, wie jemand behaupten kann, die Schöpfung sei durch Zufall entstanden, wenn sie so schön organisiert und strukturiert ist. Das ist einfach nur Quatsch. Es klingt so lächerlich, aber es rettet die Welt nicht, es ist ein Instrument dafür. Christi Wirken am Kreuz für uns hat die Welt erlöst und erlöst sie auch heute.
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